Regisseur Alex Piperno: “Window Boy Who Would Also Like To Have A Submarine”

Regisseur Alex Piperno: “Window Boy Who Would Also Like To Have A Submarine”

Das Forum ist eine besondere Sektion der Berlinale – nicht nur weil es dieses Jahr fünfzig Jahre besteht, sondern vor allem durch die Filme, die dort präsentiert werden. Das Internationale Forum des Jungen Films, so heißt es zur Gründung 1970, zeigt Arbeiten, die oft hoch experimentell, provokativ und kräftezehrend sind und gelegentlich an die Grenzen des Mediums stoßen. Dass sich hier mitunter die spannendsten Produktionen des ganzen Festivals befinden, überrascht nicht.

Regisseur Alex Piperno im Gespräch über die Freude am Schneiden, Kreuzfahrten und die Neugierde an anderen Welten.

Der überlang betitelte Film „Window Boy Who Would Also Like To Have A Submarine“ von Regisseur Alex Piperno hält sich in seiner Erzählweise sehr zurück. Der Großteil des Films ist dialogfrei und den Zuschauer*innen wird viel Platz gegeben, um den Film aktiv ansehen zu können.

Zu Anfang werden wir direkt in die blaue Nacht irgendwo in der Berglandschaft der Philippinen geworfen. Üppiges Gestrüpp und kleine Dörfer zieren die Gegend. Ein Mann stößt auf eine merkwürdige Hütte, die plötzlich aufgetaucht zu sein scheint. Er informiert das Dorf – schnell vermuten alle, dass dort ein Fluch herrscht.

Ein Plötzlicher Wechsel der Szenerie bringt uns auf einen Luxuskreuzer, der irgendwo vor Patagonien herumtuckert. Ein junger Mann, den alle nur Chico – also Junge – nennen, arbeitet dort und säubert still und unauffällig Deck und Rehling. Unerwartet findet er über eine Tür im Schiff den Eingang zu der Wohnung einer jungen Frau. Nach kurzer Überraschung lässt die Frau ihn bei sich schlafen. Gleichzeitig wird klar, dass das Schiff noch ein Portal zu der Hütte in den Bergen haben muss.

Ich habe mit dem Regisseur Alex Piperno gesprochen, um mir einen Einblick in die Motive und die Produktion des Films zu verschaffen.

Paul: Sie haben den Film in mehreren Ländern gedreht, gab es dabei Schwierigkeiten?

Alex Piperno: Natürlich war es eine Herausforderung, gerade weil es der erste Langfilm war, den ich gedreht und produziert habe. Die vielen Drehorte waren ein Problem, aber natürlich auch eine Motivation für das gesamte Projekt. Auch die Kommunikation war nicht immer einfach, besonders auf den Philippinen. Im Norden des Landes sprachen die Leute teilweise nicht einmal Philippinisch. Wir hatten aber einen Übersetzer dabei, der die lokale Sprache verstand.

Paul: Im Film ist Kommunikation auch ein Thema, der Protagonist redet fast gar nicht. Was hat Sie daran interessiert?

Alex Piperno: Im Film selbst wird schon einiges geredet. Gerade die Bauern auf den Philippinen reden tatsächlich so viel miteinander, mir war es wichtig zu zeigen, wie dort wirklich gelebt wird. Bei dem Protagonisten wiederum wollte ich weniger Dialoge haben. Ich fand die Rolle sehr zart und ruhig, das hat dann besser gepasst.

Paul: Der Protagonist arbeitet auf einem Kreuzer, weshalb dieses Setting?

Alex Piperno: An sich finde ich die Vorstellung von Kreuzfahrten fürchterlich. Es ist eine Mischung aus Disneyland und Guantanamo, dieser Mix aus Unterhaltung und Luxusresort. Gleichzeitig mag ich, dass es dort verschiedene Bereiche gibt. Einen öffentlichen und einen abgeschlossenen, der nur für die Crew zugänglich ist. Da werden plötzlich die Verhältnisse umgedreht und die Schiffscrew hat diese Sonderstellung.

Paul: Haben Sie selbst viel Zeit auf Kreuzern verbracht?

Alex Piperno: Nein, ich vermeide solche Fahrten. Ich komme ja aus Uruguay, lebe aber in Argentinien. Als ich übergesetzt habe, musste ich eine drei-stündige Fahrt mit einer Fähre machen. Für mich hat sich das angefühlt wie eine Verbindung dieser verschiedenen Welten. Natürlich kann man auch sagen, dass so ein Kreuzer eine gute Verkörperung des Spätkapitalismus ist, ich denke diese Ebenen sind in dem Film auch klar erkennbar

Paul: Die Reaktionen auf die geheime Hütte und die Tür in der Wohnung, zu denen das Schiff führt, sind sehr unterschiedlich.

Alex Piperno: An sich betrachtet ja, allerdings denke ich, dass letzten Endes alle gleich reagieren. Alle wollen rein in dieses Schiff. Wenn sich jetzt bei uns so eine Tür im Wohnzimmer plötzlich öffnen würde, die zu irgendeiner wunderschönen Landschaft oder anderen Person führt, würde uns das interessieren. Wir würden das schnell akzeptieren und angucken wollen. Ich mochte außerdem das Mysteriöse an der Idee. 

Paul: Warum wollten Sie diese verschiedenen Kulturen verbinden?

Alex Piperno: Für mich ist es Poesie, Dinge zu verbinden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Als ich das Schiff und das Zimmer hatte, war es mir klar, dass man noch etwas ganz anderes braucht. Deshalb diese fremde Landschaft auf den Philippinen. Mir begegnet das häufig, auch hier auf der Berlinale lernt man ständig neue Leute kennen und irgendwie können wir uns alle verstehen. Da zeigt sich, dass wir alle Menschen sind und natürlich ein Verständnis füreinander haben. Eigentlich sind wir alle ziemlich gleich.

Paul: Wie haben sie die Drehorte gefunden?

Alex Piperno: Wir haben viel gescoutet. Wir haben auf sechs verschiedenen Schiffen gedreht, das kann ich nicht empfehlen. Wenn ich an einem Ort bin, suche ich gerne schon nach den entsprechenden Bildern und überlege mir, wie man die Szene darin stattfinden lassen könnte.

Paul: Sie haben es schon angesprochen, der Film ist ihr Debüt. Warum diese Idee?

Alex Piperno: Es hat länger gedauert, ich hatte erst nur einige Bilder im Kopf zum Beispiel das Schiff. Ich hab dann noch an einem Drehbuch Mentoring teilgenommen und habe das Projekt weiterentwickelt. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das Projekt eigentlich sehr anspruchsvoll ist, da steckte ich aber schon in der Produktion und habe den Film dann einfach gemacht.

“Window Boy Who Would Also Like To Have A Submarine”

Regie: Alex Piperno

Paul: Sie waren 2012 und 2013 bei den Berlinale Talents als Teilnehmer.

Alex Piperno: Ich habe damals viel gelernt und mag das Konzept, weil man eine Gemeinschaft ist und zusammen lernt. Es ist sehr schön, dass ich dieses Jahr meinen Film in der Talents Sektion präsentieren und auch wieder etwas weitergeben kann.

Paul: Welche Art von Filmen sollten mehr gemacht werden?

Alex Piperno: An sich finde ich, muss es alle Filme geben. Für mich hat Film die Kraft Träume zu zeigen. Ich interessiere mich nicht so sehr dafür, das Leben wirklich abzubilden. Man sollte das Medium mehr ausnutzen.

Paul: Sollten Filmemacher mehr Ambitionen haben?

Alex Piperno: Was heißt das? Ich denke mein Film ist nicht besonders ambitioniert. Es sollte jeden Film geben dürfen. 

Paul: Der Film ist sehr intim, aber nie zu nah an den Charakteren. Wie viel Raum wollten Sie den Zuschauer*innen geben?

Alex Piperno: Ich habe viel über Bilder im Bild nachgedacht. Ich hatte sehr früh Ideen zum Framing der Geschichte. Eine große Inspiration war da Tsai Ming-Liang.

Paul: Der ja auch mit „Rizi (Days)“ dieses Jahr im Wettbewerb läuft.

Alex Piperno: Ja ich habe mir für Morgen ein Ticket gekauft und bin sehr gespannt. Neben dem Framing habe ich mich auch im Schnitt ausgelebt. Das Drehbuch ist eher eine erste Orientierung für mich. Ich ändere im Schnitt gerne Szenen, setze sie an andere Stellen und improvisiere schon am Set, damit ich später mehr Freiraum habe. 

Paul: Haben Sie beim Schnitt schon das Publikum im Kopf?

Alex Piperno: Ich schneide eigentlich nur nach meiner Freude. Alles, was sich gut anfühlt, wird für die Zuschauer*innen von Interesse sein, davon gehe ich aus. Der Rhythmus des Films kommt auch sehr stark aus meinem Interesse für die einzelnen Szenen. Mir gefiel bei den Vorführungen, dass es einige Stellen gab, bei denen im Publikum gelacht wurde. Das habe ich nicht unbedingt so geplant, aber es ist zumindest ein Film zum Schmunzeln.

Paul: Und jetzt steht das nächste Projekt an?

Alex Piperno: Ich arbeite auf jeden Fall bereits daran und habe schon Bilder im Kopf. Das nächste Mal wird sicher mehr geredet werden. Außerdem würde ich mich gerne daran üben mehr Gefühle einzubauen, weil mir das noch etwas schwer fällt.

Paul: Also dann bald wieder auf der Berlinale?

Alex Piperno: Das wäre natürlich toll, aber so weit will ich noch gar nicht denken. Besonders schön war, dass sich hier auf der Berlinale zum ersten mal alle Produktionsteams getroffen haben, die am Film beteiligt waren. Weil wir in verschiedenen Ländern gedreht haben, hatten wir immer andere Beteiligte und die kannten sich bisher noch nicht. Wir haben uns jetzt aber alle zusammengefunden und uns gemeinsam gefreut. 

 „Window Boy Who Would Also Like To Have A Submarine“ hat den Preis der unabhängigen Leser-Jury des Tagesspiegel erhalten.

Autoren:
Veröffentlicht am 2. März 2020

Empfohlene Artikel