Wibke Backhaus ist Abteilungsleiterin der Abteilung Gleichstellung, Diversität und akademische Personalentwicklung sowie Projektleiterin für das Diversity Audit. Aylin Kılıç ist Projektkoordinatorin für das Diversity Audit.

Hallo Frau Kılıç, hallo Frau Backhaus. Gemeinsam arbeiten Sie an der Teilnahme der Uni am Diversity Audit. Was genau ist das Diversity Audit?

Aylin Kılıç: Das Diversity Audit ist ein Instrument zur Organisationsentwicklung, das sich im Grunde die unterschiedlichen Maßnahmen und Vorgänge im Bereich Diversity einer Institution anschaut. Durch eine externe Begleitung werden diese reflektiert und am Ende, nach zweieinhalb Jahren, wird im Idealfall ein selbstgesetztes Ziel erreicht. Damit sollen die Diversity-Ziele nicht von oben herab gesetzt werden, sondern aus der eigenen Uni heraus verfolgt werden.

Das Audit wurde vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ins Leben gerufen und bislang haben bereits über 80 Universitäten und Hochschulen in Deutschland daran teilgenommen.

Warum kam der Impuls der Uni Freiburg, am Diversity Audit teilzunehmen?

Wibke Backhaus: Die Universität ist schon sehr lange im Feld Diversity unterwegs. Sie war eine der ersten Universitäten, die eine Stabsstelle dafür aufgebaut haben. Das heißt, wir haben schon bestehende Strukturen, Prozesse und Maßnahmen.

In letzter Zeit gab es aber viele Umstrukturierungen, beispielsweise ist die Abteilung GDaPE, die Abteilung für Gleichstellung, Diversität und akademische Personalentwicklung, relativ jung. Das ist auch mit einer strategischen Neuausrichtung verbunden, nämlich einer Kopplung von akademischer Personalentwicklung und EDI. EDI steht für „Equity, Diversity and Inclusion“, mit diesen Begriffen wird unser Arbeitsfeld international bezeichnet.

Für uns und das Rektorat ist der Diversity Audit Anlass und Möglichkeit, die bestehenden Maßnahmen und Strukturen noch mal in den Blick zu nehmen und zu schauen, wo wir stehen und wo wir uns weiterentwickeln wollen. Besonders auch im Kontext der Exzellenstrategie.

Seit letztem Herbst nimmt die Uni am Diversity Audit teil. Wie sah der Prozess bis jetzt aus?

Wibke Backhaus: Zu Beginn haben wir mit der Stellenbesetzung angefangen. Dann mussten wir das Ganze zuerst intern aufsetzen. Jetzt sind wir so weit, dass wir aus diesen Vorbereitungen rausgehen können und die Arbeit in die Universität hineintragen können.

Aylin Kılıç: Im Herbst haben wir auch eine Auditorin beauftragt. Das ist Ute Zimmermann von der TU Dortmund. Seit diesem Jahr begleitet sie uns aktiv im Prozess und bringt als externe Begleitung ihre Erfahrungen und Methoden an die Uni. Sie führt uns durch die Workshops und gibt uns Tipps und Hinweise zum Umgang mit den Ergebnissen der Workshops.

Was sind die Vorteile eines extern begleiteten Prozesses?

Wibke Backhaus: Zum einen haben wir mit der Auditorin ein kritisches Korrektiv und Unterstützung von außen. Als „Critical Friend“ liefert sie Einschätzungen, weist auf Leerstellen hin und gibt auch Impulse, wohin sich die Arbeit entwickeln kann und sollte.

Ein extern begleiteter Prozess erzeugt eine andere Aufmerksamkeit und öffnet eine formale Ebene. Für uns ist das Audit nämlich nicht nur ein Strategie- und Organisationsentwicklungsprozess, sondern auch ein Instrument, um Impulse für einen Kulturwandel zu setzen. Wenn man eine inklusivere, diskriminierungssensiblere und chancengerechtere Uni werden möchte, kann man das nicht allein mit Maßnahmen erreichen, die Top-down implementiert werden.

Dieser Prozess muss ganz stark von unten wachsen und Menschen müssen die Möglichkeit haben, Veränderungen in ihren Bereichen anzustoßen. Ein Prozess, der extern begleitet wird und mit einem Zertifikat abschließt, hat ein gewisses Gewicht, das uns eine andere Reichweite und Möglichkeiten gibt, um mit Menschen an der Uni ins Gespräch zu kommen und Veränderungsprozesse zu starten.

Aylin Kılıç: Außerdem ist es wichtig, dass wir uns mit anderen Hochschulen aus unserer Kohorte vernetzen und austauschen. Denn andere Hochschulen durchlaufen diesen Prozess auch, nur auf unterschiedliche Art und Weise. Dieser Austausch ist für uns sehr erkenntnisbringend.

Was sind die selbstgesetzten Schwerpunktthemen für Diversity an der Uni?

Wibke Backhaus: Wir sind noch immer im Prozess diese zu sortieren und zu formulieren. Wir haben aber bereits einige große Themen, die uns sehr beschäftigen. Das sind einerseits dimensionsspezifische Ansätze, aber auch übergeordnete Querschnittsthemen, bei denen es um Handlungskompetenzen und Sensibilisierung geht.

So sind Awareness und Diskriminierungsschutz wichtige Handlungsfelder unserer Arbeit. Dafür haben wir letztes Jahr das Projekt „Protect“ ins Leben gerufen, das wir noch weiterentwickeln und dauerhaft etablieren wollen. Wir haben aber auch Themen, die schon lange bearbeitet werden, wie Familien- und Geschlechtergerechtigkeit.

Ein besonderer Fokus liegt auf der genannten Kopplung von Personalentwicklung und Diversity, also die Idee, EDI-Perspektiven in Personalentwicklungsmaßnahmen und die strukturelle Gestaltung von Karrierewegen zu integrieren.

Gibt es schon erste Erkenntnisse, wo die Stärken der Uni im Bereich Diversity liegen oder wo noch Verbesserungsbedarf herrscht?

Aylin Kılıç: Ich bin mit dieser Aufgabe neu an die Uni gekommen, aber was mir direkt entgegengebracht wurde, war eine enorme Offenheit für diese Themen und die Lust daran mitzuarbeiten. Im Bereich Gleichstellung ist uns aufgefallen, dass da schon viel in die Wege geleitet wurde und wir viele Synergien nutzen können, um Ideen weiterzuentwickeln.

Wibke Backhaus: Es gibt auch eine große Bereitschaft auf der Leitungsebene und es gibt viele Menschen an der Uni, die dieses Thema mittragen. Das ist natürlich großartig. Darüber hinaus gibt es aber unendlich viele Themen, bei denen wir uns noch weiterentwickeln müssen. Es gibt Wochen, wo die Themenliste endlos zu wachsen scheint, aber gleichzeitig gibt es viel Energie und viel Engagement zur Veränderung.

Ich glaube auch, dass das, was wir mit „Protect“ im Diskriminierungsschutz aufbauen, auch bundesweit einen Beispielcharakter haben kann. Wir müssen aber auch ganz offen sagen, dass wir an diesem Ideal im Alltag immer wieder an vielen Punkten scheitern. In der Realität ist es für viele Leute leider noch nicht so, dass sie das Gefühl haben, in einer Universität zu sein, die diesem Anspruch bereits gerecht wird. Aber das kann eben nur ein Prozess sein.

Warum ist Diversity-Arbeit so wichtig an einer Uni?

Wibke Backhaus: Ich finde, Diversity-Arbeit ist Grundlagenarbeit. Wir formulieren als Universität mit Begriffen wie „Exzellenz“ oder „Spitzenforschung“ einen hohen Anspruch an uns selbst. Dafür müssen wir Voraussetzungen schaffen und zum Beispiel faire Auswahlprozesse und gute Arbeitsbedingungen sicherstellen, damit sich Menschen mit ihrem vollen Potenzial entfalten können und Talente als solche erkannt werden.

Diversity ist aber auch ein Thema, das mit gesellschaftlicher Verantwortung und dem Auftrag von Universitäten zu tun hat. Wir leben in einer Zeit, in der diese Themen sehr umstritten sind. Ich finde, wir müssen klar machen, dass es darum geht, Chancengerechtigkeit als demokratischen Grundwert zu realisieren. Universitäten sind Orte, an denen auch zukünftige gesellschaftliche Eliten ausgebildet werden. Wenn sich diese nicht aus der Breite der Gesellschaft rekrutieren, dann ist das nicht nur ein Problem für die Universität, sondern für die ganze Gesellschaft.

Es geht aber nicht nur um die Personen, sondern auch um Kompetenzen. Was brauche ich, um Antworten auf Fragen der Zukunft zu finden? Ich denke, in einer heterogenen Gesellschaft wird Diversity Kompetenz dafür immer wichtiger werden.