Album der Woche: Dexter – Yung Boomer

Album der Woche: Dexter – Yung Boomer

Qualitäts-Rap auf Rezept: Dexter liefert mit seinem neuen Album humorvolle Texte mit modernem Sound, der ohne puren Trap oder langweilig-nostalgischen Boom-Bap auskommt. Mit Yung Boomer beweist der Produzent und Rapper, wie lebendig die Hip-Hop-Kultur abseits der Spotify-Playlisten in Deutschland noch ist und wie organisch diese klingen kann.

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Yung Boomer ist Dexter 36-Jahre alt. Seit mehreren Jahren zählt der ehemalige Kinderarzt  zu einem wichtigen  Produzenten im Deutschrap. Er hat Instrumental-LPs in verschiedenen Kollaborationen veröffentlicht, mit Rappern wie Fatoni, Audio88 & Yassin, Cro, Max Herre oder Casper kleine bis große Erfolge gefeiert. Auch als  Rapper ist er während seiner Karriere zwar  immer  wieder in Erscheinung getreten, doch hat sich damit erst 2017 auf seinem höhrenwerten Album Haare nice, Socken fly qualitativ gefestigt. Leider hat dieses Werk nicht seine verdiente Beachtung erhalten. Auf seinem neuen Album Yung Boomer steigert sich Dexter aber noch einmal. Das Selbstbewusstsein als Rapper spiegelt sich unter anderem darin wieder, dass weniger Features als beim Vorgänger erscheinen, die Hooks noch melodiöser und eingängiger sind und die  gewohnt ausgefeilten Produktionen durch Autotune oder tiefgepitchten Stimmeinsätze  moderner, atmosphärischer und innovativer klingen. Der Grund für die Entwicklung mag vielleicht darin liegen, dass er sich nur noch seiner Kunst hingibt. Und das führt uns zu den zentralen Themen des Albums, die er humorvoll, mit überspitzt vielen Anglizismen und affektiv geschriebenen Texten aufarbeitet: Er rappt über seinen aufgegeben Job als Kinderarzt, wie wohl er sich in der Rolle des Rappers, Produzents und Familienvaters fühlt, dass er weder gleichklingende wöchentliche Rap-Releases noch nachtrauernde Oldschool-Vertreter*innen nachvollziehen kann und vor allem immer wieder darüber, dass er nur noch macht, was er mag. Den Zuhörer*innen wird das vor allem in seinem organischen Sound deutlich, der etwas von allen Richtungen des Raps in sich trägt. Der letzte Song sticht thematisch etwas heraus, denn Dexter erzählt sein Erleiden eines Schlaganfalls und gibt somit dem Album noch eine tiefgründigere Seite ohne pathetisch zu werden. Dexter verbindet all diese Themen durch sein Album, dessen Titel  Yung Boomer erst beim Hören wirklich Sinn ergibt: Er ist etwas älter und etwas spießig, liebt die Musik und die Kultur und die Überbrückung der Generation macht er soundtechnisch zu seinem Albumkonzept. Dies zeigt auch seine Feature-Liste. Dort finden sich neben Vertreten der neuen Generation wie Lugatti & 9ine oder LGoony, auch Rapper wie Fatoni oder Döll und für die Oldschool-Fans Lakmann.

Yung Boomer ist in erster Linie ein Album, das gute Laune macht. Darüber hinaus verbessert sich Dexter in seinen Qualitäten hörbar und adressiert alle Rap-Fans, die einer guten Autotune-Hook nicht widerstehen können und keine Lust auf sexistisches und humorloses Rumgeprolle haben.

von Anton Meyer zu Schwabedissen

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Veröffentlicht am 4. Dezember 2020

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