Album der Woche: Daniel Blumberg – On & On

Album der Woche:  Daniel Blumberg – On & On

Das neue Album des Briten Daniel Blumberg eignet sich zwar immer noch nicht zur sanften Untermalung sommerlicher Grillabende; verglichen mit seinem bisherigen Solomaterial wirkt der experimentelle Folk auf »On&On« aber beinahe lebensbejahend.

2010 veröffentlichte Daniel Blumberg mit seiner damaligen Band Yuck ein Album, das – wäre es nur 15 Jahre früher erschienen – bestimmt zu den stilprägendsten Platten des 90s-Indie-Rocks gezählt hätte. Mit einem grandiosen Gefühl für Arrangements und Sounds vermengte er und seine Band darauf noisige Weirdness (»Rubber«) mit einigen der schönsten Slacker-Hooks der vergangenen Dekade (»Suicide Policeman«, »Sunday«). Zehn Jahre später erscheint nun ein Album unter seinem Eigennamen, das klingt, als wäre ihm das alles im Nachhinein furchtbar peinlich – eine naive Jugendsünde aus einer Zeit, da die Welt noch offen schien.

Aus Sicht ferndiagnostischer Küchenpsychologie spricht vieles dafür, den soundästhetischen Kurswechsel vor allem auf den Wandel seiner mentalen Konstitution zurückzuführen: Sein Solodebüt »Minus« (2018), das er – wie auch die neue Platte – zusammen mit dem langjährigen Scott Walker Produzenten Peter Walsh aufnahm, entstand kurz nach einem psychischen Zusammenbruch und einen anschließenden Klinikaufenthalt. Es versteht sich von selbst, dass sich die Platte daher nur in super-stabilen Momenten empfiehlt (und auch dann noch sollte man spitze Gegenstände besser vorher abschließen und den Schlüssel gut verstecken lassen). Beim Hören des neuen Albums »On&On« bedarf es dieser Sicherheitsmaßnahmen zum Glück nur noch bedingt.

Wie auch der Vorgänger wurde die Platte zusammen mit Mitglieder*innen der Londoner Improvisations-Szene um die renommierte Jazz-Location Café Oto aufgenommen. Mit ihren disharmonischen Kurzeskalationen aus Drums, Kontrabass und Streichern unterwandern diese konventionelle Pop-Hörgewohnheiten auch auf »On&On« zielsicher. Die Platte beweist aber auch, dass Blumbergs Gespür für schwerelose Melodien die Klinik überlebt hat. Regelmäßig und trotzig bahnt sich seine Stimme einen Weg durch den impressionistischen Nebel aus Improvisation und wirft so ein sanftes Licht auf die nachtschattigen Arrangements seiner Mitmusiker*innen. Zunächst erahnt man die sich zärtlich ankündigende Dämmerung nur; spätestens im Song »Teethgritter« bricht sie sich dann aber endgültig Bahn und Blumberg wirkt – zumindest solange man die Textebene ignoriert – beinahe glücklich.

von Julian Tröndle

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Veröffentlicht am 29. Juli 2020

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