Album der Woche: Nubya Garcia – Source

Album der Woche: Nubya Garcia – Source

Die Jazz-Szene Londons hat sich in den letzten Jahren als aufregender Schauplatz musikalischer Innovation hervorgetan und das angestaubte Genre so für eine neue Generation an Hörer*innen attraktiv gemacht. Von Anfang an Mittendrin war die Saxophonistin Nubya Garcia. Jetzt ist endlich ihr Debütalbum erschienen: Source kommt gleichermaßen ambitioniert und leichtfüßig daher.

Als Bandleaderin trat Garcia bisher nur mit zwei EPs und einer Handvoll Singles in Erscheinung, außerdem war sie mit ihrem gefühlvollen und ausgefeilten Spiel auf den Alben der Gruppen Nérija und Maisha zu hören. Mit ihrem ersten Studioalbum führt Garcia den eklektischen Stil dieser Gruppen fort – ein Blick auf die stilistische Bandbreite von Source lässt das Album wie ein lose gewebtes Netz internationaler Einflüsse erscheinen: Lateinamerikanischer Cumbia und Calypso finden ebenso ihren Platz wie Afrobeat und Dub.
Trotz dieser musikalischen Spurensuche in der afro-karibischen Diaspora bleibt Source aber in der Tradition des Jazz verwurzelt. Ein
perfektes Beispiel für Nubya Garcias Wandeln zwischen den musikalischen Welten ist der Titeltrack. Der vereint Bass-lastige Dub-Rhythmik mit ausgedehnten Soli in der Tradition des Spiritual-Jazz Großmeisters Pharoah Sanders. Über die Laufzeit von 12 Minuten bleibt das Stück energiegeladen und einnehmend.

Auf Source verlässt sich Garcia noch mehr als bisher auf ihre Stärken als Komponistin. Zwar gibt es Stücke, in denen ihr Saxophon das
Klangbild dominiert, meistens agiert ihr Quartett aber als völlig gleichberechtigte Einheit. Auf dem Opener “Pace” scheint sie mit ihrem
introspektiven Spiel erst gegen den hektischen Groove von Drummer Sam Jones und Bassist Daniel Casimir ankämpfen zu wollen. Nach einer Zeit gibt sie sich dann aber voll dem schnellen Rhythmus hin und hebt das Stück so in rauschhafte Höhen. Wie die besten Jazzalben lebt Source von genau diesen Momenten des musikalischen Zusammenspiels.

Wie um eine Message des Zusammenhalts und der Kooperation über Grenzen hinweg zu verdeutlichen, entspringen die spannendsten Stücke des Albums der Zusammenarbeit Garcias mit internationalen Künstler*innen. “Before Us: In Demerara & Caura” ist ein rasantes Hin- und Her zwischen Garcia und der Trompeterin Sheila Maurice-Grey. Am weitesten außerhalb ihres gewohnten Umfelds bewegt sich Garcia aber auf “La Cumbia Me Esta LLamando”, aufgenommen mit der kolumbianischen Gruppe La Perla in Bogotá. Das Stück vereint alles, was Source ausmacht: Es ist Ausdruck von Nubya Garcias Selbstbewusstsein als Komponistin, ihrer Leichtfüßigkeit als Solistin und vor allem ihrer empathischen Suche nach Möglichkeiten, die eigene musikalische Perspektive zu erweitern.

von Jonas Hägele

Lust auf mehr? Hier geht’s zu allen Alben der Woche!

Autoren:
Veröffentlicht am 3. September 2020

Empfohlene Artikel