In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl in Freiburg angezeigter Sexualdelikte praktisch verdoppelt: 2014 registrierten Freiburgs Beamte 132 Fälle. 2023 gab es 332 Anzeigen. Das geht aus der aktuellen Kriminalitätsstatistik des Polizeipräsidiums an der Freiburger Bissierstraße hervor.
Wie konnte es dazu kommen? Laura Riske, Sprecherin der Freiburger Polizei, vermutet, dass die Enttabuisierung des Themas zu einer erhöhten Anzeigebereitschaft der Opfer führt. Hinzu kommt, dass im Jahr 2016 der Tatbestand „Sexuelle Belästigung“ eingeführt wurde. Verhalten, das zuvor lediglich den Strafbestand von Beleidigung oder Nötigung erfüllte, wird seitdem als Sexualdelikt gewertet.
„Sicherheitsgefühl ist etwas Subjektives und bemisst sich nicht nach Zeit und Raum“, so Riske. Trotzdem gebe es im Stadtgebiet sogenannte „gefährliche Orte“, an denen es häufiger zu Polizeieinsätzen kommt. Betroffen ist das sogenannte Bermudadreieck, das Colombi-Quartier und der Stühlinger Kirchplatz.
Neben Uniformierten überwachen seit 2022 insgesamt 16 Videokameras das Geschehen beim Bermudadreieck sowie der unteren Bertoldstraße. An Wochenenden und Feiertagen sind sie zwischen 22 und 6 Uhr aktiv. Die Geräte sollen Eskalationen vorbeugen und im Falle einer Straftat die Aufklärung erleichtern.
Obwohl zahlreiche Bars und Clubs in Freiburg zusätzlich Türsteher beschäftigen, kommt es dort immer wieder zu brenzligen Situationen. Davon berichtet Katharina, die Nachnamen und Arbeitsstelle nicht öffentlich machen möchte. Die Servicekraft in einer Bermudadreieck-Bar sagt: „Es kommt vor, dass Männer uns einfach anfassen und Sachen sagen, die wirklich nicht angebracht sind.“ Grundsätzlich fühle sie sich bei der Arbeit sicher – allerdings nur, weil sich Katharina auf die Unterstützung ihrer Kollegen verlassen könne.
Der Mitarbeiter einer benachbarten Bar berichtet Ähnliches: Alobei erlebe, dass Frauen gegen ihren Willen angefasst werden. Auch K.-o.-Tropfen seien ein Thema. Im Juli rief Alobei einen Krankenwagen für eine Frau, die angab, etwas ins Getränk bekommen zu haben.
Wie sicher fühlst du dich in den Abendstunden?
uniCROSS hat mit Frauen und Männern über ihre Erfahrungen im Freiburger Nachtleben gesprochen.
Laut Rathaus-Sprecherin Tabea Krauß ist die Sicherheit von Frauen im öffentlichen Raum ein wichtiges Anliegen. Als Reaktion auf die Ermordung zweier Frauen schloss die Stadt Freiburg 2017 eine Sicherheitspartnerschaft mit dem Land Baden-Württemberg. Im Frühjahr wurde sie verlängert. Insgesamt 130 neue Stellen sollen im Freiburger Polizeipräsidium in den kommenden zwei Jahren besetzt werden.
Auch das FrauenNachtTaxi ist Teil des Konzepts zum Schutz vor Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Zwischen 23 Uhr und 5 Uhr morgens kostet eine Fahrt zehn Euro, für Studentinnen, Schülerinnen, Auszubildende und Bürgergeldempfängerinnen sind es sieben Euro. Vergangenes Jahr erhöhte der Gemeinderat die Zuschüsse für das Projekt von 262.000 Euro im Jahr 2023 auf 463.000 Euro. Rund 33.000 Fahrten zählte das FrauenNachtTaxi im Jahr 2022.
Achtsam durch die Nacht
Auch „Nachtsam“ möchte unbeschwertes Feiern fördern. uniCROSS hat mit Pia Kuchenmüller, Sprecherin beim Träger Frauenhorizonte, über den Umgang mit Betroffenen gesprochen, wie Mitarbeiter*innen im Nachtleben geschult werden können und was es bedeutet, achtsam zu feiern.
Viele Angebote scheinen den Nachtschwärmern unbekannt zu sein. Alex, der in einer Bar am Schwabentor arbeitet, beobachtet, dass viele Frauen das FrauenNachtTaxi nicht kennen. Auch Barmitarbeiterin Katharina war das Angebot lange unbekannt.
Katharina wünscht sich mehr Präsenz der Polizei: „Die meiste Zeit sitzen sie nur in ihrem Streifenwagen. Ich habe einmal die Polizei gerufen, als eine Freundin und ich von einem Betrunkenen angemacht wurden. Nach zehn Minuten kamen sie, haben uns ein paar Fragen gestellt und sind dann wieder gegangen. Wirklich geholfen haben sie uns nicht.“
Expertin Kuchenmüller von Frauenhorizonte rät: „Gebt aufeinander acht. Schaut, dass niemand allein ist.“ Es sei aber nicht die Aufgabe der Frauen, sich zu schützen. Die Veränderung müsse von den Tätern ausgehen.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Alessia Laks Krügl, Philomena Motsch, Carla Beck, Lorena Räder, Luisa Grathwol und Käthe Steiner im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas.