Alle_Zeit. Eine Frage von Macht und Freiheit – Teresa Bücker

Zeit ist in unserer Gesellschaft eine knappe Ressource. Aber eine wichtige, wie die Feministin Teresa Bücker in ihrem Buch Alle_Zeit zeigt. Sie führt aus, wie viel Zeit Erwerbsarbeit in unserem Alltag einnimmt. Anschließend erläutert sie, dass die Vorstellung, alle Frauen sollten im Sinne der Gleichberechtigung Vollzeit einer Erwerbsarbeit nachgehen, nicht funktionieren kann. Denn Care-Arbeit wird in unserer kapitalistischen Gesellschaft nicht mitgedacht, sondern Frauen als Teil ihrer Identität zugeschrieben. Der Achtstundentag ist ein von Männern geschaffenes und in einer gleichberechtigten Gesellschaft nicht haltbares Konzept. Stattdessen braucht es ein neues Verständnis von „Vollzeit“. So stellt Bücker verschiedene alternative Modelle zur Arbeits- und Zeitverteilung in unserer Gesellschaft vor.

Aber mit Zeit für Fürsorge ist nicht nur Care-Arbeit gemeint: Auch im politischen Sinne sorgen wir füreinander. Und auch für politisches Engagement braucht es Zeit, die Frauen aufgrund ihrer Care-Verantwortung oft nicht haben. So zeigt Bücker, warum Zeit auch eine Frage von Macht und Freiheit ist.

In Alle_Zeit bringt Bücker die Theorien von wichtigen feministischen Theoretiker*innen wie Frigga Haug, Gabriele Winker und Joan Tronto zusammen und zeigt, warum wir eine neue Zeitkultur brauchen. Sie formuliert ein unaufdringliches, aber überzeugendes Plädoyer für eine gerechte Verteilung von Zeit – mit großem emanzipatorischen Potential.

Von Josephine Haq Khan

 

Nie, Nie, Nie – Linn Strømsborg

Egal ob auf Familienfeiern oder Partys, von Kolleg*innen oder Freund*innen, Frauen um die 30 werden häufig mit Aussagen wie „und, wann bekommst du endlich Kinder?“, oder „langsam solltest du dir wirklich mal Gedanken über deinen Kinderwunsch machen!“ konfrontiert. Viele denken, es sei okay, Frauen auf ihre Fortpflanzungspläne anzusprechen und einen Kinderwunsch als selbstverständlich vorauszusetzen. Dabei wird ausgeblendet, dass diese Bemerkungen zutiefst persönlich und in den meisten Fällen mehr als übergriffig sind. Und vielmehr noch, was ist, wenn Frauen gar keine Kinder bekommen möchten?

Diesen Entschluss hat die namenlose Ich-Erzählerin in dem Roman Nie, nie, nie gefasst. Sie ist 35 Jahre alt, lebt in einer glücklichen Beziehung und hat schon lange entschieden, dass Kinder nicht zu ihrer Vorstellung eines erfüllten Lebens gehören. Ihr Umfeld suggeriert ihr aber immer wieder, dass sich ihre Einstellung bestimmt noch ändern wird. Besonders ihre Mutter spricht sie häufig darauf an, dass sie sich Enkelkinder wünscht und strickt vorsorglich Babykleidung, obwohl sie die Entscheidung ihrer Tochter kennt. Auch als ihre beste Freundin eine Tochter bekommt und ihr Partner daraufhin in Frage stellt, ob er sich nicht doch Kinder wünscht, ändert sich ihre Überzeugung nicht, obwohl sie kurz ins Zweifeln gerät.

In Nie, nie, nie setzt sich die norwegische Autorin Linn Strømsborg damit auseinander, wie sich Freundschaften und Liebesbeziehungen angesichts unterschiedlicher Lebensentwürfe (auseinander) entwickeln. Dabei verdeutlicht sie, dass es nicht den einen Lebensplan gibt, der alle Menschen glücklich macht. Vor allem aber gibt sie Frauen eine Stimme, die keine Kinder bekommen möchten und trägt dazu bei, dass dies als legitime Entscheidung akzeptiert wird, die nicht weiter begründet oder gar gerechtfertigt werden muss.

Von Verena Pfaff

 

Against White Feminism – Rafia Zakaria

Mittlerweile sind sich viele Aktivist*innen einig, dass wir Kämpfe gegen verschiedene Formen von Diskriminierung gemeinsam denken müssen und das Wort “Intersektionalität” ist in aller Munde.

In Against White Feminism zeigt Rafia Zakaria unangenehme Wahrheiten darüber auf, wie weiße Feministinnen – ob mit oder ohne gute Intention – den Interessen von Frauen of color im Weg stehen. Weiße Feministinnen haben in der Vergangenheit nicht nur rassistische Gewalt ignoriert, sondern sie zum Teil auch aktiv unterstützt. Um ihren Status an der Seite weißer Männer zu ergattern oder aufrecht zu erhalten, nahmen sie die Unterdrückung anderer in Kauf. Die Konsequenzen der kolonialen Denkmuster waren für Frauen of color oft besonders spürbar und reichen bis in die Gegenwart.

Zakaria stellt die notwendigen Forderungen, um eine Zukunft zu ermöglichen, in der politische Teilhabe für alle möglich ist. Wer den Mut hat, sich wirklich kritisch mit Fragen über Macht und Ausbeutung auseinanderzusetzen, sollte sich Against White Feminism nicht entgehen lassen.

Von Lorena Salas Vidal

 

Untenrum Frei – Magarete Stokowski

Wann sind wir frei? Wer hat Macht? Und vor allem – wie überkommen wir patriarchale Strukturen?

Große Fragen, die Untenrum Frei versucht zu beantworten, indem es anhand von lustigen Anekdoten, frustrierenden politischen Realitäten und verstörenden Erlebnissen Ungleichheiten besonders nahbar aufzeigt.

Dabei verbindet Stokowski ihre persönlichen Erfahrungen von Missbrauch und Ungleichbehandlungen mit größeren Zusammenhängen von Macht und wer sie hat. Ihr beißender Humor macht ihren Schreibstil zu einem fesselnden Erlebnis, mit der klaren Botschaft von kommender Veränderung.

Untenrum Frei ist vor allem eins: erleuchtend. Mit ihrer präzisen und gleichzeitig kompromisslosen Ausdrucksweise dekonstruiert die Autorin das Patriachat Zeile für Zeile und enttarnt es als das, was es ist: eine Machtstruktur von vorgestern. Wer verstehen will, wie die patriarchalische Gegenwart aussieht und die feministische Welt von morgen aussehen kann, die muss Untenrum Frei gelesen haben.

Von Kolya Merrill

 

Eine gebrochene Frau – Simone de Beauvoir

Das Weibliche als das zweite Geschlecht: kaum ein Werk hat den Feminismus des letzten Jahrhunderts so sehr geprägt wie das der Denkerin Simone de Beauvoir. Vor allem für ihre philosophisch-feministische Abhandlungen ist sie sehr bekannt.

Ganz anders schildert die Autorin in Eine gebrochene Frau das Leben „der Frau“ im Patriarchat. Das Buch lässt einen eintauchen in die Probleme, die vor allem in der Mitte des letzten Jahrhunderts das Leben des zweiten Geschlechts diktierten. Selbst für diejenigen, die ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft finden konnten. Es besteht aus drei Kurzgeschichten, erzählt aus der Sicht von drei Frauen. In einer Gesellschaft, in denen ihnen wenig bis keinen Wert auf der Basis ihres eigenen Lebens zugesprochen wird, finden sich die drei Figuren in Konflikten mit den Männern und der Welt um sie herum wieder. Sie alle befinden sich in gesellschaftlich unmöglichen Situationen: sie altern, sie wurden verlassen, sie werden betrogen. Gefüllt mit Fragen über die Rolle von Liebe – zu Männern, zu Kindern und zu sich selbst – Wut, Trauer und Entschlossenheit, suchen die drei Frauen ihren Weg.

Erzählerisch vielfältig verleitet das Buch zum „intensiven Mit-Erleben“. Ohne belehrende Anleitung zum Glücklich-sein oder vereinfachte Antworten, stellt Eine gebrochene Frau vor allem Fragen über das Leben zwischen Männern und für Männer und die Notwendigkeit, sich mit der eigenen Ohnmacht auseinanderzusetzen.

Von Anna Pes

 

Dramaqueen – Tara-Louise Wittwer

Frauen dürfen ruhig ihre Meinung vertreten. Aber bitte sei doch nicht gleich so dramatisch. Und hast du etwa gerade deine Tage oder warum bist du jetzt so hysterisch?

Wenn Frauen, die laut sind und ihre Meinung äußern, mit den Attributen dramatisch und anstrengend versehen werden, dann ist das nicht nur ein Absprechen ihrer Emotionen, sondern auch internalisierte Misogynie. In ihrem Buch Dramaqueen betrachtet Tara-Louise Wittwer, woher dieser verinnerlichte Frauenhass kommt, wie sehr wir solche Denkweisen schon verinnerlicht haben und warum auch Frauen untereinander „nicht wie die anderen“ sein wollen. Die studierte Kulturwissenschaftlerin geht dabei auch konkret darauf ein, wie die Popkultur dabei geholfen hat, bestimmte weibliche Narrative zu festigen, und wie diese Denkmuster auch heute noch in den Sozialen Medien fortgeführt werden, wo toxische Männlichkeit bei gleichzeitiger Abwertung und Sexualisierung des Weiblichen geradezu glorifiziert wird.

Das Buch ist angereichert mit einigen Erfahrungen der Autorin selbst, die sie in Bezug auf ihren Platz und ihre Rolle als Frau in einer von patriarchalen Strukturen bestimmten Gesellschaft gemacht hat. Dabei scheut sie sich nicht, ihr eigenes Verhalten in der Vergangenheit kritisch zu hinterfragen und in Bezug auf verinnerlichte Denkmuster zu reflektieren. Das geht vom Abwerten anderer Frauen bis hin zu der Frage, warum sie Rosa eigentlich so lange kategorisch abgelehnt hat. Schließlich wurden die Farben Rot und Rosa lange Zeit als explizit männliche Farben angesehen.

Von Jule Bürgi

 

Why We Matter: Das Ende der Unterdrückung – Emilia Roig

Du bist bereit einen Perspektivwechsel einzunehmen, dein Verhalten und/oder dein weiß sein  kritisch zu hinterfragen? Dann darf Emilia Roigs Roman Why We Matter in deinem feministischen Bücherregal auf keinen Fall fehlen!

Am Beispiel ihrer eigenen Familiengeschichte zeigt Roig auf, wie Rassismus, Sexismus, Klassismus und Queerfeindlichkeit zusammenhängen und sich oft sogar gegenseitig verstärken. Dabei werden die Muster der Unterdrückung aufgezeigt und erklärt, wie wir selbst dagegen vorgehen können.

In Why We Matter geht es darum, die Ungerechtigkeiten dieser Welt aufzudecken, zu entlarven und zu versuchen, neue Perspektiven einzunehmen. Dafür müssen wir verstehen, dass es keine neutrale oder objektive Perspektive gibt. „Was in unserer Gesellschaft als normal gilt, wird von dominanten Gruppen bestimmt“ schreibt Roig und meint damit vor allem weiße cis Männer.

Durch eine bunte Mischung aus eigener Erfahrung, Erzählungen ihrer Mitmenschen und gesellschaftspolitischem Expert*innenwissen schafft sie es in Why We Matter den Begriff der Intersektionalität, der in der Wissenschaftssprache schon lange nicht mehr wegzudenken ist, auch für Leser*innen anschaulich zu machen, die sich mit diesem Thema bisher wenig auseinandergesetzt haben.

Von Johanna Weinz

#LesenGegenDasPatriarchat: Lasst uns die überholten sozialen Normen in Frage stellen!

Aus unserem Archiv – passend zum Frauenkampftag!