Alleinsein ist nicht (nur) die Abwesenheit von etwas oder jemand anderem, sondern die Anwesenheit meiner ungestörten Wahrnehmung, die mich mit der Welt verbindet.

Auf insgesamt 365 Seiten breitet die Autorin und Kulturwissenschaftlerin Sarah Diehl verschiedene Aspekte des Alleinseins aus, beleuchtet unterschiedliche Bereiche des Lebens und gibt Anleitung, wie man sich selbst Räume schaffen kann, um allein zu sein. Sie erzählt von Gesprächen mit Bekannten, die sie im Laufe der Zeit zu dem Thema geführt haben. Sie geht im Buch den gesellschaftlichen Zwängen auf den Grund und betrachtet die geschichtlichen Hintergründe des, von der Kultur geprägten Begriffs “Alleinsein”.

Einsamkeit vs. Alleinsein

Oft werden die Begriffe Einsamkeit und Alleinsein gleichgesetzt. Während Einsamkeit oft unfreiwillig eintrete, könne das Alleinsein selbstgewählt werden. Die Autorin grenzt diese Begriffe klar voneinander ab. Einsamkeit sei meist ein Gefühl von Mangel, oft verbunden mit dem Wunsch nach Verbindung. Alleinsein hingegen sei das bewusste Zurückziehen von äußeren Reizen oder Beziehungen, um die eigene Präsenz als Ressource und Akt des bewussten Lebens zu nutzen.

Die erste umfassende weibliche Betrachtung des Alleinseins

Ein besonders großes Augenmerkt liegt in „Die Freiheit, allein zu sein” auf der Emanzipation der Frau und dem Fehlen von Räumen zum Alleinsein für Frauen. So schreibt die Autorin, dass Frauen sich kulturell häufig über ihre Beziehungen zu anderen definiert werden, beispielsweise als Partnerin, Mutter oder Freundin. Das Alleinsein wird mit dem Scheitern dieser Beziehungen assoziiert.

Allein zu leben und reisen oder sich bewusst gegen eine Partnerschaft oder Kinder zu entscheiden wird oft nicht als Wahl, sondern als Mangel angesehen. So werde das Alleinsein der Frau gesellschaftlich abgewertet. Diehl plädiert an die Leser*innen, dass das Alleinsein für Frauen nicht als Defizit verstanden werden solle, sondern als „Raum der Selbstermächtigung”.

Allein reisen

Diehl ermutigt die Leser*innen zum Allein reisen. In unserer Kultur sei Reisen stark mit Geselligkeit und gemeinsamer Erfahrung verknüpft, eine Reise häufig nur dazu da, um sie mit anderen zu teilen. Das Solo-travelling hingegen solle viel mehr als Konfrontation mit sich selbst gesehen werden, als „ultimativer Akt der Freiheit”, schreibt Diehl. Die Selbstermächtigung, sich seinem Innern zu stellen, ohne die Ablenkung durch Mitreisende und deren Routinen.

Allein sein dürfen, unabhängig von Liebe, Familie und Partnerschaft

Diehl weist darauf hin, dass nicht jede Person eine Familie oder Beziehung als Zentrum ihres Lebens brauche. Die Freiheit, allein zu sein, werde moralisch und emotional dadurch entwertet, dass familiäre Bilder und Partnerschaften von gesellschaftlicher Anerkennung geprägt seien. Das Alleinsein könne unabhängig von zwischenmenschlichen Beziehungen in einem Leben stattfinden. Wer sich für mehr Alleinsein entscheide, sagt sich nicht automatisch von allen sozialen Beziehungen los.

Gegen die Abschaffung des Alleinseins

Wer sich bewusst zurückziehe, flüchtet nicht unbedingt von etwas, sondern nehme sich ein Stück selbstgewählte Freiheit. Diehl fordert mehr Raum und gesellschaftliche Akzeptanz zum Alleinsein, sie will die Kultur des Alleinseins zurückerobern. In einer Gesellschaft, die uns ständig zur Verbindung zwinge, werde Alleinsein zum Akt der Selbstbestimmung.

Sarah Diel positioniert sich klar und klug gegen die Abwertung des Alleinseins. Sie fordert ihre Leser*innen heraus, sich selbst eine Meinung dazu zu bilden und gibt Anstoß zum Austausch und zur Diskussion.

Das Buch als Augenöffner

Auch wenn es sich bei „Die Freiheit allein zu sein” um ein Sachbuch handelt, liest es sich flüssig und klar. Besonders der Teil über zwischenmenschliche Beziehungen, die unabhängig vom alleine Zeit verbringen stattfinden können, verdeutlichen den Leser*innen, dass Alleinsein nicht mit Einsamkeit gleichzusetzen ist. Sarah Diehl ermutigt mit ihren Worten dazu, etwas mit sich selbst zu unternehmen und führt vor Augen, woher dieser Drang zum ständigen Sozialisieren kommt. Mir ist beim Lesen klar geworden: Alleinsein sollte genauso einen Platz im Leben finden, wie alles andere.

Warum wir uns im Juli diesem Thema widmen, lest ihr in unserer Einführung

 Alle Beiträge zum Thema findet ihr unter #Female*Empowerment