Album der Woche: Run The Jewels – Run The Jewels 4

Album der Woche:  Run The Jewels – Run The Jewels 4

Es hätte wahrscheinlich keinen besseren Zeitpunkt für das neue Run The Jewels Album geben können. Während Proteste gegen systematischen Rassismus und Polizeigewalt Zehntausende in die Straßen treiben, liefert das Indie-Hiphop-Duo mit ihrem vierten Album Run The Jewels 4 den passenden Soundtrack für die erhoffte Revolution.

Obwohl Killer Mike und El-P lange Karrieren hinter sich haben, klingt ihr neues Werk so frisch und unbarmherzig wie schon seit langem nichts mehr. Die Produktion, die alleine von El-P gehandelt wird, ist auf das Wichtigste reduziert. Die Drums bewegen sich zwischen knallenden Oldschool Samples und glasklaren Loops. Jedes Lied hat einen tanzbaren, treibenden Rhythmus und lässt den Hörer*innen zwischendurch keine Verschnaufpause. Trotz all der Härte, komprimierten Bässe und verzerrten Stimmen, sorgen melodische und instrumentale Beatwechsel für ein abwechslungsreiches Klanggewand.

Run The Jewels 4 ist ein Protestalbum, dass die aktuellen Riots in ihrer Wut unterstreicht. Das Album wurde extra zwei Tage früher und gratis veröffentlicht. Die meisten Zeilen richten sich gegen rassistische Cops, Politiker, die aus Eigeninteresse handeln und ein System, das sich nur mit Gewalt an der Macht hält. Die Bilder, die dabei gemalt werden, zeigen eine gänzlich abgestumpfte Gesellschaft. Hier gibt es keine Zeit für Feingefühl. „Walking in the Snow“ sticht dabei mit seiner Beschreibung des Mordes eines unschuldigen schwarzen Mannes heraus. Für einen kurzen Moment versetzt sich Killer Mike an dessen Stelle und flüstert erschöpft „I can’t breathe“.

Dass es sich hierbei nicht um eine Zeile über George Floyd handelt, macht den Moment noch schmerzhafter. Die Gewalt, die hier beschreiben wird, ist real und bricht das sonst so entfernt wirkende Rap Narrativ von dem täglichen Struggle zu überleben. Dabei bleiben sich Run The Jewels ihrer humorvollen Art treu. Wortspiele, popkulturelle Referenzen und ironische Selbstüberschätzung. Der harte Sound des Albums betont aber vor allem die ernsteren Seiten. Dort formen sich schmerzliche Erfahrungen zu einer unaufhaltbaren Gegengewalt. Run The Jewels 4 ist das fokussierteste Album der beiden Rapper, die ihre Erfahrungen ohne erhobenen Zeigefinger, sondern mit der ganzen Faust präsentieren. Die inhaltlichen Höhepunkte stechen besonders stark heraus und betonen den Aufruf zum Widerstand. Mit „a few words for the firing squad“ findet die LP den persönlichsten Abschluss. Killer Mike reflektiert seine eigene Rolle als möglicher Anführer einer neuen Bewegung und endet mit einer Ehrung all jener, die für ihre Überzeugungen kämpfen. Ein schrilles Saxophonsolo lässt ein letztes Mal die ganze aufgestaute Wut heraus und übergibt uns, den Hörer*innen, die Verantwortung jetzt zu handeln.

von Paul Stümke

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Veröffentlicht am 2. Juni 2020

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