Hallo, Felix! Du studierst an der Uni BWL und Public & Non-Profit Management und bist Segelflieger. Wie bist du denn zu einem so exotischen Hobby wie dem Segelfliegen gekommen?

Ich habe früher über eine Ferienfreizeit mit Modellfliegen angefangen. Da die auch in Kirchzarten am gleichen Flugplatz sind wie die Segelflieger, bin ich dann irgendwann übergewechselt. Ich habe daran Spaß gefunden und bin dabei geblieben.

Am 29. Mai 2021 bist du vom Flugplatz Freiburg gestartet und hast eine Strecke von etwa 980 Kilometern zurückgelegt, der drittlängste Flug vom Flugplatz Freiburg aus. Wie ist es dazu gekommen?

Wir wollten an diesem Tag eine große Strecke fliegen, das war klar. Wir – das waren ich und Sven Lissel, mein Kollege, der an diesem Tag ebenfalls in einem zweiten Segelflugzeug die Strecke geflogen ist. Das Wetter war sehr gut vorhergesagt. Allerdings sah es, als ich morgens aus dem Fenster geschaut habe, nicht gut aus. Sehr viele Wolken am Himmel, sehr viel Abdeckung. Weil der Wetterbericht aber weiterhin gutes Wetter vorhersagte, sind wir trotzdem sehr früh zum Flugplatz gefahren. Die Bedingungen waren dann aber erst kurz nach 10 Uhr so, dass wir starten konnten.

An diesem Tag bin ich dann 980 Kilometer in nicht ganz 11 Stunden geflogen und Sven legte sogar 1.000 Kilometer zurück. Das Ziel waren 800 Kilometer. 900, dachte ich mir, wären sehr schön, weil ich das davor noch nie geflogen bin. Und 1.000 – natürlich habe ich damit geliebäugelt, aber tatsächlich nicht daran geglaubt.

Wir sind dann ein Dreieck geflogen, in Richtung Bayern. Wir haben bei Eichstett, südlich von Ingolstadt, gewendet. Sind dann über den Odenwald zurück in Richtung des Frankfurter Luftraums, haben bei Bensheim gewendet und sind dann wieder hierher zurück. Das waren dann gute 700 Kilometer. Und dann dachten wir: Wir verlängern nochmal, versuchen so weit zu kommen wie es noch thermisch geht. Und das ging an diesem Tag sehr, sehr lange, sodass wir bis um kurz nach 21 Uhr fliegen konnten.

Was heißt das genau: „thermisch“?

Thermik ist warme Luft. Luftpakete erwärmen sich am Boden und sind dadurch leichter als die umgebende Luft. Daher dehnen sie sich aus, steigen auf und kühlen sich dabei langsam ab. So lange bis die Luft die Umgebungstemperatur hat. Dann kondensiert sie aus, wird immer kälter. Der Wassergehalt bleibt aber konstant.

Dadurch bilden sich irgendwann Tröpfchen und dann entsteht die Wolke. Unter den Wolken, den Schönwetter- oder auch Cumulus-Wolken genannt, ist meistens die beste Thermik zu erwarten. In der Thermik hat man dann diese aufsteigende Luft.

Die Taktik beim Streckenfliegen ist: Man steigt unter den Wolken hoch, indem man langsam kreist. Oben nimmt man dann die gewonnene Höhe und gleitet dann langsam ab bis zum nächsten Aufwind, kreist da wieder hoch und so weiter. Bis man sein Ziel erreicht hat, dann kann man landen.

Wie hält man denn so lange Zeit in einem Segelflugzeug aus?

Es ist schon relativ eng. Man sitzt aber ziemlich bequem in den modernen Flugzeugen, ein bisschen badewannenartig. Man kann sich nicht großartig bewegen, aber das braucht man auch nicht, da die Position relativ ergonomisch ist. Das ist auch für lange Flüge kein Problem. Alles andere funktioniert auch, dafür hat man Lösungen. Auch für das kleine Geschäft, das dann irgendwann in elf Stunden schon mal nötig ist.

Zu essen gibt es ab und zu einen Müsliriegel oder Brot. Wichtig ist viel zu trinken. Wenn man da oben in der Sonne ist, kann es sehr warm werden. Dehydrieren ist gefährlich, weil die Konzentration und die Leistungsfähigkeit nachlassen. Deswegen ist es wichtig, wenn man einen langen Flug plant, genug zu Essen und zu Trinken mitzunehmen, damit man versorgt ist.

Was ist die größte Schwierigkeit, wenn man so lange unterwegs ist?

Für mich ist die größte Schwierigkeit bei längeren Flügen hauptsächlich die, konzentriert zu bleiben. Irgendwann habe ich immer ein Mittagsloch, gegen zwei oder drei Uhr. Man merkt dann, dass man flugtaktisch nicht mehr die allerbesten Entscheidungen trifft. Also zum Beispiel schwächeres Steigen, was dann Zeit kostet. Oder man fliegt nicht ordentlich in der aufsteigenden Luft oder wählt einen falschen Flugweg. Deshalb finde ich, dass die größte Schwierigkeit wirklich ist, durchgängig konzentriert zu sein und nicht allzu viele Fehler zu machen. Der ein oder andere kleine taktische Fehler passiert immer.

Wie bereitet man sich denn auf so einen langen Flug vor?

Beim Segelfliegen ist das Wetter ganz wichtig. So ist das beim Fliegen generell, beim Segelfliegen nochmal mehr. Man muss ja schauen, dass man Thermik hat, um fliegen zu können. Dafür gibt es dann auf Segelflug spezialisierte Flugwetterdienste. Wenn ein Tag dann sehr gut werden soll, dann behält man den im Auge.

Man entscheidet ein bis zwei Tage vor dem Flugtag ob man fliegt und grob die Richtung. Ich mache keinen genauen Plan vor dem Start, sondern teilweise erst in der Luft nach der Optik.

Weil man aber auch bestimmte Sachen checken muss, braucht man vor dem Flug zumindest einen groben Plan. Zum Beispiel ob Flugverbotszonen aktiv sind an dem Tag und so weiter. Und man muss auch in der Luft schauen, ob man durch die Lufträume, die man durchfliegt, durch darf. Wenn es welche mit Begrenzung sind, muss man sich unter Umständen Freigaben holen.

Wie geht es denn jetzt weiter, steht der nächste Rekordversuch schon an?

Also ein Rekordversuch an sich würde ich das vielleicht nicht nennen … Die Weltrekorde sind so hoch, da komm ich natürlich nicht dran. Meine Ambition ist aber das Streckenfliegen. Man möchte sich immer steigern, den persönlichen Rekord neu setzen.

Der Flug im Mai war für mich definitiv ein persönlicher Rekord, es war ja auch der drittlängste Flug vom Flugplatz Freiburg aus in Kilometern. Der nächste Plan wäre dann natürlich irgendwann die 1.000 zu versuchen. Allerdings kann man da nicht sagen: Ich probier‘ das nächstes Wochenende. Dafür muss das Wetter passen und man muss das richtige Flugzeug haben.

Was gefällt dir am besten am Segelfliegen?

Am besten gefällt mir, dass man mit Kraft der Sonne und der Natur so lange fliegen und so weite Strecken zurücklegen kann. Und das mit einem Flugzeug, das dann doch gerne mal eine halbe Tonne wiegt. Man kann auch mit schnellen Geschwindigkeiten steigen und das alles nur mithilfe der Sonne und der Thermik, der Energie. Man muss nur für den Start von außen Energie hinzuführen und kann dann zehn Stunden, teilweise, ohne weitere fossile Brennstoffe oder Elektro und so weiter, einfach fliegen. Und das finde ich sehr faszinierend. Und es macht auch sehr viel Spaß.

Wie fängt man mit dem Hobby-Segelfliegen an?  

Zunächst muss man den Flugschein machen. Den kann man im Verein machen, zum Beispiel bei uns im Breisgauverein für Segelflug oder auch bei der Akaflieg. Da kann man ab 14 Jahren anfangen mit dem Segelfliegen. Ans Streckenfliegen tastet man sich so langsam heran. Am Anfang sind drei oder vier Stunden Flug schon anstrengend. Wenn man das ein paar Mal gemacht hat, wird das Fliegen immer entspannter.

Dann fängt man an mit 200 Kilometern, dann 300 und irgendwann mal 500 und so weiter. Man kann sich immer weiter steigern.

Ist das denn deiner Meinung nach ein Hobby, das du Studierenden empfehlen würdest?

Fliegen ist relativ zeitintensiv aber Studierende – sagt man ja immer – haben viel Zeit. Ob das jetzt stimmt oder nicht muss ja jeder für sich wissen … (lacht)

Aber grundsätzlich: Segelfliegen ist nicht teuer! Das Teure am Fliegen ist immer der Motor und den haben wir im Segelflugzeug nicht oder eben nur beim Start. Dadurch ist Segelfliegen vergleichsweise günstig.

An wen kann man sich wenden, wenn man Interesse hat?

Wir haben zum Beispiel bei uns im Verein jedes Jahr einen Hochschulsport-Event. Dieser findet dieses Jahr auch wieder in der letzten Augustwoche statt. Wir ermöglichen damit Studierenden und Angehörigen der Universität eine Woche lang reinzuschnuppern.

Man kommt dann morgens auf den Flugplatz und weiß vielleicht noch nicht mal wie ein Flugzeug aussieht und dann kann man auch schon gleich fliegen. Der Tag ist dieses Jahr allerdings schon ausgebucht. Nächstes Jahr soll er aber wieder stattfinden. Wem das Fliegen gefällt, der kann bei uns in den Verein eintreten und die Ausbildung zum Segelflugpiloten fortsetzen.

Allgemein kann man sich an den Akaflieg oder den Breisgauverein für Segelflug wenden. Die Akaflieg fliegt hauptsächlich hier in Freiburg. Wir, der Breisgauverein, fliegen fast ausschließlich in Kirchzarten. Zu den Vereinen kann man gerne Kontakt aufnehmen und wenn man Fragen hat – fragen!

Für uniCROSS hat sich Cosima im Segelflugzeug hoch hinaus gewagt. Von ihrem Flug hat sie einen Film und eine Reportage mitgebracht.

„Kannst auch gerne mal mit zum Fliegen kommen, wenn du Lust hast.“ Mit diesen Worten verabschiedet sich Felix nach unserem Interview von mir. Nach wochenlangem Warten und Bangen können wir endlich einen Tag anvisieren, der wettertechnisch passt. Noch am Morgen selbst die endgültige Bestätigung: Trotz Bewölkung wird heute geflogen! Ich mache mich auf den Weg nach Kirchzarten, versuche noch meine Eltern anzurufen, um ihnen von meiner unnötigen Risikofreudigkeit zu erzählen, aber niemand geht ran – wahrscheinlich besser so.

Ein mulmiges Gefühl überkommt mich jedoch erst, als ich mich dem Flugplatz nähere: Ich kriege gerade noch mit, wie ein Segelflugzeug mit enormer Geschwindigkeit scheinbar senkrecht in die Höhe geschleudert wird. Davon hat mir Felix bereits erzählt. Beim sogenannten Windenstart hängt man das Flugzeug an ein langes Kabel, welches sich dann schnell aufrollt und das Flugzeug mit einer Geschwindigkeit von circa 100 km/h in die Höhe von etwa 400 Meter befördert, wo es sich dann ausklinkt. Keine Rückzieher!

Ich schiebe mein Fahrrad auf den recht improvisiert wirkenden Tower auf dem begrasten Feld, welches wohl als Flugplatz dient, zu. Ich werde warmherzig von Felix und etwa vier weiteren Vereinsmitgliedern begrüßt, die mich einladen, mich zu ihnen auf ein paar Campingstühle zu setzen. Das Gespräch dreht sich schnell wieder um das Fliegen und vor allem um die heutigen Bedingungen: Die sind nicht berauschend, mir werden leichte Turbulenzen prophezeit. Ich mustere skeptisch den Flieger, der vor uns über den bewaldeten Hügeln kreist, mit dem Wissen, dass ich bald schon darin sitzen werde.

Mit Spucktüte in die Luft

Dann geht alles auch schon viel schneller als gedacht, der Flieger landet und wird vom 15-jährigen Ben in einer zerbeulten, orangenen Karre wieder an den Start gezogen. Wir sind dran! Wir laufen auf das Segelflugzeug zu, das mit dem Bauch auf dem Gras ruht. Lange Flügel, aber eine schmale, außerirdisch wirkende Kabine, in die Felix und ich uns setzen werden. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich diese klobige Konstruktion gleich ganz ohne Motor in die Lüfte erheben soll.

Selbstverständlich wird Felix das Steuern übernehmen, meine Hauptaufgabe wird sein, mich nicht zu übergeben. Davor warnen mich nämlich alle grinsend, als sie hören dass ich noch nie geflogen bin. Eine Spucktüte bekomme ich in die Hand gedrückt und mir wird versichert, dass es ganz normal sei, auch erfahrenen Fliegern passiere das hin und wieder. Dann wird mir noch ein Fallschirm aufgeschnallt, falls wir „aussteigen“ müssen, wie es Felix formuliert.

So sitze ich also festgeschnallt in meinen Fallschirm und meinem Sitz, in dieser kleinen Schale, und gehe fieberhaft die beiden Handgriffe durch, die mir einzig und allein im Falle eines Falles das Leben retten sollen. Rechte Hand öffnet den Sitzgurt und dann mit einem kräftigen Ruck den Fallschirm, richtig üben kann ich das natürlich nicht. Ermunternde letzte Worte von den anderen: „Runter kommt man immer.“ Dann klappt auch schon das Plexiglasdach der Kabine über unseren Köpfen zu. Hab ich mir das alles richtig überlegt? Felix sagt mir, er habe schon etwa fünfhundert Starts hinter sich. Wird schon schiefgehen, denke ich.

Schon werden wir quer über den Flugplatz gezogen, steigen auf. Ich werde in meinen Sitz gedrückt, denke an die Worte, mit denen ich von meinen uniCROSS-Tutor*innen hierher geschickt wurde – „Einfach die Augen aufsperren und aufmerksam sein“ – und kneife meine Augen zu. „Sind wir schon ausgeklinkt?“, frage ich. „Noch nicht“, antwortet Felix und plötzlich geht ein großer Ruck durch das nun plötzlich doch sehr fragil wirkende Flugzeug. Jetzt! Erleichtertes Lachen.

Wir beginnen über den Baumwipfeln zu kreisen, immer rechtsrum, die Flügel – gefühlt – senkrecht zum Boden. Langsam gewinnen wir an Höhe. Felix grummelt über die nicht ideale Thermik, während ich Kühe beobachte, Fotos knipse und versuche meinen Atem zu beruhigen. Laut ist es in so einer Kabine, der Wind rauscht, irgendein Messinstrument summt in leicht alarmierendem Ton.

Zwischen Todesangst und Glückseligkeit

Felix erklärt mir interessante Dinge über das Fliegen und die Berge, die leider etwas untergehen, da mir bei jedem Wackler noch das Herz in die Hose rutscht. Die Aussicht ist unglaublich. Der Himmel ist immer noch bedeckt, die Sicht also nicht sehr weit. Aber rund um uns die Berge, unter uns der düstere Schwarzwald. Die Spaziergänger auf den Waldwegen, die mit beiden Füßen fest am Boden stehen. Autos, die sich träge durch Straßen schieben. Die Stadt, die uns zu Füßen liegt. Ich kann nicht glauben, dass wir, inzwischen in 600 Meter Höhe über dem Boden, ganz ohne Motor, nur durch die Geschwindigkeit und die warme Luft fliegen.

Wir kreisen und kreisen, es wäre gelogen zu sagen, dass mir nicht etwas schlecht ist. „5 auf einer Skala von 1-10“ gebe ich lachend zu, als Felix nachfragt. Unterhalten können wir uns trotzdem, ich bin aber ganz froh, dass er meinen zwar begeisterten, aber eventuell leicht verängstigten Gesichtsausdruck nicht sehen kann. 26 Minuten zwischen Todesangst und Glückseligkeit verbringen wir dort oben – und ich bin ganz froh, dass er sich nicht spontan entscheidet, doch noch schnell seinen Streckenflugrekord knacken zu wollen.

Meine Nervosität legt sich nicht ganz, dafür sorgt auch Felix, der mich, als wir langsam wieder auf den Flugplatz zusteuern, beiläufig fragt: „Bist du noch gut angeschnallt?“ „Ähm, ja, also ich denke schon.“ Wumms, sacken wir ab und sind ein paar Sekunden schwerelos, nicht mal kreischen kann ich. Mein ganzer Körper kribbelt, so wach war ich sicher noch nie. Das Gute ist, dass mir in diesem Fight or Flight Modus – wohl eher Flight – kurz die Übelkeit vergeht. Möglichst cool frage ich: „Wieviel sind wir gerade jetzt so abgesackt?“ „Ach, nicht so viel“, kommt die Antwort, „nur 20-30 Meter.“ Ach so, nur.

Mit gesenkter Nase nähern wir uns der Landefläche und ich bete, dass er das nicht nochmal macht, die Finger fest in meinen Spuckbeutel gekrallt. Außerdem versuche ich, nicht daran zu denken, wie wir ohne Motor und sogar ohne Räder nicht am Boden zerschellen werden. Tatsächlich ist die Landung jedoch recht sanft.

Und plötzlich ist da wieder Boden. Die Kabine klappt auf. Noch nicht ganz sicher, ob ich meinen Beinen vertrauen kann, hieve ich mich aus dem Flugzeug und deklamiere triumphierend: „Ich hab‘ nicht gekotzt!“