Die Polizei Freiburg im Interview

Die Polizei Freiburg im Interview

In der Diskussion um Polizeigewalt in Deutschland kommen die eigentlich Beschuldigten selten zu Wort. Katja hat mit der Polizei Freiburg über Gewalt gegen Polizeibeamt*innen, der geplanten Polizeigewalt-Studie und den Einsatz von Bodycams gesprochen. Die Fragen wurden schriftlich von Uwe Oldenburg, Leiter der Schutzpolizeidirektion des Polizeipräsidium Freiburg, beantwortet.

Haben Sie oder Ihre Einheit Erfahrungen mit Gewalt gemacht?

Sicherlich hat nahezu jeder unserer Kolleginnen und Kollegen schon selbst eine Einsatzerfahrung oder ein polizeiliches Einschreiten erlebt, bei der er Opfer von Gewalt wurde oder in Gefahr stand Opfer von Gewalt zu werden. Dies ergibt sich oft in Situationen, bei denen es um Streitschlichtungen, Gewahrsamnahmen oder um Festnahmen geht. Rein wissenschaftlich gesehen, gibt es mehrere Formen der Gewalt, welche uns natürlich auch
immer wieder begegnen. Die gefährlichste Form der Gewalt in unserem polizeilichen Alltag ist sicherlich die physische (körperliche) Gewalt. Aber auch die psychische Gewalt, wie zum Beispiel Drohungen, Versuche der Nötigung oder unterschwelliges Angstmachen ist zwischenzeitlich keine Seltenheit mehr und begleitet unseren Alltag. Oft ist das Phänomen Gewalt mit einer Beeinflussung (Alkohol, Drogen, Medikamente) der Beteiligten verbunden.

Wenn ja, in welchem Zusammenhang und in welcher Form passiert dies häufig?

Häufig sind Einsätze und Notrufe, bei denen es zu Gewalt gekommen ist, wie zum Beispiel häusliche Gewalt, Körperverletzungsdelikte und Schlägereien der Ursprung und Auslöser von weiterführender Gewalt, wie zum Beispiel auch gegen Polizeibeamte, aber auch Mitarbeiter der Rettungsdienste. Es passiert immer wieder, dass sich ein gewalttätiger Aggressor nicht durch ein deeskalierendes Ansprechen der Polizei beruhigen lässt.

Was wird einem in der Ausbildung beigebracht, wie man auf Provokation oder Tätlichkeiten reagieren sollte?

Der Umgang mit Konfliktsituationen, Konfliktbewältigung/Deeskalation, Kommunikation, aber auch Techniken des manchmal erforderlichen unmittelbaren Zwangs werden geschult und immer wieder trainiert. Jede Situation ist individuell, jeder Mensch reagiert anders und hat eine andere Wahrnehmung – es gibt kein Patentrezept!

Inwieweit kann man das Gelernte tatsächlich in die praktische Arbeitswelt übersetzen?

Grundsätzlich lässt es sich gut umsetzen und gut einsetzen. Die Polizei arbeitet ständig und stetig an lageangepassten, regionalen und zeitgemäßen Konzeptionen. Es wird permanent ausgebildet, fortgebildet und angepasst. Deeskalation ist unser oberstes Gebot. Jede und jeder Polizeibeamte lernt aus den Alltagssituationen und Erfahrungen.

In diesem Zusammenhang wird häufig gesagt, dass dies das Berufsrisiko einer Person im Polizeidienst sei. Wie stehen Sie dazu?

Erfahrungen mit Gewalt könnte in der Tat, im ungünstigsten Fall, ein gewisses Berufsrisiko sein. Dementsprechend schulen wir uns, sind mit Schutzausrüstung ausgestattet und gehen gegen entsprechende Gewalttäter im Rahmen unserer gesetzlichen Befugnisse vor. Recht und Gesetz bestimmen das Handeln und im Einzelfall ist Recht auch durchzusetzen.

Inwiefern haben Sie dennoch Szenen erlebt oder sind Ihnen welche bekannt, in denen Polizist*innen unverhältnismäßig reagiert/ zu hart durchgegriffen haben? Inwieweit ist das ein Thema unter Kolleg*innen?

Szenen oder Sachverhalte in denen Polizist*innen unverhältnismäßig reagieren, zu hart durchgreifen oder sich womöglich außerhalb der Rechtsnorm bewegen, kommen nur sehr selten vor und werden in jedem Fall nachbearbeitet und erforderlichenfalls sogar sanktioniert.

In diesem Zusammenhang wurde der Wunsch in der Gesellschaft laut, eine unabhängige Stelle einzurichten, an die Polizist*innen Vorkommnisse melden können. Was ist Ihre Einschätzung dazu? Was sind die bisherigen Angebote dazu?

Die Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg können sich mit Eingaben oder Beschwerden direkt an die Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg wenden. Sie können ihr Anliegen mit Bezug zur öffentlichen Verwaltung des Landes durch Einschaltung einer unabhängigen Person klären lassen. Neben der vermittelnden Tätigkeit zwischen Bürger*in und Verwaltung hat die Bürgerbeauftragte auch eine Zuständigkeit für die Landespolizei. Diese Zuständigkeit besteht dabei in zwei Richtungen: zum einen als Beschwerdestelle für
Bürgerinnen und Bürger, die der Bürgerbeauftragten ein persönliches Fehlverhalten einzelner Polizistinnen oder Polizisten zur Kenntnis bringen. Zum anderen als Anlaufstelle, an die sich die Polizeiangehörigen wenden können, wenn sie interne Probleme oder Missstände ansprechen wollen. Beides ermöglicht die Verbesserung von Abläufen innerhalb der Polizei und stärkt letztlich die Polizei sowohl nach innen als auch nach außen (vgl. Gesetz über die Bürgerbeauftragte oder den Bürgerbeauftragten des Landes Baden-Württemberg vom 23. Februar 2016 – BürgBG BW, GBl. 2016, S. 151). Weitergehende Informationen finden Sie hier: https://www.buergerbeauftragte-bw.de/diebuergerbeauftragte.

Seit dem Mord an George Floyd Ende Mai gehen Menschen weltweit gegen Rassismus in der Polizei und damit verbundener Gewalt auf die Straße. Inwiefern haben Sie oder Kolleg*innen Veränderungen im Verhältnis zwischen Polizei und Gesellschaft in Deutschland wahrgenommen?

Die Polizei genießt innerhalb der Bevölkerung und der Gesellschaft einen ausgezeichneten und vertrauensvollen Ruf. Wir erleben in Freiburg keine gefühlte Veränderung im Verhältnis zu unserer Gesellschaft und unserem Umgang miteinander. Wir sind weiterhin völlig neutral und machen keinerlei Unterschiede zwischen Menschen, deren Herkunft oder Religion. Auch kritischen Fragen zu Situationen oder kritischen Blicken zu unserem Handeln halten wir jederzeit Stand, können unsere Arbeit erklären und Transparenz herstellen. In den ersten Wochen nach den Vorkommnissen in den USA war auch in Südbaden eine Solidarisierung feststellbar. Das Handeln der Polizei wurde kritisch begleitet und in Einzelfällen behindert / gestört. Diese Situation hat sich bis zum heutigen Tage wieder entspannt.

Es wurde daraufhin auch in Deutschland eine Studie angekündigt, die rassistische und rechtsextremistische Polizeigewalt genauer untersuchen sollte. Horst Seehofer verhinderte diese Studie allerdings und kündigte hingegen an, eine allgemeine Studie zu Rassismus in der Gesellschaft und eine Studie zur Gewalt gegen die Polizei anzuordnen. Inwiefern entspricht diese Studie von Seehofer Ihren Interessen/ dem Meinungsbild Ihrer Kolleg*innen?

Grundsätzlich können Studien, Umfragen und Untersuchungen einen gewissen Eindruck vermitteln und zu einer Optimierung und Orientierung beitragen. Das Polizeipräsidium Freiburg steht einer solchen Studie oder Untersuchung sehr offen und aufgeschlossen gegenüber.

In letzter Zeit tauchen immer mehr Videos auf sozialen Medien auf, in denen Personen anscheinend Opfer von Polizeigewalt sind. Inwiefern wirkt sich das auf das Eingreifen im Einsatz aus?

Diese Videos sollten immer im Einzelfall bewertet werden. Oft sieht man nur Teile die für eine objektive Gesamtbewertung nicht ausreichend sind. Wir sind uns der Möglichkeiten in der Öffentlichkeit gefilmt zu werden schon länger sehr bewusst, das gehört zwischenzeitlich zum Alltag.

Ab 2016 wurde ein Pilotprojekt mit Body-Cams bei der Polizei Freiburg gestartet. Seit 2019 gibt es einen flächendeckenden Einsatz dieser Kameras. Was hat sich seit dieser Einführung verändert?

Durch den Einsatz der Body-Cams konnten deutlich präventive Effekte erzielt werden. Dies trägt zur Deeskalation und Konfliktvermeidung bei. Die Anzahl der tätlichen Angriffe und verbal basierenden Straftaten gegenüber
Polizeibeamten nahm insgesamt ab. Die Beweissicherung und damit die Verurteilungswahrscheinlichkeit von Straftätern hat sich optimiert.

Was konkret ist die Aufgabe der Polizei auf Demonstrationen?

Die Polizei gewährleistet den Versammlungsteilnehmern das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Sie schützt die Versammlungsteilnehmer und achtet auf die Einhaltung erteilter Auflagen.

Auch in Deutschland gab es mehrere Demonstrationen gegen Polizeigewalt, Extremismus jeglicher Art in den Reihen der Polizei, auf denen die Polizei vor Ort war, um für Ordnung zu sorgen. Das hört sich erstmal merkwürdig an – wie kann man sich so eine Situation vorstellen?

Im ersten Moment könnte sich das merkwürdig anhören, jedoch sind wir professionell und neutral. Wir schützen in jedem Fall das Grundrecht und gewährleisten den Versammlungsteilnehmern das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Wir schützen die Versammlungsteilnehmer und achten auf die Einhaltung von Auflagen. Dies machen wir, auch wenn das eine Versammlung oder Demonstration gegen unsere eigene Institution ist.

Reformen, Umstrukturierungen… es gibt viele Forderungen oder Ansätze, was man in der Polizei verändern könnte, um ein friedlicheres Klima zwischen Polizei und Gesellschaft herzustellen. Was sind denn Ihre konkreten Wünsche für die Polizeiarbeit?

Die Polizei Baden-Württemberg ist eine Bürgerpolizei. Diesen Status haben wir uns über viele Jahre erarbeitet – Vertrauen wird einem nicht geschenkt. Die ganz überwiegende Zahl der alltäglichen Einsätze verlaufen sachlich und unkritisch. In nicht wenigen Fällen gilt nach wie vor: „Die Polizei – Dein Freund und Helfer“. Im Übrigen ist auch die Polizei ein Teil der Gesellschaft, da jede Polizistin und jeder Polizist ein Teil der Gesellschaft sind.

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Veröffentlicht am 4. November 2020

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