Album der Woche: Porridge Radio – Every Bad

Album der Woche: Porridge Radio – Every Bad

2016 gründete die Sängerin, Gitarristin und Songwriterin Dana Margolin Porridge Radio noch als Bedroom-Indie Projekt. Nach einigen Singles und einem selbstproduzierten Debüt ist Porridge Radio inzwischen zu einer vierköpfigen Band angewachsen. Dass die Gruppe mittlerweile nach Größerem strebt, dabei aber ihre Lo-Fi Wurzeln nicht vergessen hat, zeigt ihre zweite LP: Every Bad ist eines der emotional intensivsten Gitarrenrock-Alben der jüngeren Vergangenheit.

Every Bad klingt rau und unberechenbar. Die Band bedient sich freigiebig an den letzten vierzig Jahren Punk- und Indie-Geschichte und lässt gewohnte Songstrukturen häufig hinter sich.  So alteriert „Sweet“ zwischen bittersüßem Fingerpicking und Noise-Rock Gewitter. Weil der Track auf einen erlösenden Refrain verzichtet, gibt es auch keinen Ausbruch aus seiner beklemmenden Atmosphäre. „Don’t Ask Me Twice“ könnte dagegen der eingängigste Song des Albums sein, bis sich die Band nach anderthalb Minuten in eine schonungslose Screamo-Passage stürzt. Kaum ein Song klingt gleich auf Every Bad, was eine Stärke des Albums ist, spiegelt es doch den thematischen Grundtenor des Albums wider: Die emotional überfordernden und widersprüchlichen Kämpfe, die wir laufend austragen – mit den Menschen um uns herum, und vor allem mit uns selbst.

Dana Margolins Vocals bewegen sich ständig zwischen diesen Widersprüchen:  Sie klingt mal wütend, mal verängstigt, pendelt zwischen Verwundbarkeit und Entschlossenheit, und diktiert so die zahllosen Auf und Abs der Musik. Häufig wiederholt Margolin einzelne Zeilen solange, bis sie zu einer Art Mantra werden und mit jeder Intonation an möglichen Bedeutungsebenen hinzugewinnen. Kein Track verdeutlicht das eindrucksvoller als „Lilac“: Was genau die Zuhörenden aus Dana Margolins Appell am Ende des Songs herausziehen mögen, bleibt ihnen selbst überlassen. Dass da aber ganz sicher etwas hängen bleibt, dafür sorgen die Intensität ihrer Stimme genauso sehr wie die Post-Rock artige Klangwand.   

Pitchfork bezeichnete die Musik von Porridge Radio kürzlich als „Indie-Rock for the Angsty Antisocial in All of Us“. Falsch ist das sicher nicht. Die besondere Kraft von Every Bad liegt aber darin, Teenage-Angst zu etwas Gemeinschaftsstiftenden zu machen. „Wir alle kennen dieses permanente viel-zu-viel an widersprüchlichen Emotionen“, scheinen Dana Margolin und ihre Bandkolleg*Innen sagen zu wollen, „und auch wir haben kein besseres Mittel dagegen, als es in die Welt hinaus zu schreien.“ Gerade in turbulenten Zeiten sorgen Alben wie Every Bad dafür, sich mit den eigenen Schreien gehört zu fühlen.

von Jonas Hägele

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Veröffentlicht am 18. März 2020

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