Studieren muss man sich leisten können, auch in Deutschland. Schließlich ist es eine Vollzeitbeschäftigung, bei der man nichts verdient. Doch immerhin: Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es in Deutschland keine Studiengebühren, sie wurden 2007 eingeführt und fünf Jahre später wieder abgeschafft.

Warum es in Deutschland keine Studiengebühren mehr gibt weiß Kari Reulecke, Leiterin des Service Center Studium (SCS) der Universität Freiburg: „Das Studium soll für alle zugänglich und nicht von der sozialen Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten abhängig sein.“

Das Extrembeispiel USA

Damit ist die Situation hier weitaus besser als in den USA, dem Extrembeispiel. Sam kommt aus der Nähe von Boston und studiert Philosophie in Montreal. Er erzählt, dass die durchschnittlichen Studiengebühren an staatlichen Unis in Massachusetts etwa 40.000 US-Dollar pro Jahr betragen. Solche hohen Studiengebühren können sich junge Menschen selten leisten. Eltern, auch die von Sam, sparen schon von der Geburt der Kinder an für deren Collegekosten und meist nehmen Studierende zusätzlich Kredite auf, die sie über mehrere Jahrzehnte abbezahlen. Sam entschied sich, nicht in den USA, sondern in Kanada zu studieren, denn dort sind die Studiengebühren niedriger. An seiner Universität in Montreal zahlt er pro Jahr 16.000 kanadische Dollar, das war seine günstigste Option.

An deutschen Hochschulen waren im Wintersemester 2022/23 laut dem Statistischen Bundesamt 2,9 Millionen Studierende eingeschrieben. Die Lehre wird grundsätzlich vom Staat finanziert – genau genommen von den Bundesländern, da Bildung in ihre Kompetenz fällt. Die Höhe der Finanzierung ist im Hochschulfinanzierungspakt festgelegt, erklärt Kari Reulecke. „Eine Rolle dafür spielen die Anzahl der Studienanfänger*innen und der Absolvent*innen in Regelstudienzeit sowie die Studierendenzahlen insgesamt. Auch deswegen ist es für Universitäten bedeutsam, wie viele Studierende bei ihnen eingeschrieben sind und wie viele von ihnen ihr Studium abschließen.“

Studiengebühren für internationale Studierende

Für einige Studierende gibt es dennoch Studiengebühren, das unterscheidet sich aber von Bundesland zu Bundesland. Baden-Württemberg erhebt zum Beispiel Hochschulgebühren für internationale Studierende außerhalb der EU, die seit dem Wintersemester 2017/18 oder später hier studieren. Diese Gebühren in Höhe von 1.500 Euro im Semester wurden durch das Wissenschaftsministerium im Landeshochschulgebührengesetz festgelegt. 300 Euro davon erhält die Uni, um zusätzliche Angebote für die internationalen Studierenden zu finanzieren, der Rest geht ans Ministerium.

Die Universität Freiburg möchte möglichst attraktiv für internationale Studierende sein, so Reulecke. Die Erhebung dieser Gebühren sieht sie deshalb kritisch, da sie für viele Studierende aus dem nichteuropäischen Ausland ein Hindernis seien, um ihr Studium in Baden-Württemberg aufzunehmen.

Anfang 2023 hat die Wissenschaftsministerin von Baden-Württemberg, Petra Olschowski, angekündigt, dass die Studiengebühren für internationale Studierende abgeschafft werden sollen. Die Idee dahinter ist, dass so mehr junge Menschen aus nicht-europäischen Ländern ihr Studium in Deutschland absolvieren und zum Arbeiten hierbleiben werden, Stichwort: Fachkräftemangel.

Kari Reulecke stellt jedoch klar, dass auf politischer Ebene noch Fragen zu einer möglichen Abschaffung der Gebühren offen sind, beispielsweise wie der Finanzierungsbedarf kompensiert werden kann. In Baden-Württemberg gibt es nicht nur für internationale Studierende eine Studiengebühr, sondern auch für alle, die ein Zweitstudium machen. Mit „Zweitstudium” ist ein weiteres grundständiges oder Master-Studium gemeint, nachdem man schon einen ersten Bachelor, Staatsexamen oder Master absolviert hat. Für ein Zweitstudium in Baden-Württemberg müssen Studierende 650 Euro im Semester bezahlten. „Ein Zweitstudium verbessert die persönliche Position auf dem Arbeitsmarkt, kann aber nicht – wie beim Erststudium –  vollumfänglich von der Allgemeinheit mitfinanziert werden“, erklärt Kari Reulecke. In den meisten anderen Bundesländern – ausgenommen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz – fallen bei einem Zweitstudium keine Gebühren an.

Vergleichbar mit Deutschland: Norwegen

In Norwegen wird das Studium wie in Deutschland vom Staat finanziert. Jenny studiert Informatik in Oslo. Dort gibt es keine allgemeinen Studiengebühren, aber einen Semesterbeitrag von ungefähr 100 Euro, mit dem Sportangebote und andere Aktivitäten außerhalb des Curriculums finanziert werden.

Diesen Semesterbeitrag gibt es auch an deutschen Unis. Die Höhe variiert von Uni zu Uni. An der Uni Freiburg beträgt er seit diesem Semester 180 Euro und ist damit laut Kari Reulecke leicht unter dem bundesweiten Durchschnitt. 70 Euro davon sind Verwaltungskosten, die durch das Landeshochschulgebührengesetz von Baden-Württemberg festgelegt sind und direkt an das Land weitergeleitet werden. Sieben Euro gehen an die Verfasste Studierendenschaft, damit diese ihre hochschulpolitische Arbeit leisten und die verschiedenen Angebote für Studierende finanzieren kann. Dieser Beitrag ist seit vielen Jahren nicht verändert worden, damit er sozial verträglich bleibe, sagt die Leiterin des SCS. Die restlichen 103 Euro gehen an das Studierendenwerk Freiburg Hochschwarzwald (SWFR). 28 Euro davon sind der Sockelbeitrag für das Semesterticket und wird vom SWFR direkt an die Regio-Verkehrsverbund Freiburg (RVF) weitergeleitet. Die beim Studierendenwerk verbleibenden 75 Euro sind ein Zuschuss für Angebote wie die Mensen, die Kinderkrippen und die psychotherapeutische Beratung.

Italien: Studiengebühren nach Einkommen

Einen Mittelweg bei Studiengebühren geht man zum Beispiel in Italien: Matteo hat in Mailand Kommunikationswissenschaften studiert. Dort gibt es Studiengebühren, die nach dem Einkommen der Eltern berechnet werden. Sie betragen an öffentlichen Universitäten zwischen 900 und 4.000 Euro pro Semester. Dazu kommen noch die anderen Kosten, die während des Studiums anfallen: Wohnung und andere Lebenshaltungskosten, aber auch Bücher für die Uni.

Diese zusätzlichen Kosten stellt auch Studierende in anderen Ländern vor Probleme. In Norwegen gibt es deshalb Studiendarlehen, die für alle Studierenden zugänglich sind. Bei der Bewerbung könne man selbst entscheiden, ob man den Minimal- oder den Maximalbetrag möchte, sagt Jenny. 40 Prozent davon seien wie ein Stipendium, den Rest müsse man zurückzahlen, ähnlich wie beim deutschen BAföG.

In Deutschland hatten 2021 etwa 63 Prozent der Studierenden einen Nebenjob, etwa 11 Prozent beziehen BAföG. Der größte finanzielle Anteil kommt allerdings von den Eltern. Im Gegensatz zu den USA müssen diese jedoch in der Regel nicht von der Geburt ihres Kindes an für die Studiengebühren sparen.

Und so sind wir dem Ideal, dass das Studium für alle zugänglich sein sollte und nicht von der sozialen Herkunft und den finanziellen Möglichkeiten abhänge, doch ein Stückchen näher.