Jugendliche wollen politisch mitreden. Das Freiburger Jugendbüro entwickelt dafür Beteiligungsformate. Mitarbeiterin Christine Golz setzt dabei auf offene Formate statt auf ein festes Jugendgremium. Sie erklärt, wie Projekte konkret umgesetzt werden können und warum manche Anliegen im Verwaltungsdickicht untergehen.

Frau Golz, wie gelingt es, Jugendliche für Politik zu gewinnen?
Das Interesse ist riesig, sobald Jugendliche verstehen, worum es geht. Auf kommunaler Ebene betrifft Politik ihr direktes Umfeld – Schule, Treffpunkte, Stadtteil. Wenn das klar wird, sind viele sehr motiviert.
Dabei heißt es oft, Jugendliche seien politikverdrossen…
Oft gibt es das Bild, Politik sei weit weg, langweilig oder nur „etwas für die da oben in Berlin“. Deshalb schaffen wir Begegnungen: Jugendliche treffen Oberbürgermeister, Gemeinderatsmitglieder oder Verwaltungsmitarbeitende. Sie erleben, dass es junge Menschen in der Politik gibt, die authentisch sind und wirklich etwas bewegen wollen – das verändert Wahrnehmungen.
Protest und Partizipation, aber niedrige Wahlbeteiligung
Politikwissenschaftlerin Kira Kurz erklärt im uniCROSS-Interview, wie politisch die junge Generation ist.
Trotzdem erreichen Sie nicht alle Jugendlichen. Woran liegt das?
Ein Faktor ist der Stellenwert politischer Bildung an Schulen. Zwar sind Schulen verpflichtet, Demokratiebildung zu betreiben, aber die Umsetzung bleibt ihnen überlassen – und ist oft theoretisch. Praxisnahe Formate fehlen. Es hängt auch davon ab, wie gefragt wird: Auf die direkte Frage „Interessierst du dich für Politik?“ sagen viele Nein. Fragt man jedoch „Willst du etwas im Park verändern?“ oder „Was stört dich an deinem Schulweg?“, sprudeln die Ideen.
Können Sie ein Beispiel für ein Projekt nennen, das sowohl Beteiligung als auch Wirkung hatte?
Ein wichtiges Beispiel ist der „8er-Rat“, den wir seit zehn Jahren durchführen. Dabei arbeiten ganze achte Klassen verpflichtend ein Schuljahr lang an einem Beteiligungsprozess – schulübergreifend zwischen Gymnasium, Real- und Werkrealschule. Uns ist wichtig, auch Jugendliche zu erreichen, die sich sonst nie politisch beteiligen würden. Gerade bei ihnen erleben wir oft, dass sie am Ende sagen: „Ich wurde ernst genommen und
konnte meine Meinung einbringen.“ Das ist für viele eine neue Erfahrung.
Wie werden die Ideen konkret umgesetzt?
Wir achten darauf, dass die Projekte konkret und realistisch sind. Wenn die Themen Gemeinderat oder Verwaltung betreffen, entwickeln die Jugendlichen Forderungen oder Pläne und übergeben diese. Ein Beispiel aus diesem Jahr: Jugendliche wollten die Freiburger Innenstadt zu Ramadan festlich schmücken – ähnlich wie zu Weihnachten. Wegen der knappen Zeit wurde die Idee zunächst an einer Schule getestet. Entwürfe, Standortvorschläge und KI-generierte
Visualisierungen wurden der Stadt übergeben – mit dem Ziel, das Projekt nächstes Jahr in der Innenstadt umzusetzen.
Welche aktuellen Forderungen gibt es noch?
Ein weiteres Projekt war die Forderung nach mehr Trinkwasserbrunnen. Die Jugendlichen erstellten eine Standortkarte, priorisierten und sprachen mit dem Garten- und Tiefbauamt. Ergebnis: ein Brunnen noch dieses Jahr, zwei weitere im nächsten Jahr.
Was tun Sie, wenn Jugendliche nicht mitmachen wollen?
Wir akzeptieren, wenn jemand erst einmal am Rand bleibt – solange es nicht stört. Oft helfen kleine Aufgaben wie Tische aufbauen, um ins Gespräch zu kommen. Spätestens wenn der Oberbürgermeister oder Mitglieder des Gemeinderats persönlich zuhören, springt bei vielen der Funke über.
Wo sehen Sie aktuell die größten Hindernisse für Jugendbeteiligung in Freiburg?
Zum einen wissen zu wenige, dass es unsere Arbeit gibt. Viele Schulen kennen uns nicht. Manche lehnen Beteiligungsprojekte ab, weil Unterricht ausfallen würde. Zum anderen fehlt eine klare städtische Struktur: Wer zuständig ist, hängt oft vom guten Willen Einzelner ab. Manche Anliegen verlaufen im Verwaltungsdickicht. Das frustriert und schreckt ab – denn Beteiligung muss Wirkung haben, sonst verliert sie an Glaubwürdigkeit.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Jugendbeteiligung?
Ich wünsche mir, dass Jugendbeteiligung als echte Chance gesehen wird – nicht als Pflichtaufgabe. Dass die Ideen und Perspektiven junger Menschen nicht nur angehört, sondern ernst genommen und umgesetzt werden. Und dass Jugendliche überall in der Stadt merken: „Ich kann etwas verändern – und meine Stimme zählt.“ Wenn das gelingt, gewinnen alle: die Jugendlichen, die Stadt – und am Ende auch die Demokratie.
Jung, weiblich, politisch
Katharina Moormann ist seit vergangenem Jahr die jüngste Gemeinderätin Freiburgs. uniCROSS begleitet sie mit der Kamera. Sie spricht über Vorurteile, Vertrauen und erklärt, warum Kommunalpolitik alles andere als trocken ist.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Tom Burkhardt, Paul-Joa Durt, Mara Kaier, Luca Eileen Gräfingholt und Adeeba Khan im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas, Ragna Johansson, Alexander Schröder, Max Keefer.



