Diese grausamen Verbrechen sind passiert. Kaum 1000 Kilometer von diesem Bildschirm
entfernt. Vor etwa 20 Jahren, während das ehemalige Jugoslawien zerfiel. Diese Sätze stammen aus den Anklageschriften gegen drei Männer:
Slobodan Milošević, Radovan Karadžić und Ratko Mladić.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord, Kriegsverbrechen. Die Karte zeigt nur eine kleine Auswahl. Gewalttaten gegen ganze Bevölkerungsgruppen gibt es immer und immer wieder auf der ganzen Welt – auch heute.
Oft sind die Verbrecher einflussreiche Politiker. In vielen betroffenen Ländern herrschen Krieg und Ausnahmezustand. Wer verfolgt solche Taten und wer ermittelt? Die nationale Polizei ist in solchen Extremsituationen dazu nicht fähig. Andere Länder müssen gemeinsam solche Straftaten aufklären und die Täter verurteilen, und das weltweit. Grundlage dafür ist das internationale Völkerstrafrecht.
Bei den Nürnberger Prozessen im November 1945 werden erstmals staatlich organisierte Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht gebracht. Das Rote Kreuz spielt eine entscheidende Rolle in der Entwicklung des Völkerstrafrechts.
Vom Völkerstrafrecht verfolgte Taten sind gegen „nationale, religiöse, rassische oder ethnische” Gruppen motiviert, so sieht es die UN-Charta vor. Nicht Staaten werden verfolgt, sondern Einzelpersonen oder Einzelpersonen einer Gruppe.
Zunächst müssen mindestens zwei Regierungen von Staaten einen Vertrag aushandeln und ihn auch unterzeichnen. Danach müssen sie den Inhalt des Vertrags im eigenen Land auch umsetzen. Nur dann kann ein Internationaler Strafgerichtshof über Staatsgrenzen hinweg tätig werden. 1998 wurde ein solcher Vertrag von 139 Staaten unterzeichnet – nicht alle aber sehen ihn auch als bindend an. Sieben Staaten sind sogar nach der Unterzeichnung aus dem Vertrag ausgetreten, darunter Weltmächte, zuletzt Russland im November 2016.
Mit ihrer Unterschrift stellen Staatschefs lediglich fest, dass sie sich über die Inhalte des Vertrags einig sind, mehr nicht. Hält sich ein Staat an den Vertrag, unterstützt er im Falle einer völkerrechtlichen Straftat die Ermittlungen im eigenen Land.
Slowenien erklärt im Mai 1991 als erstes Land seine Unabhängigkeit von Jugoslawien. Zwei Monate später kommt es zum Krieg. 1993 entscheidet der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: Die Verbrechen in den Jugoslawienkriegen müssen verfolgt werden.
Der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) nimmt im November 1993 in Den Haag seine Arbeit auf.
24 Jahre später wird für November 2017 das letzte Urteil erwartet. Hildegard Uertz-Retzlaff hat fast ein Drittel ihrer bisherigen Lebenszeit in Den Haag verbracht. Am ICTY war sie über zwanzig Jahre lang Vertreterin der Anklage.
Erste Anklage: 25.7.1995
Urteil: 24.3.2016*
Erste Anklage: 25.7.1995
Urteil: 22.11.2017*
Erste Anklage: 27.5.1999
Prozessabbruch 2006
266 Zivilisten und Verwundete warten in einem Krankenhaus. Sie haben sich ergeben und warten auf sicheres Geleit aus dem Kriegsgebiet. Soldaten kommen, sie bringen die Zivilisten zu einer Baracke. Nach stundenlanger Folter erschießen die Soldaten alle Gefangenen.
Für den Auftraggeber dieses Verbrechens sollen 40 Jahre Haft eine gerechte Strafe sein?
Und was ist eigentlich mit den Opfern und ihren Angehörigen?
Ist Strafe denn das Wichtigste, nachdem solche unglaublichen Verbrechen geschehen sind?
Muss man nicht besonders auf die Überlebenden zugehen?
Kann die Arbeit der internationalen Gemeinschaft nach der Verhaftung und Verurteilung der Täter beendet sein?
Braucht es für eine friedliche Zukunft einer Gesellschaft nicht mehr als Richter und Gefängnisse?
Schauspielerin Katja Riemann und Schauspieler August Zirner stehen im November 2016 auf der Bühne des Theaters Freiburg. Sie halten eine szenische Lesung über das Völkerstrafrecht.
Über fünf Monate lang haben sich 15 Studierende der uniCROSS-Redaktionen mit den Entwicklungen und Auswirkungen des Völkerstrafrechts befasst. Zahlreiche Gespräche mit Richtern, Staatsanwälten, Historikern und Psychologen erbrachten unterschiedliche Perspektiven. Die Studierenden haben die Hintergründe großer völkerstrafrechtlicher Fälle recherchiert und bis spät in die Nacht Diskussionen über die Umsetzung dieses Projekts geführt.
Und das ist das Fazit:
Jeder Mensch hat genug Brot, Reis und Hirse. Jeder Mensch hat Schutz vor Sturm und Wetter. Niemand wird verfolgt und unterdrückt. Jeder Mensch kann seine Gesellschaft mitgestalten und hat das Recht, sich zu äußern. Jeder Mensch kann in die Schule gehen und sich über alles informieren. Jeder Mensch kann beten. Jeder kann sich offen freuen, trauern und leiden. Alle reden lieber miteinander, anstatt sich zu bekämpfen. Jeder nutzt seine Macht, um anderen zu helfen.
Das ist leider nicht unsere Welt.
Es gibt aber Menschen, die auf so eine Welt hinarbeiten. Und die brauchen wir. Solange unsere Welt ist, wie sie ist, brauchen wir auch Menschen, die sich für Gequälte, Unterdrückte und Angehörige von Mordopfern einsetzen. Und wir brauchen Menschen, die anklagen, Recht sprechen und Strafen verhängen. Wir brauchen Menschen, die Aggressionen erkennen. Die rechtzeitig eingreifen. Die Beweise sammeln, potentielle Täter verfolgen und sie festnehmen.
Wir brauchen Menschen, Gruppen, Einrichtungen und Staaten, die sich um die Opfer von Verbrechen kümmern, die diese unterstützen und ihnen helfen.
Die ihnen den Glauben an die Menschlichkeit zurückgeben.