Von Zähringen bis Rieselfeld, vom Günterstal bis Vauban fahren die Freiburger Straßenbahnen über grüne Wiesenabschnitte, die Gleise verlaufen zwischen Gänseblümchen und Löwenzahn. Das ist eher ungewöhnlich, denn die meisten Stadtbahnen fahren über Schotter, Pflastersteine oder Beton, in Freiburg dagegen über Rasengleise.
Die sogenannten Rasengleise sind eine ökologische Alternative zu grauen Pflastersteinen. Dabei werden entweder bereits vorhandene Grünflächen genutzt oder beim Umbau einer Bahnstrecke neue Rasenflächen miteingeplant.
Wie auf der Webseite der VAG Freiburg zu lesen ist, bieten Rasengleise viele Vorteile. Im Gegensatz zu grauem Schotter macht die Begrünung den ÖPNV attraktiver und sorgt für ein freundliches Stadtbild. Der Rasen nimmt Regenwasser direkt in den Untergrund auf. Rasengleise haben einen positiven Effekt auf das Stadtklima, da sie die Oberflächentemperatur auf natürliche Weise regulieren. Wenn es regnet, kondensiert das Wasser und die Luftfeuchte wird angehoben. Klimatische Extreme wie Wärmeperioden können damit ausgeglichen werden, da die Umgebung gekühlt wird. Außerdem wird die Umgebungsluft gereinigt und Feinstaub gebunden. Zudem ist Gras ein aktiver Schallschutz, der Lärm von Stadtbahnen wird reduziert.
Rasengleise gibt es seit den 80ern
Die ersten Straßenbahnen in Freiburg fuhren 1901 noch parallel zu den von Pferden gezogenen Wagen. Die ersten Schienenlinien verliefen deshalb über Pflastersteine. Das erste Stück Rasengleis wurde erst 1983 auf der Strecke zwischen Eschholzstraße bis zur Sundgauallee (heute Linie 1) eingebaut. Freiburg war damit Wegweiser für andere Straßenbahnstrecken in Deutschland. Seitdem wird bei Erneuerungsarbeiten von Streckenabschnitten immer mehr Rasengleis verlegt, wie zum Beispiel in Vauban oder am Rotteckring.
Nischenwissen zu Straßenbahnnetzen vom Geo-Piefke auf Instagram
Mit dem Thema Rasengleise beschäftigt sich unter anderen der selbst ernannte „Geo-Piefke“ @der_lonell auf Instagram. Auf seinem Account teilt er Reels zu verschiedenen Geographiethemen, Städten oder Verkehrsnetzen. In einem Reel spricht er über das größte Straßenbahnnetz Deutschlands (Berlin) und erklärt, dass ein Großteil der Gleise während des Zweiten Weltkriegs zerstört wurde. Auf Anfrage von uniCROSS recherchierte der „Geo-Piefke“ zur „grünsten“ Straßenbahnstrecke Deutschlands.
Zwei Wochen später veröffentlichte @der_lonell das Reel „Welche deutsche Stadt hat die grünste Straßenbahn?“. Darin beschreibt er seine Recherche, für die er die Open-Source Weltkarte OpenStreetMap genutzt hat. OpenStreetMap ist ein internationales Projekt, das weltweit Daten zu Straßen, Flüssen, Städten, Wälder und Vielem mehr sammelt.
Diese große Datenbank mit Geodaten ist frei verfügbar und kann für Analysen genutzt werden. Dort findet man auch Karten, die viele kleine Details abbilden, wie Briefkästen, Buslinien, Denkmäler und eben auch Rasengleise von Straßenbahnen.
Bei vielen Tram- und Straßenbahnlinien in Deutschland ist kartiert, auf welchem Untergrund die Bahnen fahren. Mithilfe eines selbstgeschriebenen Python-Skripts hat @der_lonell alle Straßenbahnlinien, die in OpenStreetMap hinterlegt sind, heruntergeladen.
Aus diesen Daten hat er dann den Anteil der begrünten Straßenbahnlinien zusammengerechnet und kam zu einem überraschenden Ergebnis: Auf Basis der Daten von OSM hätte tatsächlich Freiburg mit 17,4 Kilometern die längste Strecke Grüngleis (bei einer Gesamtlänge von 83 Kilometern). Auf Platz zwei ist nach seiner Analyse Braunschweig mit 13,9 Kilometern Grüngleis (Gesamtlänge 39,6 Kilometer) und Mainz mit 10,9 Kilometer (Gesamtlänge 29,6 Kilometer).
In Freiburg seien das anteilsmäßig 21 Prozent Grüngleis. Schon bei diesem ersten Ergebnis lag die Vermutung nahe, dass von allen deutschen Großstädten mit Straßenbahn Freiburg ein sehr grünes Straßenbahnnetz hat.
Nicht jeder Meter ist auf OSM kartiert
Nach der Veröffentlichung des Reels auf seinem Instagramkanal wurde in einigen Kommentaren darauf hingewiesen, dass auf OSM nicht alle Städte vollständig kartiert seien und demnach auch Stellen mit grünen Straßenbahngleisen fehlen.
Alles also noch zu unklar. Eine weitere Recherche führte zum Amt für Projektentwicklung und Stadterneuerung der VAG Freiburg. Die VAG ist mit digitalisierter Geodatenerfassung gut aufgestellt und stellt auch die Geodatenbank FreiGIS zur Verfügung. Die Daten in FreiGIS sind öffentlich zugänglich und zeigen auch Daten zum Rasengleisanteil in Freiburg. Rouven Seibert ist Geodatenbank-Manager bei der VAG Freiburg und hat Daten zu Rasengleisen erfasst.
Seine Auswertung der Straßenbahn-Daten hat Folgendes ergeben: In Freiburg haben wir insgesamt eine Straßenbahn-Gleislänge von 77,42 km. Das Straßenbahnnetz setze sich momentan noch zu 58 Prozent aus „Nicht-Rasen“ und 42 Prozent Rasen zusammen. Der Nicht-Rasen-Anteil bestehe aus 29,7 Kilometer Gleis aus Asphalt (also etwa 38 Prozent), circa 11,22 Kilometer Gleis aus Pflasterflächen (etwa 15 Prozent) und circa 4,2 Kilometer Gleis aus Schotter (etwa 5 Prozent).
45,22 Kilometer des Freiburger Straßenbahnnetzes laufen durch die Innenstadt, die bepflastert, betoniert oder beschottert ist.
Und nun die große Überraschung: Rund 32,3 km des Straßenbahnnetzes in Freiburg bestehen aus Grüngleis, was also weitaus den größten Anteil, nämlich 42 Prozent am Gesamtnetz, ausmacht.
Allerdings hat sich aus dieser zweiten Berechnung ergeben, dass die ersten Daten aus OSM tatsächlich zu großen Teilen unvollständig waren.
Rouven Seibert betont, dass die VAG stetig an der Begrünung arbeite: In Landwasser zwischen Paduaallee und Diakoniekrankenhaus werde die Strecke gerade ausgebaut und durch Grüngleis ersetzt. Das bedeutet, dass sich die Statistik gegen Mitte/Ende Oktober noch einmal ändern wird und es einen Zuwachs von etwa 2 Prozent mehr Grüngleis geben wird.

Freiburgs Grüngleise spielen oben mit
Den Freiburger Rasenanteil mit dem anderer deutscher Städte zu vergleichen, ist relativ schwierig, da Verkehrsbetriebe in anderen Städten andere Arten der Datenerfassung nutzen. Rouven Seibert geht aber davon aus, dass im Verhältnis zu anderen Verkehrsbetrieben Freiburg „oben mitspielt, wenn es um den Anteil an Grüngleis im Gesamtnetz geht“.
Gute Nachrichten: Freiburg wird immer grüner!
Der Rechercheweg findet ein positives Ende: Freiburgs Grüngleis-Anteil ist mit circa 42 Prozent sogar doppelt so groß wie die erste Recherche mit OpenStreetMap ergeben hat. Mit den neu ausgebauten Strecken wird der Anteil in kommender Zeit noch weiter steigen. Wenn ihr also mal wieder mit der Straßenbahn unterwegs seid, erfreut euch am grünen Rasenmeer über das wir als Fahrgäste fahren dürfen – vielleicht bricht Freiburg damit ja Rekorde.