Hallo Fabian, du studierst, schreibst Gedichte und bist seit Neuestem auch als Verleger tätig. Wie bist du denn zum Schreiben gekommen?

Ich hatte im vierten Semester meines Germanistik-Studiums zusammen mit einem Kommilitonen angefangen, Kurzgeschichten zu schreiben. Zunächst aber nur als Hobby. Wir trafen uns jeden Donnerstag im Café und schrieben anfangs für uns. Dabei habe ich für mich festgestellt, dass das Schreiben eine coole Sache ist. Irgendwann hat der eine dann die Kurzgeschichte des anderen mitgenommen und bis zur nächsten Woche korrigiert und mit Anmerkungen versehen – also quasi lektoriert.

Früh übt sich!

Ja, genau. Auf diesem Weg haben wir uns ausgetauscht und das ziemlich genau ein Jahr lang gemacht. Unser Treffen fiel lediglich zwei Mal aus, wir zogen das wirklich durch, weil es uns großen Spaß gemacht hat. Nebenbei haben wir Kaffee getrunken, oder auch mal ein Bier. Irgendwann wurden dann aus den Geschichten Gedichte. Das war ein schleichender Prozess, der eingesetzt hatte, weil wir auch vermehrt angefangen hatten Gedichte zu lesen.

Wir begannen damit, die selbst geschriebenen Gedichte auf Instagram zu posten und haben im Grunde ein Schreibkollektiv gegründet. Die Veröffentlichungen auf Instagram waren von vornherein nicht nur als Text konzipiert, sondern wir haben sie auch als eingesprochenes Video hochgeladen. Das hat ganz gut funktioniert und über die Monate ist eine kleine Community gewachsen. Dann hatten wir die ersten Auftritte bei Poetry Slams und lasen dort unsere Gedichte vor.

Euer Schreiben hat sich also Stück für Stück professionalisiert?

Genau, irgendwann haben wir damit angefangen, die Gedichte, die wir besonders gut fanden, in Kurzclips – auch mit Statisten und professioneller Kamera – zu verfilmen. Wir wurden immer wieder gefragt, ob es die Gedichte nicht auch gedruckt gebe, also nicht nur digital. So entstand mein erster Gedichtband Glücksjäger, den wir im dafür gegründeten Trabantenverlag selbst verlegt haben.

Du hast dann aber auch bald ein Gemeinschaftsprojekt initiiert: Lockdownlyrik.

Zeitlich fiel die Verlagsgründung in den ersten Lockdown und da kamen wir auf die Idee des Gemeinschaftsprojekts. Über Instagram riefen wir Leute dazu auf, eigene Gedichte zu schreiben und uns zu schicken. Darüber, wie es ihnen geht, wie sie mit der Situation umgehen. Innerhalb von wenigen Tagen wurden uns mehrere hundert Gedichte zugesandt. Das Postfach quoll über. Mir wurde klar: da besteht großes Interesse – am Thema Lockdown und auch daran, selbst kreativ zu werden. So kamen wir auf die Idee, aus diesen Texten ein Buch zu machen und das zu publizieren. Für den Trabantenverlag hatten wir sowieso schon den Kontakt zu einer Druckerei und zum Vertrieb aufgebaut und auch schon Pressearbeit gemacht.

In den ersten Monaten 2021 hatten wir beinahe jeden Tag Promo-Livestreams über den eigens dafür gegründeten Instagram-Kanal gemacht, der dann auch recht schnell gewachsen ist. Die mediale Beteiligung war wirklich überwältigend. Wir bekamen viel Feedback. Es gab auch eine WhatsApp-Gruppe zur Organisation der Promotion. Wir hatten in verschiedenen Städten Plakate geklebt, Literaturhäuser angeschrieben und richtige Pressearbeit für unser Buchprojekt betrieben.

Ihr habt 1.600 Einsendungen erhalten. Wie habt ihr daraus die Gedichte für das Buch ausgewählt?

Wir haben eine Jury aus vier Leuten gebildet. Unser Ziel war es, 100 Gedichte auszuwählen, die abgedruckt werden sollten. Dabei war uns extrem wichtig, dass ein Querschnitt abgebildet wird. Es sollte kein Buch werden, in das nur Gedichte von renommierten Lyrikern aufgenommen werden. Das Ziel war, ein Zeitdokument zu schaffen, das alle Perspektiven abdeckt. Männer und Frauen, alte Menschen und junge, auch verschiedene Berufsgruppen. Das Buch haben wir dann im Eigenverlag veröffentlicht.

Es wurden auch viele Gedichte von Kindern eingereicht. Die haben wir in einem eigenen Gedichtband herausgegeben: Lockdownlyrik Kids. Den Gewinn von beiden Projekten – alles was abzüglich der Druck- und Vertriebskosten übrigbleibt – spenden wir an die Berliner Obdachlosenhilfe.

Ihr habt einen eigenen Verlag gegründet, in dem sowohl Glücksjäger als auch Lockdownlyrik erschienen sind. Aber es ist gar nicht so einfach, in der Buchbranche Fuß zu fassen.

Meine Wut ist in den letzten Tagen besonders durch die Absage der Leipziger Buchmesse gewachsen. Die Absage hatte meiner Meinung nach weniger mit Corona zu tun als damit, dass die Messen für die großen Verlagsgruppen wirtschaftlich gar nicht mehr so wichtig sind und sie deshalb abgesagt haben. Daraufhin wurde auch die Leipziger Buchmesse an sich abgesagt. Für kleine, unabhängige Verlage wäre sie aber eine wichtige Bühne gewesen.

Was mich stört, ist die Durchkommerzialisierung der Branche. Es ist ja keine Wirtschaftsbranche, wie jede andere. Hier geht es um Literatur. Darum, dass Themen gesetzt und kontrovers diskutiert werden. Die Bücher und Pressearbeit der Verlage trägt immens viel zu gesellschaftlichen Debatten bei und stößt diese oft auch erst an. Ob es um den Klimawandel geht, oder soziale Ungerechtigkeit – da spielen Bücher eine wichtige Rolle. Und wenn Verlage nur noch aufgrund von Algorithmen oder wirtschaftlicher Profitabilität entscheiden, welche Bücher gemacht werden, fällt da leider viel unter den Tisch.

Hinweis der Redaktion: Das Interview fand bereits vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine statt.