Album der Woche: Angel Olsen – Whole New Mess

Album der Woche: Angel Olsen – Whole New Mess

Schon 2019, zum Release ihres Art-Pop-Meisterwerks All Mirrors, kündigte Angel Olsen an, dass das Album zusätzlich in einer Akustikversion erscheinen würde. Vorige Woche, beinahe ein Jahr später, wurde Whole New Mess endlich veröffentlicht.

Eines vorab: Whole New Mess muss sich nicht hinter dem Vorgängeralbum verstecken. Zwar waren bis auf den Titeltrack und die Single „Waving, Smiling“ alle Songs bereits in durchproduzierten und orchestrierten Versionen auf All Mirrors vertreten, doch bis auf Writing und Stimme haben die Stücke nur wenig gemeinsam. Denn die Aufnahmen auf Angel Olsens jüngstem Release entstanden schon 2018, reduziert auf Gesang und Gitarrenspiel der Künstlerin, noch bevor die Stücke für Streichinstrumente arrangiert und aufwendig produziert wurden.

Bei dieser Produktionsgeschichte schwebt natürlich der Begriff „Demo-Tape“ wie ein Damoklesschwert über Olsens 5. Studioalbum. Aber mit den Vorab-Sessions ist bereits klanglich wie konzeptionell ein Album entstanden, dem dieser Begriff einfach nicht gerecht wird.

Die Aufnahmen entstanden im zum Tonstudio umfunktionierten Kirchenschiff von The Unknown, der Produktionsstätte von Mount Eerie. Alles, was wir hören, spielt und singt die Künstlerin selbst. Die Hürden, die so eine Aufnahme mit sich bringt, extremer Raumhall, lange Takes, wenig Spielraum im Arrangement, macht Olsen auf Whole New Mess zum Konzept. Die Klangästhetik lebt von übersteuernden Vocals, lyrischer Variation und spielerischen Ungereimtheiten, deren Intimität beizeiten Gänsehaut auslöst.

So bilden beide Alben trotz des gleichen Songwritings die Antithese zu ihrem jeweiligen gegenüber: Whole New Mess antwortet auf klangliche Präzision mit Verzerrung, auf Opulenz mit Intimität, auf Avantgarde mit Folklore. Mit Whole New Mess liefert Angel Olsen nicht nur ihr nächstes großartiges Album ab, sie zeigt gleichzeitig auf, wie essenziell die Produktion für das Erleben von Musik ist.

von Max Keefer

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Veröffentlicht am 3. September 2020

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