Zum Release des neuen Albums hat uniCROSS mit grrrg von pogendroblem über die neue Scheibe gesprochen – über die „Zeit der Monster“, Positionierung zwischen Preisverleihung und DIY-Punk und die Frage, ob sich die Verhältnisse ja vielleicht doch noch ändern lassen.
Bei euch haben Utopien immer eine Rolle gespielt, entweder im Kleinen oder im Großen. Und jetzt heißt es plötzlich: “Es kann nicht immer so weitergehen” und “Von gar nichts haben wir uns befreit” und vor allem groß: “Great Resignation”. Was ist passiert?
Ich würde sagen, das hängt mit der verhinderten sozialökologischen Transformation zusammen und dem Erstarken der globalen extremen Rechten. Und dann halt dem Switch zu so außenpolitischen Konflikten, Kriegen, Krisen und auch einer Linken, die sich schwer tut, damit umzugehen. Und das sind, glaube ich, die Faktoren, die da vor allem reinspielen.
Auf der anderen Seite würde ich aber schon behaupten, dass wir dieses utopische Momente einfangen (oder sagen wir zumindest mal widerständige Momente), dass wir das jetzt nicht ganz aufgegeben haben. Also es geht ja um verschiedene Möglichkeiten, mit der multiplen Krise, oder dieser Faschisierung sagen manche, in der Situation momentan umzugehen.
“Self Checkout” ist zum Beispiel ein Song, wo es einfach ums Klauen geht. “Great Resignation” hat natürlich eher was Unpolitisches in der letzten Konsequenz, aber trotzdem dieses sich-auf-Beziehungsweisen-fokussieren, (…) hat immer noch dieses utopische Moment für mich. Und auch ein Song wie “Unser Jahrzehnt”, der ist sehr explizit politisch und sehr, nicht hoffnungsvoll, aber zumindest macht er die Perspektive auf, dass sich Verhältnisse ändern lassen.
Im Pressetext zum Album steht, ihr hättet euch “weiter in die Musikindustrie rein begeben”. Was heißt das?
Ich würde sagen, letztes Mal bei der Platte sind wir so raus aus dem DIY-Booking und zu einer Booking-Agentur gegangen und sind damit auch ein bisschen auf Pop-Festivals und so gekommen. Das heißt es einfach. Und jetzt haben wir wieder Musikförderung bekommen, haben irgendwie diesen Preis der Stadt Köln gekriegt, weil wir so tolle Nachwuchskünstler*innen sind. “Holger Czukay Preis für Zukunftsmusik” oder so. Und das heißt es einfach. Also das ist halt eine strukturelle Feststellung, aber natürlich auch eine ironische Selbstbeschreibung.
Bald auf dem DIFFUS-Cover eingekauft oder so?
I wish, Alter.
Ich finde, noch schwächer ist es, (…) immer noch so zu tun, als wäre man aus irgendeinem Loch gekrochen und dann kosten die Konzerte halt trotzdem mehr als früher.
Wenn du sagst “ironische Selbstbeschreibung”, es gäbe ja vielleicht Bands, die würden sich einfach drüber freuen. Ich habe das Gefühl, bei euch ist die Haltung, man muss sich dafür auch ein bisschen rechtfertigen.
Also wir sind ja immernoch Punker. Nee, also ich würde sagen, das zu markieren war einfach irgendwie wichtig. Ich freue mich total darüber. Für mich war auch bei c/o-Pop zu Spielen, wo ich als Jugendlicher dann mal war und es waren krasse internationale Acts da, war für mich mega krass. Aber auch diesen Preis der Stadt Köln zu bekommen war irgendwie cute. Das waren so Abiball-Vibes, das war alles sehr schön und es freut uns natürlich – wenn mehr Leute uns hören, finden wir das gut.
Aber trotzdem, weil wir ja gleichzeitig irgendwie eine Punkband sind, die immer noch diesen DIY-Background hat, finde ich es einfach immer lustig, das zu benennen. Ich finde, noch schwächer ist es, das einfach gar nicht zu machen und dann immer noch so zu tun, als wäre man aus irgendeinem Loch gekrochen und dann kosten die Konzerte halt trotzdem mehr als früher. Also man muss ja irgendwie einen Umgang damit finden und deswegen steht das da drin.
Die Zeit der Monster
Mir ist in den letzten Wochen und Monaten immer öfter die “Zeit der Monster” über den Weg gelaufen, dieses Gramsci-Zitat, ihr sampelt das auch auf dem Album. Was ist das für dich? Die “Zeit der Monster”?
Das Album sollte auch mal so heißen. Das hat uns dann aber uns zu viel Assoziationen von so Märchengeschichten aufgemacht. “Zeit der Monster” ist eben ein Zitat von Antonio Gramsci. Antonio Gramsci ist so ein italienischer Marxist, der unter Mussolini in Kerkerhaft war und ein riesiges Gesamtwerk geschrieben hat, das heißt “die Gefängnishefte”, weil es eben aus dem Gefängnis rausgeschmuggelt wurde…
Eine ausführliche Erklärung zu Gramscis Konzept der Hegemonie, warum auch die neue Rechte ihn gelesen hat, und was die katholische Kirche damit zu tun hat, hört ihr in der Audio-Vollversion.
…und von Gramsci stammt eben auch dieses Zitat “Zeit der Monster”. Darin beschreibt er quasi eine Zeit, wenn die alte Ordnung, oder alte Herrschaftsstrukturen, bröckeln und noch nicht klar ist, wo die Reise hingeht und es eine Zwischenzeit gibt, so ein Interregnum. Und das wird momentan halt immer sehr viel benutzt, um die aktuelle Zeit zu beschreiben, weil wir eben gerade an dieser Stelle stehen.
Das fossile Zeitalter, das Anthropozän muss irgendwie zwangsläufig vorbei gehen. Das klappt aber eben gerade nicht, weil es massive Abwehr dagegen gibt. Es gibt also die Hoffnung auf irgendeine Gesellschaft, die das anders organisiert hat, aber das ist noch nicht greifbar. Und genau in dieser Zeit ist dann die Zeit der Monster. Also ja, der Faschismus zum Beispiel wäre eines dieser Monster, die dann am Horizont erscheinen.
Kann Mucke eine Rolle spielen um da durch zu navigieren, durch die Zeit der Monster?
Das ist ja finde ich immer so die generell die Frage, die sich alle immer stellen: Welchen Impact hat eigentlich Musik, gerade Punk? Und ich würde sagen, um so dadurch zu navigieren – ja, auf jeden Fall. Also ich glaube schon immer noch, dass alternative Kultur und Räume total wichtig sind. Als Rückzugsorte, aber auch als Orte, um andere Sachen zu fühlen und auch als Sozialisation für Kids irgendwie.
Aber jetzt zu sagen, wir machen jetzt hier ein neues Album, damit halten wir jetzt den Faschismus auf, soweit würde ich mich jetzt wohl nicht aus dem Fenster lehnen. Also es gibt sicherlich politisch sinnvollere Sachen, die man machen kann, als die ganze Zeit darüber streiten, was jetzt auf dem Albumcover drauf ist oder welche Reihenfolge die Songs auf dem Album haben.
In der Audio-Version des Interviews gehen wir noch tiefer rein in die neue Platte. Wir klären, warum die “Great Resignation” eigentlich ein widerständiger Moment ist und werfen einen genaueren Blick auf die Songs “Unser Jahrzehnt” und den erdrückenden Closer “Von garnichts haben wir uns befreit”. Außerdem erzählt grrrg, wie die Band weiter DIY bleibt und wie so ein pogendroblem-Album eigentlich entsteht.