Album der Woche: Fontaines D.C. – A Hero’s Death

Album der Woche: Fontaines D.C. – A Hero’s Death

Kann man schon von einer neuen Schaffensphase sprechen, wenn das Debüt gerade einmal ein Jahr zurück liegt? Die irische Post-Punk Band Fontaines D.C. hat mit ihrem zweiten Album jedenfalls kaum einen Stein auf dem anderen gelassen. A Hero’s Death ist vielschichtiger als sein Vorgänger, kommt aber auch nachdenklicher und weniger selbstsicher daher. Die Platte wirkt wie das Resultat eines tumultartigen Jahres im Leben einer jungen Band.

An und für sich ist die bisherige Karriere von Fontaines D.C. eine einzige Erfolgsgeschichte: Das im April 2019 veröffentlichte Debütalbum Dogrel machte die Band schlagartig zu Galionsfiguren einer jungen Dubliner Musikszene. Es folgten Auftritte auf der ganzen Welt. Glaubt man den Worten von Frontmann Grian Chatten, waren es aber gerade der Hype und das endlose Touren, die Fontaines D.C. an den Rand ihrer Existenz brachten. Ausgebrannt und allem Anschein nach völlig desillusioniert, zog sich die Band Anfang dieses Jahres ins Studio zurück, um ihre Erfahrungen musikalisch zu verarbeiten.

Mit Dogrel schrieben sich Fontaines D.C. ihren eigenen Mythos mit der Stadt Dublin als zentraler Protagonistin. In den Texten von A Hero’s Death taucht das Zuhause der Band aber kaum noch auf. Stattdessen wendet sich Chatten dem eigenen Innenleben zu. Was er dort vorfindet, könnte man Zerrüttung nennen. Der Opener „I Don’t Belong“ mit seinem Mantra-artig wiederholten Titel ist der Grundstein für ein Album, dessen bestimmende Themen Kontrollverlust, Unsicherheit und Entfremdung von der eigenen Umwelt sind. A Hero’s Death stellt viele Fragen, auf die es keine Antworten liefern kann. Mit dem letzten Song „No“ findet Chatten zumindest zu einer Art von Akzeptanz:

“Don’t you play around with blame

It does nothing for the pain

And please don’t lock yourself away

Just appreciate the grey”      

Während Grian Chatten lyrische Seelenforschung betreibt, streckt seine Band behutsam die Fühler nach neuen Einflüssen aus. „Living in America“ klingt wie eine angepisste Mischung aus The Fall und Sonic Youth mit deutlichem Velvet Underground Einschlag. Am anderen Ende des stilistischen Spektrums liegen die Balladen „Sunny“ und „Oh Such a Spring“, die ihren Beach Boys Einfluss offen zur Schau tragen. Aber selbst Songs, die eigentlich geradlinig daherkommen, fühlen sich verschwommen und vieldeutig an. Das liegt auch an dem weiträumigen, von Hall durchtränkten Klang des Albums. So wird der Titeltrack zum offenen Wechselspiel zwischen satirischer Konsumkritik und ehrlichen Lebensratschlägen.

Die eingängigen Post-Punk Hymnen, mit denen sich Fontaines D.C. ihren Namen gemacht haben, findet man auf A Hero’s Death kaum. Dennoch entwickelt das Album mit der Zeit dieselbe Sogwirkung wie sein Vorgänger. Es wirkt so, als hätte die Band genau dieses Album machen müssen, um dem eigenen Zerfall vorzubeugen. Diese Dringlichkeit macht A Hero’s Death zu einem mehr als würdigen zweiten Album.

von Jonas Hägele

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Veröffentlicht am 6. August 2020

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