Hallo Lucas, hallo Helen. Lucas, du studierst Politikwissenschaften im Master,  Helen, du Geographie und Wirtschaftswissenschaften im Bachelor. Ihr seid zwei der ersten studentischen Hilfskräfte des Nachhaltigkeitsbüros an der Uni Freiburg. Was macht so ein Nachhaltigkeitsbüro überhaupt?

Helen: Wir sind die zentrale Anlaufstelle für Anliegen zum Thema Nachhaltigkeit für Studierende und andere Interessierte und wollen das im Bewusstsein von allen an der Uni etablieren.

Lucas: Jede*r, der*die mit der Uni zu tun hat, kann sich ganz niedrigschwellig mit Anfragen, Vorschlägen oder Ideen an uns wenden. Das können einzelne Studierende sein, aber auch Vertretungen von studentischen Gruppen wie dem StuRa oder den Fachschaften. Als Mitglieder des Arbeitskreises Nachhaltige Universität, des Nachhaltigkeitskonzils und des Programmbeirates für das Zertifikat Nachhaltigkeit versuchen wir, die Perspektive von Studierenden in strategische Prozesse der Uni einzubringen. Wir sind also nicht nur eine Anlaufstelle, sondern auch eine Querschnittsstelle.

Helen: Genau. Wir wollen mit allen Statusgruppen kommunizieren und transparent machen, welche Ansprechpersonen es gibt, welche Maßnahmen für Nachhaltigkeit schon umgesetzt wurden oder wo es noch Lücken gibt.

Lucas: Dazu erarbeiten wir gerade auch ein Glossar, für das wir alle Informationen darüber sammeln, was gerade an der Uni in Sachen Nachhaltigkeit gemacht wird und wo man noch ansetzen kann. Das beinhaltet auch die Personen, die für die jeweiligen Bereiche zuständig sind.

Helen: Mit unserem Büro möchten wir eine Instanz installieren, die Anfragen und Vorschläge bündelt und effektiv bearbeitet. Natürlich sind wir nicht die einzigen, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen: Es gibt das Prorektorat für Internationalisierung und Nachhaltigkeit und verschiedene andere Nachhaltigkeitsgremien und -gruppen. Zwischen diesen Akteur*innen wollen wir mit dem neuen Büro die Querverbindungen weiter ausweiten, um mit mehr Durchschlagskraft die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, insbesondere auf studentischer Ebene.

Ein Bindeglied zwischen Studierendenschaft und Verwaltung, das mehr Nachhaltigkeit bezweckt – klingt wie etwas, was jede Uni haben sollte. Woher kam die Idee dafür?

Helen: Das internationale Green Office Movement startete in den Niederlanden. Seitdem werden Nachhaltigkeitsbüros an immer mehr Unis in Deutschland und weltweit eingerichtet. Bei einem Vernetzungstreffen 2018, bei dem Studis aus verschiedenen Nachhaltigkeitsinitiativen zusammengekommen sind, hatten wir die Idee, so etwas auch an der Uni Freiburg voranzutreiben.

Zwar gibt es in Freiburg sehr viele motivierte Studierende und Gruppen, aber wie bei allen Initiativen auf ehrenamtlicher Basis auch viel Fluktuation. Daher sind die Kontinuität und die Qualität der Projekte nicht immer so leicht aufrechtzuerhalten. Durch ein universitäres Nachhaltigkeitsbüro mit fest angestellten Hilfskräften besteht ein stabil bleibender Kern des Engagements, das dadurch nicht an fehlenden Mitteln oder Mitstreitenden scheitert.

Lucas, du bist ja recht frisch beim Nachhaltigkeitsbüro angestellt, während du, Helen, den ganzen Entstehungsprozess begleitet hast. Wie sah dieser Prozess aus?

Helen: Die Initiative Nachhaltigkeitsbüro Uni Freiburg wurde wie schon erwähnt 2018 gegründet. Die ersten Jahre haben wir durch Projekte wie die Hochschultage für Nachhaltigkeit, die Ersti-Akademie zukunftsfähig oder das Zertifikat Nachhaltigkeit gezeigt, dass Bedarf für ein Nachhaltigkeitsbüro besteht.

2021 haben wir angefangen, ein Konzept für ein Green Office an der Uni Freiburg zu erarbeiten. Anfang 2022 ging damit ein langer Lobbyprozess los, bei dem wir Unterschriften von Unterstützer*innen aus allen Statusgruppen gesammelt haben: Von Profs, Studigruppen, Einzelpersonen, StuRa sowie Mitarbeitenden aus der Verwaltung und aus Stabsstellen. Mit der Unterstützung der Prorektorin für Internationalisierung und Nachhaltigkeit, Prof. Daniela Kleinschmit, erreichten wir dann Ende 2022 den positiven Rektoratsbeschluss für die Einrichtung. 2023 wurden die Stellen für die studentischen Hilfskräfte ausgeschrieben und im Juni ist das studentische Nachhaltigkeitsbüro dann offiziell gestartet. Die Nachhaltigkeitsmanagerin Lora Gyuzeleva koordiniert das Büro, das somit auch beim Prorektorat angesiedelt ist.

Lucas: Jetzt geht es darum, den ganzen Institutionalisierungs-Prozess Stück für Stück zu gestalten und zu gucken: Wo gibt es Problemfelder? Was sind unsere Absichten und Ziele? Das ist ein permanenter Prozess, bei dem wir laufend dazu lernen.

Wie klappt das denn bisher?

Lucas: Bisher sehr gut. Einerseits dadurch, dass das Rektorat uns in die verschiedenen Gremien eingesetzt hat, andererseits, weil viele Gremienmitglieder direkt auf uns zugekommen sind, weil sie merken, dass ihnen oft der Zugang zu den Studierenden fehlt. Einfach auch deshalb, weil da keine Plattform ist, über die man mit den Studierenden kommunizieren kann.

Auch die Kooperation bei Projekten klappt gut, das sieht man zum Beispiel an der Ersti-Akademie, die wir zusammen mit studentischen Initiativen organisieren. Das ist eine Orientierungswoche für Erstsemester, bei der die Erstis in Nachhaltigkeitsthemen eingeführt werden und Möglichkeiten gezeigt bekommen, wie man sich dafür engagieren kann. Teil des Programms war dieses Jahr auch ein Eucor-Nachhaltigkeitstag, an dem wir mit vier anderen Unis und Hochschulen aus der Großregion zusammengearbeitet haben.

Die Brücke zwischen Studierendenschaft und Uni zu sein ist bestimmt nicht immer einfach. Wie gelingt euch diese Rolle?

Helen: Es ist immer ein Spagat. Als Studierende, die gleichzeitig an der Uni angestellt sind, entstehen immer wieder Rollenkonflikte, mit denen wir bewusst umgehen müssen. Man hat persönlich vielleicht radikalere Ideen und Vorstellungen davon, wie die Uni nachhaltig werden kann, aber gleichzeitig bekommt man eben auch mit, wie die realen Prozesse in der Verwaltung laufen und was für Hürden es gibt.

Vor allem die langwierigen Abläufe sind schwierig. Wir sind das beste Beispiel: Die Einführung des Nachhaltigkeitsbüros hat an der Universität insgesamt fünf Jahre gedauert. Das ist als Studierende*r nicht einfach, weil man ja oft gar nicht so lange an der Uni ist. Wenn man in einer öffentlichen Verwaltung etwas Tiefgreifendes bewegen will, braucht man einen langen Atem.

Was die Kommunikation nach außen angeht, sind wir als Einrichtung der Uni ein bisschen eingeschränkt. Wir können in unseren Aussagen natürlich nicht so parteiisch sein, wie man es als Initiative oder politische Gruppe wäre, weil die Uni in ihrer Kommunikation politisch neutral sein muss. Da ist mehr Zurückhaltung bei Aussagen oder der Bewerbung von Aktionen geboten, auch wenn wir rein inhaltlich vielleicht mitgehen würden.

Lucas: Gleichzeitig kriegen wir aber auch tiefere Einblicke in die Prozesse der Uni allgemein. Die Ressourcen, die wir als Nachhaltigkeitsbüro haben, ermöglichen es uns, viel konkreter und effektiver mit den relevanten Akteur*innen zusammenzuarbeiten, sodass man auf einen Nenner kommt und gemeinsame Projekte realisiert.

Ihr habt also den Blick hinter die Kulissen, was Nachhaltigkeit an der Uni angeht. Habt ihr das Gefühl, dass da wirklich etwas bewegt wird?

Helen: In den projektbezogenen Gremien ja. Zum Beispiel im Programmbeirat des Zertifikat Nachhaltigkeit, einem Lehrangebot zu nachhaltigen Themen für alle Studierenden, in dem konkrete Entscheidungen zu den Modulen und Formaten getroffen werden. Das hat einen sichtbaren Impact schon im nächsten Semester. Auch der Arbeitskreis Nachhaltige Universität, der aus Mitarbeitenden der Verwaltung, Studierenden und unter anderem dem Umweltreferat des AStA besteht, hat schon viele Nachhaltigkeitsprojekte im Bereich Betrieb umgesetzt. Zum Beispiel Wettbewerbe, bei denen sich verschiedene Abteilungen auf Mittel für Energieeffizienz-Projekte bewerben können oder Kooperationen mit dem Studierendenwerk zum Müllmanagement in Wohnheimen.

Auf betrieblicher Ebene gibt es seit 2022 auch ein Klimaschutzkonzept. Der Wille bezüglich Klimaneutralität ist auf jeden Fall da und mit den Landesvorgaben für 2030 auch politisch gesetzt. Wir kriegen aber gerade mit, dass ganz viel an den Finanzen scheitert. Oft kommen politische Vorgaben, aber keine Substanz für die Umsetzung. Also muss in Stuttgart Druck gemacht werden, dass Finanzmittel für Klimaschutz in den öffentlichen Verwaltungen bereitgestellt werden.

Lucas: Intern passiert auch sehr viel, aber das ist oft bürokratisch. Wenn mal was in den einzelnen Abteilungen geändert wird, was zum Teil einen großen Impact hat, kommt das bei der Studierendenschaft noch nicht immer so richtig an.

Helen: Kommunikation ist aktuell noch ein Manko, weil oft nicht sichtbar ist, was in den Gremien passiert. Klar gibt es Webseiten, auf denen die Nachhaltigkeitsprojekte veröffentlicht werden, aber die Reichweite ist bisher gering. Es muss noch austariert werden, wie man die Studierenden am besten erreicht. Über welche Kanäle? Welche Formate? Und da sehen wir eben unsere Rolle.

Angenommen, man möchte sich über Nachhaltigkeit an der Uni Freiburg informieren oder sich dafür einsetzen. Wie kann man aktiv werden?

Helen: Als Studi kann man einfach mit seinem Anliegen oder Interessensbereich bei uns im Nachhaltigkeitsbüro vorbeikommen. Dann vermitteln wir an den passenden Kontakt in der Univerwaltung oder zu einer studentischen Initiative.

Lucas: Ganz neu besteht jetzt die Möglichkeit für Studierende, über Service-Learning beim Nachhaltigkeitsbüro ECTS zu erhalten. Statt einem langfristigen Engagement gibt es auch Projekte, bei denen man sich konkret und zeitlich begrenzt einbringen kann. Unser letztes Großprojekt war zum Beispiel die Ersti-Akademie, die immer vor Beginn des Wintersemesters stattfindet. Verschiedene Initiativen haben dafür ein Programm aus Workshops und Vorträgen mit ihrem jeweiligen Themenschwerpunkt zusammengestellt. Dieses Mal gab es zum Beispiel eine nachhaltige Stadtführung, ein Running Dinner und am Freitag sogar ein Filmscreening im aka-Kino, das offen war für alle Studis. Bei der Orga der Ersti-Akademie kann man sich einfach so engagieren, auch wenn man nicht in einer Initiative aktiv ist.

Helen: Egal, ob man mit den Erstis in die Mensa geht oder ihnen interessante Spots in der Stadt zu Nachhaltigkeit zeigen will, es gibt viele Menschen im Netzwerk der Initiativen in Freiburg, die gerne ihre Skills teilen, weshalb man einfach reinschnuppern kann.

Lucas: Auch bei den Hochschultagen für Nachhaltigkeit im Sommersemester können sich interessierte Studierende unkompliziert einbringen. Das sind Projekttage mit Vorträgen, Workshops oder kreativen Aktionen zum Thema Nachhaltigkeit, die ebenfalls als Kooperation von studentischen Gruppen veranstaltet werden. Wenn man dazu etwas beitragen will, kann man ganz offen mit einem Thema oder einem Format einsteigen. Genauso gut kann man sich für die Unterstützung der laufenden Arbeit des Nachhaltigkeitsbüros, zum Beispiel im Bereich Projektvorbereitung oder Öffentlichkeitsarbeit, engagieren. Es gibt also eine sehr große Bandbreite an Möglichkeiten.

Helen: Vorwissen ist nicht nötig, wir sind offen für alle, die sich auch in Zukunft im Nachhaltigkeitsbüro miteinbringen wollen. Für Fragen und Anliegen sind wir super einfach zum Beispiel via Sprechstunde oder E-Mail erreichbar.