Der Verlorene Mann & “The Roads Not Taken”

Der Verlorene Mann & “The Roads Not Taken”

Am 7. Tag sind Paul und ich wieder gemeinsam unterwegs. Im Berlinale Palast sehen wir uns das US-amerikanische Drama „The Roads Not Taken“ von Sally Potter an. Anschließend geht es zur Pressekonferenz des Films, der in der Sektion Wettbewerb um den Bären konkurriert.

Der Verlorene Mann

Zwischen Schnee, Demenz und der plumpen Suche nach dem Sinn. Kritiken zu “Siberia” und “The Roads Not Taken”. Der Verlorene Mann hat ausgedient. Zumindest hoffe ich das. Es wäre schön mehr Filme zu sehen, die neue Wege und neue Protagonist*innen finden, um universelle Geschichten zu erzählen, die jede Person im Publikum ansprechen.

Ihr kommt hier nicht rein!

„Ist er überhaupt da?“ fragen Ärzte Molly, die sich um ihren geistig verwirrten Vater Leo kümmert, der mehrere Parallelwelten durchläuft: als Ehemann in Mexiko, als einsamer Schriftsteller in Griechenland, und im Hier und Jetzt in New York mit seiner Tochter.

Nach den 85 Filmminuten unterhalten Paul und ich uns darüber, wie liebevoll Molly mit ihrem Vater umgeht. In jungen Jahren schon für seine Eltern verantwortlich sein zu müssen, die beim Zahnarztbesuch in die Hose machen, können wir uns gar nicht vorstellen. Was aber nehmen wir mit aus „The Roads Not Taken“?

Wir gehen in das gegenüberliegende Grand Hyatt-Hotel, wo im Anschluss die Pressekonferenz stattfinden soll. Im ersten Stock angekommen tummeln sich schon zahlreiche Journalist*innen. Hinter einer Wand, die nur für Presseleute mit Fotoakkreditierung vorbehalten ist, blitzt es und Leute rufen lautstark nach Javier Bardem, der im Film Leo spielt.

Wir gehen auf den Pressekonferenzraum zu. Zwei Männer im Anzug versperren uns den Weg. „Sie können gerade nicht rein, es sind schon zu viele Leute drin“, sagt einer von beiden. „Erst wenn jemand raus geht, kann jemand anderes rein“, ergänzt der andere.

Es sammeln sich immer mehr Leute in der Schlange. Eine Journalistin fleht die Ordner an: „I came all the way from Mexico, just for this film!“. Man müsse sie doch rein lassen. Ein weiterer Anzugmann mit düsterem Blick kommt dazu: „There are also people from other countries that want to get in. So, no!”

Pressekonferenz “The Roads Not Taken” – Salma Hayek, Javier Bardem, Sally Potter, Elle Fanning (v.l.n.r.)

Das Gedränge verdichtet sich. Nach 15 Minuten lässt man uns doch noch rein. Der Raum ist überhaupt nicht so voll, wie behauptet wurde. Wir stellen uns neben das Podest, von wo aus Kameraleute die Konferenz mitfilmen. Ich muss mich etwas auf Zehenspitzen stellen, um Salma Hayek, Javier Bardem, Sally Potter und Elle Fanning sehen zu können, die inzwischen auf ihren Stühlen sitzen und Reporter*innenfragen beantworten.

“So, I wanted to explore that feeling of fluid multiplicity of possibility. We all stand at crossroad moments in our life. We could have continued in that marriage or relationship, or we could have followed this career path […]”, beschreibt Sally Potter, „and the premise of the film is, well, maybe when we go one direction, another part of us does continue to go in that parallel direction.”

Wenn ich über Potters Worte nachdenke, fällt mir auf, wie alltäglich es ist, dass wir uns zwischen Weg A, B oder C entscheiden müssen. Aber irgendeinen Weg müssen wir einschlagen und später werden wir uns fragen, was gewesen wäre, wenn wir uns anders entschieden hätten.

► Alle Beiträge zur Themenwoche Berlinale 2020

Fotos: Valentina Keller und Paul Stümke
Veröffentlicht am 28. Februar 2020

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