In Zeiten von Doomscrolling und Kurzvideos könnte der Eindruck entstehen, dass junge Menschen lange Theatervorstellungen meiden. Detlef Bauer, Chefredakteur der Deutschen Bühne, stellt allerdings fest: „Das Kinder- und Jugendtheater legt an Besucherzahlen weiter deutlich zu.“
Dieser Trend lässt sich auch in Freiburg beobachten: In der Spielzeit 2022/23 hatte das Theater Freiburg im Kinder- und Jugendtheater 43.000 Besucherinnen und Besucher. Im Jahr zuvor hatte es noch 30.000 Interessierte ins Schauspielhaus gezogen. Das entspricht einem Zuwachs von 43 Prozent. Von der Corona-Pandemie scheint sich die Bühne für junge Menschen weitgehend erholt zu haben.
Trotzdem muss die junge Generation laut Marcus Stiglegger vom Freiburger Institut für Medienkulturwissenschaften anders angesprochen werden als die Jahrgänge zuvor: Die Entertainment- und Freizeitbedürfnisse haben sich geändert, so der Experte. Junge Menschen kann man vor allem durch „crossmediale Nutzbarkeit“ für das Theater gewinnen. Um ein Grundinteresse zu wecken, sei es sinnvoll, Vorstellungen online verfügbar zu machen. Der nächste Schritt sei dann, die Nutzer*innen von Instagram und Co. in die Vorstellungssäle zu bekommen.
Michael Kaiser, Leiter des Jungen Theaters Freiburg, erklärt im uniCROSS-Interview, wie junge Menschen konkret für das Theater begeistert werden können.
Die Theaterbranche hat junge Menschen auf dem Schirm. Insbesondere der 2023 ins Leben gerufene Kulturpass sei ein wertvolles Instrument zur Stärkung der kulturellen Teilhabe von jungen Menschen, urteilt Marlene Bärenfänger, Referentin für Online-Kommunikation beim Deutschen Bühnenverein. Dieses Förderprogramm der Bundesregierung sei ein Erfolg. Laut dem Fachmagazin Börsenblatt gab es bis Dezember 2024 rund 240.000 Reservierungen für Konzert- und Bühnenveranstaltungen. Das entspricht einem Umsatz von knapp 13 Millionen Euro.
Theater kann die menschliche Schaulust befriedigen. Es „konfrontiert unmittelbar mit Leben“, betont Stiglegger. Laut dem Experten sei eine Theatervorführung aber nicht primär Unterhaltung, sondern die Auseinandersetzung mit einem Kunstereignis. Diese Eindrücke regen zur Selbstreflexion sowie zur Diskussion mit anderen Zuschauenden an.
Stiglegger verweist auf den bedeutenden deutschen Philosophen Walter Benjamin. Dieser sagte den Theatervorstellungen eine gewisse Aura und Einzigartigkeit nach: Kleine Pannen während der Vorstellung tragen zur Individualität jedes einzelnen Abends bei. Die Ungewissheit steigere den Reiz. Das grenze das Theater vom Kino ab und verleihe dem Medium eine besondere gesellschaftliche Stellung.
Peter Carp, ehemaliger Intendant des Theaters Freiburg, gewährt einen Blick hinter die Kulissen und reflektiert die Besonderheit des gemeinschaftlichen Erlebens.
„Das Theater war immer ein Medium der bildungsbürgerlichen Schicht“, sagt Stiglegger. Trotz dieser gesellschaftlichen Stellung und seiner langen Historie als Kulturinstitution braucht es hohe Subventionen. Dem Deutschen Musikinformationszentrum zufolge betragen die durchschnittlichen Betriebszuschüsse pro Besucher aktuell zwischen 100 und 120 Euro. Während der Corona-Pandemie waren es sogar 1.290 Euro.
Laut Stiglegger ist es wichtig, dieses kulturelle Erbe zu wahren, gerade auch durch finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates: „Ein Theaterbesuch ist weiterhin ein wichtiges Ereignis und darf nicht verloren gehen. Staatliche Förderungen sind gut angelegtes Steuergeld und als wichtige Investition zu betrachten.“ Stiglegger nimmt jedoch auch die Bühnen in die Pflicht: „Das Theater muss beweisen, dass es eine lebende Kunstform ist.“
Eine Gemeinschaftsproduktion von Hannes Roller, Leon Meyer, Silas Georg und Sonja Wölfl im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas, Ragna Johansson, Alexander Schröder, Max Keefer.



