„Wir sollten die Menstruation zelebrieren“

„Wir sollten die Menstruation zelebrieren“

Die Studentinnen Charlotte Weinreich und Rosa-Lena Lange haben einen Dokumentarfilm in Namibia gedreht, für den sie den Deutschen Menschenrechts-Filmpreis gewonnen haben. In „Just. Another. Month.“ begleiten sie die Aktivistinnen Terry Farrell und Tjova Raulinda Fololindo bei ihrem Engagement gegen Periodenarmut für mehr Aufklärung, Selbstbestimmung und Frauen*rechte.

Emma hat mit Charlotte, Studentin und ehemalige uniCROSS-Tutorin, über den Film, Tabus rund um die Menstruation und ihre Vision für eine gerechtere Welt gesprochen.

Hallo Charlotte, herzlichen Glückwunsch! Ihr seid gerade mit eurem Film „Just. Another. Month.“ mit dem Deutschen Menschenrechts-Filmpreis ausgezeichnet worden. Worum geht es in eurem Film?

In dem Film geht es zum einen um die Schwierigkeiten, mit denen junge Mädchen* und Frauen* in Namibia während ihrer Menstruation konfrontiert sind, wozu besonders die „period poverty“, die sogenannte Periodenarmut, gehört. Außerdem geht es um die Wahrnehmung der Periode, also auch, wie über sie gesprochen wird. Darüber haben wir auch mit Jungs und Männern gesprochen.

Zum anderen erzählt der Film die Geschichte der Aktivistinnen Terry Farrell und Tjova Raulinda Fololindo. Es war uns wichtig, die Geschichte nicht aus unserer Perspektive zu erzählen, nach dem Motto „Guckt mal, wie schlimm es dort ist“, sondern diese tollen Frauen erzählen zu lassen, die sich gegen die Missstände einsetzen.

Wie seid ihr dazu gekommen, den Film zu drehen?

Rosa-Lena und ich haben zusammen in Freiburg Liberal Arts and Sciences studiert. Wir hatten nach unserem Bachelorstudium Lust auf ein Projekt, statt sofort mit dem Master zu beginnen. Die Eltern meiner Filmpartnerin haben zu der Zeit in Namibia gearbeitet, dadurch sind wir auf das Land gekommen.

Dort haben wir von Terrys Geschichte gehört, wegen der sie aktivistisch wurde: Ihre Cousine ist gestorben, als sie an einem Fluss von einem Krokodil mitgerissen wurde. An diesem Fluss hatte sie immer ihre ganze Periode verbracht, weil sie ständig ihre Kleidung auswaschen musste. Das Blut hat die Krokodile angelockt.

Als wir davon hörten, war uns sofort klar, dass wir darüber unseren Film drehen müssen. Es kann nicht sein, dass es Frauen gibt, die während ihrer Periode solchen Risiken ausgesetzt sind, weil ihnen keine Menstruationsartikel zur Verfügung stehen.

Was war euch besonders wichtig, in dem Film zu zeigen?

Natürlich war uns die Perspektive der beiden Aktivistinnen total wichtig, die Beeindruckendes leisten. Worauf wir auch aufmerksam machen wollen, ist die Stigmatisierung der Periode und die Scham, die mit dem Thema verbunden ist. Dass die Periode als etwas Schmutziges angesehen wird. Das fängt schon in der Schule an, wo Mädchen* ausgelacht werden, wenn sie keine Binden haben. Der Film soll einerseits Aufmerksamkeit erzeugen für die Situation in Namibia, aber andererseits auch Parallelen ziehen zur Situation in Deutschland. Denn auch hier ist die Menstruation ja immer noch oft ein Tabuthema.

Im Film geht es unter anderem um die „period poverty“, die Periodenarmut. Was ist das überhaupt?

Periodenarmut ist materiell gesehen der mangelnde Zugang zu Menstruationsprodukten und zu hygienischer Infrastruktur, also zu sauberen sanitären Anlagen zum Beispiel. Besonders die Länder des globalen Südens sind davon betroffen. Zum Beispiel gibt es Studien, die aufzeigen, dass eins von zehn Mädchen* in Subsahara-Afrika während ihrer Periode nicht zur Schule geht.

Was aber auch mit hineinspielt ist der Mangel an Aufklärung über die Menstruation, wozu auch wieder die Stigmatisierung und Tabuisierung des Themas gehört.

In eurem Film zeigt ihr, wie die Aktivistinnen Terry und Tjova gegen die Periodenarmut vorgehen.

Terry hat, nachdem ihre Cousine gestorben ist, angefangen wiederverwendbare Stoffbinden zu nähen und sie in Schulen zu verteilen. Mittlerweile hat sie zwei Schneiderinnen in Namibia, die die Binden herstellen. In den Schulen klärt sie darüber auf, wie die Binden benutzt werden. Besonders in ländlichen Gebieten, wo es wenig Zugang zu Menstruationsprodukten gibt, sind diese wiederverwendbaren Binden super.

Wenn man die Stoffbinden gut pflegt, halten sie drei Jahre lang. Terry und Tjova versuchen außerdem beide durch Gespräche mit den Schüler*innen, das Thema an sich zu enttabuisieren.

Welche Rolle spielt deiner Meinung nach die Tabuisierung der Menstruation bei der Periodenarmut?

Ich glaube, sie spielt eine sehr große Rolle, denn erst, wenn sich der gesellschaftliche Diskurs über ein Thema ändert, kann sich auf der politischen Ebene und in der Gesetzeslage etwas ändern. Die Politik ist ja immer eine Spiegelung des gesellschaftlichen Diskurses.

Warum ist die Periode auch in Deutschland immer noch so ein Tabu?

Vieles hat mit patriarchalen Strukturen zu tun, die sich bis ins Mittelalter und noch weiter zurückverfolgen lassen. Gerade im Christentum findet man ganz abstruse Annahmen über die Menstruation. Die Tabuisierung ist auch ein Unterdrückungsmechanismus. Eigentlich ist die Menstruation ja kein Problem.

Das Problem ist das System um die Menstruation herum. Die Menstruation betrifft eben nur Frauen* und wird daher oft als Frauen*thema behandelt, das Männer nichts anzugehen scheint. Deshalb reden viele Frauen* auch mit Männern sehr wenig über die Periode. Diese Verhaltensmuster, die über Jahrhunderte antrainiert wurden, sind sehr schwer zu durchbrechen.

Was wünschst du dir für die Zukunft, um die Situation von Menstruierenden zu verbessern?

Ich fände es toll, wenn wiederverwendbare Periodenprodukte staatlich subventioniert würden, denn die sind leider immer noch ziemlich teuer. Binden und Tampons sind mit sehr viel Plastikmüll verbunden, weshalb ich mir günstigere, nachhaltige Alternativen wünschen würde.

Grundsätzlich hoffe ich natürlich, dass das Thema enttabuisiert und normalisiert wird. So wie man sagen würde „Ich habe Kopfschmerzen“, soll es genau so normal sein zu sagen, dass man Periodenschmerzen hat. Außerdem wünsche ich mir mehr Bildung über die Menstruation, den Zyklus und alles, was damit zu tun hat.

Ich wünsche mir einen anderen Diskurs über die Periode. Egal, wie viele Schmerzen sie auch bereiten kann, ist sie ja eigentlich etwas sehr Schönes, weshalb Kinder auf die Welt kommen können! Wir sollten die Menstruation zelebrieren.

Was Charlotte unter anderem beim Filmdreh erlebt hat – darüber hat sie mit Ani von uniFM gesprochen


Reinschauen

Die Dokumentation „Just. Another. Month.“ wird auf uniCROSS zu sehen sein, wenn die Teilnahme an Wettbewerben abgeschlossen ist.

Einen ersten Einblick gibts hier:

Info

Die Preisverleihung des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises 2020, den Charlotte und Rosa-Lena in der Kategorie „Non professional“ gewonnen haben, findet am Samstag, 5.12.2020, um 19 Uhr in einem Online-Format statt. Weitere Informationen gibt es auf der Website: www.menschenrechts-filmpreis.de/

Charlotte Weinreich ist ehemalige uniCROSS-Tutorin. Der Film wurde mit Unterstützung von uniCROSS erstellt.

Foto: Quelle „Just. Another. Month.“
Veröffentlicht am 10. November 2020

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