Album der Woche: Protomartyr – Ultimate Success Today

Album der Woche:  Protomartyr – Ultimate Success Today

Man hat sich hierzulande beinahe daran gewöhnt, dass man angesichts der Meldungen aus den USA meist nur noch resigniert den Kopf zu schütteln weiß. Ein Gefühl davon, wie es sich anfühlt, inmitten dieses politischen und gesellschaftlichen Wahnsinns zu leben, vermittelt die Band Protomartyr. Auf ihrem fünften Album scheinen sie tatsächlich noch schlechter drauf zu sein als sonst.

Ob der Esel auf dem Artwork eine politische Präferenz hinsichtlich der anstehenden Präsidentschaftswahl markiert, ist zwar Spekulation, klar ist indes, dass das Quartett Protomartyr mit Ultimate Success Today wiederholt ein fantastisch wütendes Album aufgenommen hat, das die politische Frustration der US-Amerikanischen Linken in adäquat desillusionierten Post-Punk überführt.

Eingespielt wurde die Platte in einer entweihten Kirche nahe New York. Man hätte sich kaum eine bessere Kulisse ausmalen können für diese großartige Endzeitmusik: Wie in einem McCarthy- Roman sieht man vor seinem inneren Auge Heiligenstatuen von ihren Sockeln stürzen, während sich die Erde langsam und erbarmungslos öffnet. Bass und Schlagzeug erzeugen ein bedrohlich schwankendes Fundament, während die Gitarren wie Blitze die Nacht durchschneiden. Sänger Joe Casey gibt derweil im Duktus eines Mark E. Smith den wahnsinnig gewordenen Propheten, der von der Kanzel aus die klagende Gemeinde beschimpft.

Neben dem der Briten IDLES zählt der Sound von Protomartyr wohl zu den wütendsten Manifestationen des aktuellen Post-Punks abseits des scheuen Undergrounds. Anders als die Erstgenannten wirft die Band aus Detroit aber nicht mit T-Shirt-fertigen Parolen um sich. Ihre Lyrics sind subtiler und weigern sich konsequent, in skandierbaren Hooks aufzugehen. Auch auf ihrem neuen Album wartet man somit vergeblich auf den wütend-kathartischen Ausbruch und doch ist die Wut als stetiges Grundrauschen allgegenwärtig. Die Platte trifft damit die aktuelle gesellschaftliche Grundstimmung viel akkurater, als es ‘traditionellere’ Punk-Schemata vermögen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kommt die Wut nicht mehr in Schüben; sie lässt dich am Morgen nervös aufschrecken und begleitet dich abends in eine unruhige und fiebrige Nacht.

von Julian Tröndle

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Veröffentlicht am 21. Juli 2020

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