Album der Woche: Phoebe Bridgers – Punisher

Album der Woche:  Phoebe Bridgers – Punisher

Gerade einmal vor drei Jahren veröffentlichte Phoebe Bridgers ihr Debütalbum Stranger in the Alps. Seitdem wird die Songwriterin aus Los Angeles als Stimme ihrer Generation gefeiert. Ihr jetzt erschienenes zweites Album rechtfertigt den Hype: Punisher ist nicht nur ein fantastisches Indie-Folk Album, sondern auch ein präzises Dokument über das Erwachsenwerden während des gegenwärtigen historischen Moments.

Das bedeutet zwangsläufig, dass Bridgers sich auf dem Album mit harten Themen auseinandersetzt. Gefühle von generationeller Unsicherheit, Angst und Depression ziehen sich durch Punisher und ihre Songs sind bevölkert von Figuren, die in dysfunktionalen zwischenmenschlichen Beziehungen gefangen sind. Trotzdem wäre es viel zu kurz gegriffen, Phoebe Bridgers auf das klischeehafte Image des ewigen Sad-Girls zu reduzieren, das ihr seit Beginn ihrer Karriere anhaftet. Denn verwundbare Introspektion macht nur einen Teil des Reizes ihrer Texte aus.

Bridgers Songwriting verknüpft universale Themen mit fiktionalen und autobiographischen Anekdoten, steckt aber gleichzeitig voller humorvoller Beobachtungen. Dabei folgt sie der sprunghaften Logik von Träumen und verweilt mit ihren Gedanken selten lange an einem Ort. So bekommt jeder Song mehrere Bedeutungsebenen verliehen. “Halloween” greift beispielsweise Bridgers Faszination mit dem Morbiden auf, die schon auf Stranger in the Alps omnipräsent war. Den titelgebenden Feiertag sieht Bridgers als Möglichkeit, der Tristesse einer zum Scheitern verurteilten Beziehung zu entfliehen.   

Die sprunghaften Lyrics konterkarieren Bridgers und ihre Band mit einem ruhigen Klangbild. Nach wie vor ist die Musik von Phoebe Bridgers im Folk-Rock verwurzelt – Gitarre, Bass und Drums bilden das Fundament der Instrumentals und werden auf einzelnen Tracks von Synthies und Streichern begleitet. Auf Punisher verschmelzen die Arrangements aber häufig zu einem warmen und einladenden Klangteppich. Dabei ist es Bridgers Gespür für eingängige Gesangsmelodien zu verdanken, dass auch minimalistische Tracks noch lange nachhallen.

Den einen Moment des musikalischen Ausbrauchs behält sich Phoebe Bridgers dann bis zum Ende auf. Der Track I know the End beginnt als Road-Trip Fantasie, ufert dann aber in apokalyptische Ikonografie aus und schaukelt sich in den letzten zwei Minuten zu einem rauen Crescendo hoch. Um ihre persönliche Apokalypse glaubhaft zu vertonen, holt Bridgers sich die Unterstützung ihrer regelmäßigen Kollaborationspartner*innen Lucy Dacus, Julien Baker und Conor Oberst dazu. Es ist ein denkwürdiger, gemeinschaftsstiftender Abschluss zu einem Album, das ansonsten in seinen leisen Momenten am lautesten spricht.

von Jonas Hägele

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Veröffentlicht am 9. Juni 2020

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