Alle Jahre wieder, nur diesmal nicht

Ich gebe es zu: Ich bin kein Weihnachtsenthusiast. In den letzten Jahren beschlich mich immer stärker eine Abneigung gegen den völlig unnötig scheinenden Weihnachtsaufruhr – und der muss unbedingt schon im unschuldigen November starten! Nein, nicht mit mir. Wahnhaft konsumieren will ich nicht. Religion spielte in meiner Erziehung nie eine Rolle. So blieb mir also nur noch eine Erklärung für das ganze Tamtam: Weihnachten als nette Familientradition. Bloß war ich vor mehreren Jahren zuhause ausgezogen und lebte in Freiburg ohne großen Familienbezug. Ich war glücklich, denn um mich bildete sich ein Freundeskreis mit Gleichgesinnten und den herzlichsten Menschen. Auch wenn ich meine Familie liebe, genoss ich es, weg von all den kleinen Zwängen meines Heimatdörfchens zu sein.

Dann kam Corona – und siehe da, Weihnachten klopft wieder an die Tür. Dieses Jahr ist alles anders. Wie viele, musste ich lernen, was es bedeutet, wenn durch die Kontaktbeschränkungen ein Freundeskreis plötzlich flüchtig wird oder sich aufzulösen beginnt: Die Konstanten im Leben fallen weg. Sowohl die mittägliche gemeinsame Tasse Kaffee als auch der allwöchentliche Spieleabend.

Diese Dinge scheinen banal, aber solche Konstanten machen zumindest mein Leben reicher. Und nun weiß ich, wenn Weihnachten eines kann, dann uns ebenso zu unseren Liebsten eingliedern! Ich freue mich. Weihnachten bleibt wie sonst eine Familientradition, aber besonders dieses Jahr bringt es eine langersehnte Konstante zurück!

Leon Waldmann

Wie verbringt ihr Weihnachten?

Corona. Kontaktbeschränkungen. Abstand halten. Worte die man langsam nicht mehr hören kann, die an Relevanz und Bedeutung jedoch nicht verlieren. Gerade zur Weihnachtszeit, wo doch eigentlich Familie, Freunde und das Zusammensein großgeschrieben werden, wiegt die Last schwer.

Wer nicht mehr zuhause wohnt, überlegt sich gut: Wann fahre ich nachhause? Fahre ich überhaupt nach Hause?

Für mich war die Antwort ein klares „ja“, ich möchte Weihnachten nicht in meiner WG verbringen. Da sich das Studium online abspielt, bietet es in dieser Hinsicht einen Vorteil: Ich kann frei entscheiden, wann ich die Heimreise antreten möchte. Damit sich der Aufwand lohnt, habe ich beschlossen schon eine Woche vor Weihnachten meinen Studienort zu verlassen. Vor der Weihnachtspause möchte man am liebsten noch einmal all seine Freund*innen sehen. Das muss dieses Jahr ausfallen oder kann nur in sehr beschränkter Form stattfinden. Denn bevor ich meine Eltern wiedersehe, möchte ich meine Kontakte auf ein Minimum beschränken um Risiken einzuschränken.

Auch der Kirchgang gehört für viele Familien zum Standardprogramm dazu. Vor meinem inneren Auge sehe ich die überfüllten Bänke, nach dem Gottesdienst reges Händeschütteln und Umarmungen. Frohe Weihnachten! Das sonst so stärkende Beisammen sein, löst bei mir dieses Jahr gemischte Gefühle aus. Wie wäre es mit einem Online-Gottesdienst? Schon wieder online – nicht einmal an Weihnachten kann der Laptop ausbleiben, schießt es mir dabei durch den Kopf. So wollen wir in unserer Familie, dieses Jahr selbst für etwas Besinnlichkeit sorgen. Gemeinsam suchen wir inspirierende Texte und Gedichte aus, der Segen fehlt natürlich trotzdem. Die Diskussion beim weihnachtlichen Festmahl über den Gottesdienst wird wohl durch ein Pro und Kontra dieser besonderen Weihnachtszeit ersetzt werden.

Nicht alle Familienmitglieder haben das Glück, von ihren Liebsten am höchsten christlichen Feiertag umgeben zu sein. Das jährliche Familientreffen soll durch diverse Videocalls zumindest ein bisschen ersetzt werden. Eine Runde Montagsmaler online, die Verwandtschaft sowie auch wir mit Tee und Keksen ausgerüstet – ein Stückchen Gemeinschaft und Beisammensein wollen wir auch über große Distanz bewahren.

Alte Schulfreund*innen die über ganz Deutschland, sogar bis nach Schweden und Österreich verteilt sind, bekommt man teils nur selten zu Gesicht. Zur Weihnachtszeit sind jedoch alle an einem Ort versammelt. Perfekt für ein freudiges Wiedersehen inklusive Glühweintrinken. Dass ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt ausfallen muss, finde ich noch verkraftbar, aber werde ich überhaupt alle Freund*innen sehen können? Schließlich kehrt jede*r anschließend wieder in die eigene Familie zurück. Wie und ob wir uns Ende Dezember wiedersehen, steht noch in den Sternen. Doch auch hier helfen nur kreative Lösungen, an denen man gleich für den Jahreswechsel weiterspinnen kann.

Arlette Weiland

Ein bitteres Fest? Wir werden sehen …

Seit ich für mein Studium weggezogen bin, war noch nie ein Fan von den Weihnachtsfeiertagen. Klar gibt es hier und da schöne Momente und ich freue mich immer sehr, meine Mutter zu sehen. Dennoch ist alles stets ein wenig viel für mich. In kürzester Zeit werden die Treffen mit Familie und Freunden regelrecht abgeklappert. Gegessen wird so viel, dass man sich dauerhaft träge fühlt. Und aus dem ein bisschen helfen wird immer mehr, bis man sich nur noch von A nach B rennen sieht.

So sehr die Pandemie uns alle belastet, ich hatte wirklich gehofft, weniger Stress wäre dieses Jahr meine Bescherung. Höre ich meinen Verwandten nun zu, vergeht mir allerdings die Vorfreude. Während die einen Kinder in Schulen haben, deren Klassen dank neuer Fälle ständig heimgeschickt werden, marschiert die ältere Generation unmaskiert über den Friedhof und trifft dort, wer eben noch lebendig ist. Ein weiterer enger Verwandter lebt mit einer Krankenschwester zusammen, die auf der Coronastation arbeitet und zufälligerweise einen Tag vor unserem Treffen leicht erkrankt war. Dass sie eine Pflegekraft auf ebendieser Station und zudem nicht ganz gesund war, erfuhr ich jedoch erst im Nachhinein.

So ganz Weihnachten mit der Familie absagen, kann und möchte ich allerdings doch nicht. Wenigstens wurde entschieden, die Feier dieses Jahr im engsten Kreis zu feiern. Doch was bedeutet im engsten Kreis? Und wird im Endeffekt wirklich so verzichtet, wie alle im Moment vorgeben? Die Planung für das Fest steht jedenfalls und ob sich meine Befürchtungen bewahrheiten, werde ich ja dann wohl sehen.

Natascha Tez

Weihnachten ohne Familie

Den ersten „Lockdown“ (wenn man die Zeit im Frühling denn so nennen will) habe ich bei meinen Eltern verbracht. Als ich im Sommer zurück nach Freiburg gefahren bin, habe ich eher scherzhaft gesagt, na, wer weiß, ob wir uns an Weihnachten überhaupt sehen werden.

So richtig ernst gemeint hatte ich das nicht, obwohl mir klar war, dass die Pandemie bis dahin nicht auf einmal wie durch ein Wunder verschwunden sein würde. Auch wenn Weihnachten in meiner Familie kein großes Ding ist, wir weder religiös sind noch irgendwelchen besonderen Traditionen anhängen – Weihnachten ist in den letzten Jahren zu einer Zeit geworden, in der ich einen Spagat aus Quality-Time mit meiner Familie und Treffen mit meinen Freund*innen, die über die Tage in unserer Heimatstadt eintrudeln, versuche. Stressige und mit Ereignissen vollgepackte, aber auch schöne Tage.

In einer so unsicheren Zeit wie dieser vermisse ich meine Eltern, meine Schwester und meine Freund*innen. Nichts hätte ich lieber als ein wenig besinnliche Normalität. Den Tannenbaum namens Herkules, den meine Eltern vor ein paar Jahren in einem Topf gekauft haben und der von Jahr zu Jahr größer wird, Weihnachtsfilme, veganen Braten und Treffen mit meinen Freund*innen, bei denen wir draußen vor mittelmäßigen Kneipen halb erfrieren.

Aber: In einer Zeit mit so hohen Infektionszahlen ein normales Weihnachtsfest feiern zu wollen, Kontaktbeschränkungen aufzuheben, um alte, gefährdete Familienmitglieder besuchen zu können, kommt mir wahnsinnig vor. Natürlich ist es ein absolut verständlicher Wunsch, an Weihnachten mit seiner Familie zusammen sein zu können, natürlich möchte ich nicht, dass alte Menschen, denen Traditionen vielleicht besonders wichtig sind, alleine sein müssen. Für große Feiern mit mehreren Haushalten und Reisen quer durch Deutschland, um die Familie zu besuchen, ist meiner Meinung nach aber die falsche Zeit.

Auch wenn ich mich vor Weihnachten in meiner WG isoliere, was ich sowieso schon tue, auch wenn die Deutsche Bahn mehr Züge einsetzt, damit die Züge nicht ganz so überfüllt sind – die Gefahr, meine Eltern oder meine Schwester doch anzustecken ist mir einfach zu groß. Ich habe mich entschieden, mein erstes Weihnachten ohne meine Familie zu verbringen, auch wenn ich darüber traurig bin und an Heiligabend selbst vielleicht meine Entscheidung bereuen werde. Trotzdem ist es das einzige, was ich mit mir selbst vereinbaren kann.

Alleine bin ich zum Glück nicht – auch meine Mitbewohnerin möchte kein Risiko eingehen. Ich werde wohl mit ihr zusammen zur Kompensation unsere Wohnung besonders kitschig dekorieren, Glühwein trinken und hoffen, dass das nächste Jahr besser wird.

Emma Rotermund

Wie feier’ ich dieses Jahr Weihnachten?

Mein Weihnachtsfest dieses Jahr wird wegen Corona natürlich ganz anders ablaufen als sonst, aber mittlerweile sind wir auch alle mit dem Thema vertrauter und geübter darin, das Beste aus der aktuellen Situation rauszuholen. Denn „corona-konform“ heißt nicht, dass man sich alleine zu Hause verkriechen muss. Für die Vorweihnachtszeit haben meine Schwester und ich uns zum Beispiel überlegt, dass wir an Stelle des üblichen Adventskalenders mit Schokolade und kleinen Aufmerksamkeiten lieber das schenken, was wir besonders zu Zeiten wie diesen am meisten schätzen: Kontakt. Und zwar über E-Mail. Jeden Tag können wir uns also über eine kleine Nachricht und zum Beispiel einen Weihnachtswitz oder den Link zu einem lustigen Pinguinvideo freuen und halten uns so gleichzeitig auf dem Laufenden.

Auch für die abgesagten Weihnachtsmärkte gibt es gute Alternativen: In der WG haben wir einen eigenen kleinen Weihnachtsmarkt in der WG Küche geplant. Eine*r macht Glühwein und Punsch, eine*r Schoko-Obst, eine*r dekoriert mit Tannenzweigen, die beim letzten Waldspaziergang eingesammelt wurden und die Weihnachtsmusik darf natürlich auch nicht fehlen. Je nachdem wie ernst wir das durchziehen möchten, öffnen wir auch das Küchenfenster und packen die warmen Jacken aus um das Ambiente so authentisch wie möglich zu machen.

Ich persönlich habe das Glück nah genug zu Hause zu wohnen, so dass meine Schwester oder meine Eltern mich abholen können, das heißt die Weihnachtstage werden kein Fest ohne Familie für mich sein. Jedoch ist es natürlich sehr schade dieses Jahr ohne die Großeltern zu feiern und nicht mit Oma die verschiedensten Weihnachtsleckereien zu backen. Doch da Opa zu den technikaffineren Senioren gehört und Bluetooth und Smartphone keine Fremdwörter für ihn sind, hat er Skype bereits installiert und mehrere Testanrufe mit Einzelpersonen und in der Gruppe gestartet um absolute Funktionsfähigkeit an Heiligabend garantieren zu können.

Und das heißt sogar, dass wir uns dieses Jahr gar nicht entscheiden müssen, mit welchen Großeltern wir feiern und ob die Tanten und Onkels auch dazukommen oder bei sich zu Hause feiern. Nach dem Essen treffen wir uns einfach alle auf einen Glühwein im Gruppenskype. Die Ausnahmesituation 2020 lässt uns also doch nochmal kreativer werden und zeigt mir, dass alles irgendwie geht, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Alles in allem ist meine Weihnachtslaune also keineswegs getrübt.

Sophie Weimann

Eine Gemeinschaftsproduktion von uniONLINE. Autor*innen: Leon Waldmann, Arlette Weiland, Natascha Tez, Emma Rotermund und Sophie Weimann