
Hallo Marlou und Daria, ihr studiert in Freiburg und leitet und organisiert auch Radausfahrten für FLINTA*-Personen hier. Was genau macht ihr dabei?
Marlou: Die Gruppe wurde ursprünglich von drei anderen Personen ins Leben gerufen und wir sind am Anfang nur mitgefahren. Jetzt sind wir mit in die Orga eingestiegen. Das heißt eigentlich nur, dass wir uns überlegen, welche Rides oder Routen Spaß machen könnten. Dabei achten wir darauf, dass sie für Anfänger*innen oder für möglichst viele Skill-Level geeignet sind. Wir schlagen die Routen vor und bieten uns als Tourguides an. Für uns heißt das vor allem zu sagen: „Wir sind da und ihr könnt gerne mitfahren, wenn ihr Zeit habt“.
Wie oft finden die Rides denn statt?
Daria: Aktuell gibt es einen festen Anfänger*innen-Ride in der Woche. Der ist immer mittwochs und geht ungefähr zwei Stunden. Und wir versuchen gerade noch ein paar andere Sachen aufzubauen. Zum Beispiel würden wir gern Gravel-Rides, also Touren im Gelände für Räder mit etwas breitem Profil, anbieten. Da gibt es aber noch keinen festen, regelmäßigen Termin – geplant ist so ein bis zweimal im Monat.
Außerdem bieten wir manchmal Special Rides an. Das sind längere Touren, die zwar auch für Anfänger geeignet sind, aber ein bisschen anspruchsvoller sind – sei es von der Kilometer- oder Höhenmeteranzahl. Da schauen wir jetzt, dass wir das vielleicht einmal im Monat oder alle zwei Monate mal hinkriegen.
Wie sieht der organisatorische Rahmen für die FLINTA*-Rides aus?
Daria: Der FLINTA*-Ride ist eigentlich an die FRGF, also die Feministische Radsportgruppe Freiburg, angebunden. Ein paar von uns aus der Orga-Gruppe sind auch beim FRGF aktiv, aber Malou und ich sind beide nur bei den FLINTA*-Rides. Unser Organisationsaufwand besteht eigentlich nur darin, eine Route rauszusuchen, zum Treffpunkt zu fahren und die Route auf dem Boardcomputer zu haben und vorneweg zu fahren. Beziehungsweise heißt das oft auch eher, den Leuten hinterherzurufen, ob rechts oder links oder geradeaus gefahren wird.
Ihr veranstaltet die Rides ausdrücklich für FLINTA*-Personen. Wofür steht das Akronym FLINTA* und wer ist bei euch alles willkommen?
Daria: FLINTA steht für Female, Lesbians, Inter, Non-binary, Transpersonen und asexuelle Personen und es ist noch ein Sternchen dabei, damit alle Personen, die sich irgendwie da noch zugehörig fühlen, eingeschlossen werden. Bei uns sind alle Leute willkommen, die sich nicht als cis-Männer identifizieren. Es war bisher auch nie so, dass eine explizite Anfrage kam, ob eine Person mitfahren darf. Die Leute kommen einfach in die Gruppe rein, wenn sie sich von dem Akronym angesprochen fühlen. Und ich glaube, wenn man sich angesprochen fühlt, dann passt man auch einfach in unsere Gruppe.
Warum richtet sich euer Angebot besonders an FLINTA*-Personen?
Marlou: Wir finden die Idee von einem expliziten Safe-Space wichtig. Ich persönlich denke, dass Radsport einfach ein typisch Männer-dominiertes Feld ist. Das ist nicht per se was Schlechtes. Aber ich merke selbst, dass ich nicht ganz so schnell fahre wie Männer. Und deshalb fühle ich mich in einem Rahmen wohler, in dem explizit alle, die respektvoll mit anderen umgehen, willkommen sind.
Neben dem FLINTA*-Safe-Space ist mir persönlich auch wichtig zu schauen, dass auch die langsamste Person gut mitkommt und sich wohlfühlt. Und ja, ich finde, das ist in unserer Gruppe explizit gegeben.
Inwiefern haben eure Radausfahrten etwas mit Female* Empowerment zu tun?
Marlou: Radfahren war lange Männer-dominiert. Bis in die Sechziger war es in Deutschland für Frauen verboten, an offiziellen Radrennen teilzunehmen. In Österreich war das sogar bis in die 90er Jahre so. Ich finde, damit ist eigentlich jede weiblich gelesene Person auf dem Fahrrad ein bisschen ein Zeichen von: „Wir sind hier, wir bewegen uns, wir haben Spaß und wir nehmen den Platz für uns ein“. Es gibt einfach Kraft und ein Verbundenheitsgefühl, Sport in der Gruppe zu machen und dadurch eine größere Bewegungsfreiheit.
Daria: Auch was Körperbilder angeht empowert mich das voll, weil man ganz unterschiedliche Körper bei den FLINTA*-Rides auf dem Rad sieht. Es ist für mich richtig schön zu sehen, dass das alles sportliche Menschen sind. Sportlich sind halt nicht nur diese typischen klassischen cis-Männer mit durchtrainierten Waden und definierten Oberschenkeln, sondern alle Menschen auf dem Rad.
Wie für Marlou ist die Radsportgruppe für mich auch ein Safe Space. Ich merke meinen Zyklus beim Fahrradfahren extrem und ich finde es so gut zu wissen, dass ich jederzeit sagen kann: „Hey, ich habe gerade meine Menstruation. Ich kann nicht so schnell.“
Ich weiß, dass ich mich in einer cis-Männer dominierten Gruppe nicht so fühlen würde, weil ich mich dann direkt als das schwächste Glied sehen würde. Mein Gefühl zu unserem Mindset ist, dass alle sich gegenseitig supporten, egal welches Level man hat und wie viel man kann. Dadurch fühle ich mich empowert. Und ich hoffe, dass es den anderen Personen beim FLINTA*-Ride genauso geht – dass sie sich empowert fühlen, sie selbst zu sein.
Welche Rückmeldungen habt ihr bisher zu euren Angeboten bekommen?
Daria: Ich habe bisher nur positive Rückmeldungen bekommen. Entweder, dass die Leute explizit die Runde toll fanden, die wir gefahren sind, oder ganz häufig melden mir auch Leute zurück, dass sie es total toll finden, eine FLINTA*-Gruppe auf dem Rad zu sehen. Sie sagen zum Beispiel, dass sie immer lächeln müssen, wenn sie viele weiblich gelesene Personen auf dem Rad sehen und es toll fanden, selbst Teil von so einer Gruppe zu sein.
Außerdem wurde mir zurückgemeldet, dass die Leute sich gemeinsam wohler auf der Straße fühlen. Ich habe von ein paar Menschen gehört, dass sie sich allein manche Sachen nicht trauen würden – sei das vom Anspruch her oder überhaupt auf einer schnellen Autostraße zu fahren. Viele sagen, dass sie sich in der Gruppe wohlfühlen, weil sie ein Teil von etwas sind und sich dann eher trauen, ihren Platz einzunehmen, der ihnen zusteht.
Marlou: Da schließe ich mich an. Und für manche ist die Motivation auch einfach zu wissen; da ist schon eine Route rausgesucht, ich kann einfach kommen und da sind dann schon ein paar andere Menschen. Das reicht vielen schon.
Wenn man Lust hat, bei euch mal mitzufahren, wie kann man das tun?
Marlou: Es geht ganz leicht. Man kann unsere FLINTA*-Radgruppe am besten über die Veranstaltungsseite Tacker finden und dann zum Beispiel der Signal-Gruppe beitreten. Dort schicken wir dann wöchentlich rein, wann wir uns treffen. Meistens ist es Mittwoch um 18 Uhr am BIOSK in der Schwarzwaldstraße.
Man kann mit einem sportlichen Rad, das heißt Rennrad oder Gravelbike, einfach vorbeikommen. Und sonst heißt es nur: Helm mitbringen, Lichter mitbringen, Müsli-Riegel dabeihaben und dann Spaß haben.
Was würdet ihr euch für weiblich gelesene Personen im Radsport für die Zukunft wünschen?
Daria: Ich habe letztens eine Rad-Doku über eine ganz kleine Gruppe an Frauen gesehen, die die Tour de France-Etappen einen Tag vor der eigentlichen Tour de France schon einmal fahren. Das sind alles keine Profi-Radfahrer*innen, sondern sie wollen zeigen, dass auch Frauen, die nicht auf Profi-Niveau fahren, diese Tour de France-Etappen auch schaffen können.
Ich fände es wichtig, dass es nicht extra die Tour de Femme gibt, sondern dass es die Tour de France einfach für Männer und Frauen gibt. Das sollte angepasst werden und nicht gesagt werden, Frauen schaffen die Etappen nicht, weil sie zu viele Kilometer und Höhenmeter haben. Auch wenn ich nie auf dieses Profi-Niveau kommen werde, fände ich das trotzdem total schön.
Mir würde es einfach viel geben, wenn man sieht: Ich kann das theoretisch auch schaffen, die sind genau wie ich und es gibt keinen Unterschied zwischen Männern und FLINTA*-Personen
Marlou: Ich hoffe auch, dass es immer mehr Gruppen gibt, die offener sind. Oder am besten wäre, wenn es eines Tages so weit kommt, dass man Gruppen wie unsere gar nicht mehr braucht, weil alle Radgruppen für jeden genug Safe-Space sind.
Ich wünsche jeder FLINTA*-Person, dass sie den Mut findet, das Radfahren oder auch andere Hobbys auszuprobieren – auch wenn das vielleicht etwas ist, wo man sich nicht klassisch repräsentiert fühlt. Es ist schön, wenn Menschen trotzdem schauen, ob es nicht doch etwas für einen selbst ist und dann da sich und ihren Spaß finden.