„Manchmal habe ich das Gefühl, ich muss mich ‚downdressen‘, um nicht aufzufallen“, sagt Caroline, die aus den Rechtswissenschaften kommt und Stipendiatin bei EXIST-Women ist. „Welche Frisur ich trage, was ich anziehe, all das hat Einfluss darauf, wie ich im Beruf wahrgenommen werde.“
Schuld daran ist der sogenannte Unconscious Bias, also unbewusste Wahrnehmungsverzerrungen, die unsere rationalen Entscheidungsprozesse beeinflussen. Caroline spricht über den sogenannten „Anker-Effekt“: Der erste Moment der Erscheinung prägt sich ein – und ist auch nicht so leicht wieder abzulegen.
Im Workshop „Unconscious Bias“ erfahren die Stipendiatinnen, was ein Bias überhaupt ist und welche Strategien es gibt, ihn zu überwinden. Es soll dem Frust begegnet werden, als Frau weniger gesehen zu werden oder im Vergleich zu den männlichen Kollegen unverhältnismäßig viel Lob für die geleistete Arbeit zu bekommen. Gerade in der Gründungswelt gibt es für Frauen immer noch viele Hürden. Der Workshop will Perspektiven aufzeigen, damit sich Frauen nicht ohnmächtig fühlen, sondern sie in „Empowerment bringen“.
Empowerment, das bedeutet für die Stipendiatinnen: Sich über die eigenen Werte im Klaren sein, proaktiv auf die eigene Art handeln und Grenzen setzen.
Der Workshop ist Teil des Mentoring-Programms von EXIST-Women und soll die Frauen bei ihrem Gründungsprozess unterstützen. Die zehn Stipendiatinnen bringen ganz unterschiedliche Voraussetzungen mit: Sie kommen aus naturwissenschaftlich-technischen Berufen, aus den Rechtswissenschaften, wieder andere arbeiten in der Pflege. Ebenso vielfältig sind ihre Gründungsideen: Eine smarte Babywärmelampe, ein Coachingprogramm für neurodivergente Frauen*, eine englisch-spanischsprachige Zeitschrift oder, im Fall von Manuela, ein innovatives Implantationsset für Herzpumpen.

Leonie hat beim Workshop mit Gründerin Manuela über ihre Gründungsidee „HeartGate“ gesprochen.
Hallo Manuela, du bist Stipendiatin des Förderprogramms EXIST-Women, in dem Frauen verschiedener Fachrichtungen dabei unterstützt werden, ein Start-up zu gründen. Wie entstand deine Gründungsidee zu „HeartGeate?
Die Idee zu „HeartGate“ entstand in unserem Team während meiner Forschungsarbeit in der Herzchirurgie im Rahmen meiner Masterarbeit. Ursprünglich sollte ich nur ein halbes Jahr für die Masterarbeit mitarbeiten, aber das Projekt hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich seit Sommer 2023 weiterhin dabei bin und aktiv die Umsetzung des Projekts vorantreibe.
Was ist „HeartGate“, das „Tor zum Herzen“, genau?
Unser Gründungsprojekt „HeartGate“ ist ein spezielles Implantationsset, mit dem Herzpumpen minimalinvasiv am schlagenden Herzen implantiert werden können – und das ganz ohne den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine. Wenn dein Herz zu schwach ist und nicht mehr ausreichend pumpt, wird dein Körper nicht mehr richtig mit Sauerstoff versorgt. Es gibt zwar Medikamente, die wirken oft nur begrenzt.
Wenn alle Therapieoptionen ausgeschöpft sind, wird dir dein Arzt sagen: Du brauchst ein neues Herz. In Deutschland herrscht Organmangel, das heißt, du bist wahrscheinlich auf der Warteliste, Platz 723, und musst lange auf ein neues Herz warten. Herzpumpen sind in solchen Fällen eine wichtige Alternative: Sie werden an der Herzspitze implantiert, saugen das Blut aus der Herzkammer heraus und pumpen es in die Aorta, also in die Hauptschlagader. So unterstützen sie dein krankes, schwaches Herz.
Normalerweise ist für eine solche Operation eine Herz-Lungen-Maschine nötig, die das Blut während der Operation umleitet. Mit „HeartGate“ haben wir eine spezielle Schleuse – das Tor sozusagen – und ein Stanzmesser entwickelt, um die Implantation am schlagenden, blutgefüllten Herz durchführen zu können. Die Idee entstand, weil wir im klinischen Alltag dieses konkrete Problem erkannt haben und gezielt nach einer besseren Lösung gesucht haben. So hat sich Schritt für Schritt „HeartGate“ entwickelt.
Du wirst nun durch das Programm EXIST-Women für die Gründung unterstützt. Wie kam das?
Die Finanzierung für das Forschungsprojekt lief aus und wir haben nach weiteren Fördermöglichkeiten gesucht. Dabei waren wir immer im Austausch mit dem Gründungsbüro Freiburg. Dort wurde ich auf das Programm EXIST-Women aufmerksam gemacht und habe mich direkt darauf beworben.
Wofür nutzt du die finanzielle Unterstützung?
Die finanzielle Unterstützung nutze ich insbesondere für die Teilnahme an Start-up-Events, Wettbewerben und Fachtagungen sowie für die Reisekosten zum Gründerinnen-Seminar des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Dort kann ich mein Netzwerk erweitern, wichtige Kontakte knüpfen und unser Projekt weiter voranbringen.
Für das Stipendium muss man sein Projekt oder Produkt in einer bestimmten Zeit vorstellen, das sogenannte Pitching. Wie lief das ab?
Im Vorfeld habe ich eine Präsentation für den Pitch erstellt, in der ich das Problem, unsere Lösungsidee und die wichtigsten Punkte unseres Projekts zusammengefasst habe. Beim Pitch selbst hatte ich dann drei Minuten Zeit, um die Idee möglichst überzeugend zu präsentieren. Die größte Herausforderung war dabei, alle wichtigen Informationen verständlich und prägnant in nur drei Minuten rüberzubringen. Im Anschluss folgten vier Minuten, in denen die Jury gezielte Fragen gestellt hat.
Fühlst du dich gut unterstützt durch das EXIST-Programm?
Es gefällt mir sehr gut, zum einen ist das Networking toll, man lernt viele andere Frauen mit tollen Projekten kennen, die teilweise ähnliche Herausforderungen beim Gründen haben und kann sich darüber austauschen. Es gibt hilfreiche Workshops, so wie heute und die finanzielle Unterstützung ist auch hilfreich.
Würdest du das Programm anderen Frauen weiterempfehlen?
Auf jeden Fall! Man lernt nie aus und vor allem die Kontakte, die man durch das Programm knüpft, sind sehr wertvoll.
Was bedeutet Female* Empowerment für dich?
Es passiert leider immer noch, dass Frauen in Schubladen gesteckt werden und ihnen bestimmte Fähigkeiten nicht zugetraut werden. Davon sollten wir uns aber nicht unterkriegen lassen. Andererseits möchte ich nicht nur „die Frau für die Quote“ sein, sondern einfach für meine Fähigkeiten und meine Arbeit so geschätzt werden, wie die Männer, mit denen ich zusammenarbeite.

Hallo Frau Lorenzen. Sie sind Projektleiterin des EXIST-Programms. Was ist das Ziel des Programms?
Das Ziel ist zum einen Frauen dafür zu sensibilisieren, dass sie das Thema Gründen in Erwägung ziehen. Der erste Schritt ist nämlich, sich zu überlegen, möchte ich überhaupt ein Start-up gründen. Dafür möchten wir Awareness schaffen. Zum anderen haben wir mit diesem Programm zum ersten Mal die Möglichkeit, finanzielle Mittel und Mentoring-Programme zu stellen.
Bei der Bewerbung muss keine Gründungsidee vorhanden sein, die kann auch im Laufe des Programms entwickelt werden. Wir sind aber sehr überrascht, denn alle 32 Bewerbungen in diesem Jahr hatten bereits eine Idee. Diese Motivation und Ideen möchten wir mit dem Programm fördern.
Was sollten Frauen mitbringen, die sich für das Programm interessieren?
Sie sollten Neugierde mitbringen und die Lust, neue Pfade zu beschreiten. Besonders wir Frauen werden oft dazu gedrängt, bestimmte Wege zu gehen. Zum Beispiel Wege, die in ein festes Angestelltenverhältnis führen. Wir möchten Frauen ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen und eigene Ideen zu entwickeln, kreativ zu werden und sich mit anderen zu vernetzen.
Wie unterstützt EXIST-Women die Frauen dabei?
Es gibt eine finanzielle Unterstützung für drei Monate, die sich nach der Höhe des Abschlussgrades richtet. Wir fördern Frauen von der Studentin bis hin zu einer Frau, die schon im Beruf gestanden hat. Hinzukommt eine Sachmittelpauschale, mit der Geräte oder die Teilnahme an Fachtagungen bezahlt werden können.
Jede Gründerin, die bei uns im Programm ist, bekommt eine Mentorin an die Seite gestellt. Das sind Frauen, die entweder selber schon gegründet haben oder einen Beratungs-Background haben. Es gibt auch fachliche Fortbildungen, wie jetzt im Sommersemester zum Beispiel die Ringvorlesung zum Thema Marketing, Finanzierung und weiteren Gründungsthemen.
Der Unconscious Bias-Workshop richtet sich nur an Frauen, ebenso der Workshop zum Pitchen.
Das Programm richtet sich an Frauen aller Fachrichtungen. Dieses Jahr haben wir es geschafft, in sehr vielen Fakultäten bekannt zu werden und es gab Bewerbungen aus dem naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Bereich. Das empfinde ich als sehr wertvoll.
Das Programm wird auf jeden Fall noch bis 2027 laufen, das heißt, wir gehen im Herbst schon wieder in die Startlöcher für die nächste Bewerbungsrunde. Im nächsten Jahr werden wir hoffentlich auch wieder viele Frauen fördern können.
Es ist sicherlich spannend, Frauen auf diesem Weg zu begleiten.
Ich finde es menschlich sehr spannend, weil jede Frau einzigartig ist. In einem Jahr kann sich bereits so viel verändern und ich finde es ausgezeichnet, wenn ich sehe, wie die Frauen nach vorne gehen und ihre Idee verkaufen. Mich fasziniert diese persönliche Entwicklung, die Menschen vollziehen, wenn sie durch professionelle Kräfte und Netzwerke gefördert werden.
Was bedeutet für dich Female* Empowerment?
Female* Empowerment bedeutet für mich, dass wir als Frauen im beruflichen Leben ernst genommen werden. Wir können unglaublich viel und haben das in der Geschichte auch immer bewiesen. In der Gesellschaft haben wir aber immer noch Defizite, wir sind immer noch nicht da, wo wir Frauen eigentlich sein wollen. Ich freue mich sehr, mit diesem Programm Perspektiven zu eröffnen. Das ist für mich Empowerment, sich auszuprobieren, kreativ zu sein, mit anderen zusammen zu arbeiten – also echt eine richtig tolle Sache!