Wie lebt es sich in einem Klimacamp? Das wollen Clara und Johanna herausfinden. Was sie erlebt haben, ihre Eindrücke sowie Gespräche mit Aktivist*innen, haben sie für uniCROSS festgehalten.

Tag 1: Donnerstag 

18:30 Uhr

Auf dem Freiburger Rathausplatz ist einiges los. Tourist*innen schwirren umher, manche essen Eis, Menschen lachen, jemand spielt Klavier. Inmitten des Trubels stehen Zelte und Pavillons, in den Bäumen hängen Banner mit der Aufschrift „Klimacamp Freiburg“. Im Camp sitzen Menschen im Kreis bei einem Plenum zusammen, andere hängen Plakate auf und verteilen am Infostand Flyer.

Heute Abend soll es eine Podiumsdiskussion geben. Mit drei Vertreter*innen des Freiburger Gemeinderates wollen die Aktivist*innen über ihre Forderungen diskutieren. Schon seit Beginn des Camps veranstalten die Aktivist*innen hier Gesprächsrunden, Workshops und Aktionen, an denen alle Interessierten teilnehmen können. Wir sind neugierig was uns hier erwartet.

Das Klimacamp, dass seit dem 2.7.2022 besteht, sei bis 2035, also für die kommenden 13 Jahre, angemeldet, erzählt und Phillip, einer der Aktivist*innen. Bis dahin soll laut Bundesregierung Deutschland klimaneutral sein und das 1,5 Grad Ziel erreicht werden. Organisiert haben das Camp mehrere Klimabündnisse wie die Students, Fridays- und die Parents for future sowie die Omas gegen Rechts und einige mehr.

„Für eine sozial-ökologische Transformation“ steht auf dem Flyer, den wir von Phillip in die Hand gedrückt bekommen. Die darauf abgedruckten Forderungen betreffen mehrere politische Ebenen. Die konkreten Forderungen an die Stadt Freiburg sind der Ausruf des sozial-ökologischen Notstandes, die sofortige Solaroffensive, der Baustopp des geplanten Stadttunnels und der Abbau von öffentlichen Parkplätzen.

19:00 Uhr

Obwohl es schon früher Abend ist, liegt eine drückende Hitze über dem Platz. Angesichts dieser Temperaturen und der Nachrichten über Waldbrände und Hitzerekorde der letzten Tage wirkt es fast ironisch, dass überhaupt noch über den Handlungsbedarf in der Klimakrise diskutiert werden muss.

Die Podiumsdiskussion beginnt pünktlich. Die drei Vertreter*innen des Gemeinderates kommen aus unterschiedlichen politischen Lagern, sind sich aber dennoch einig, dass man gegen den Klimawandel etwas unternehmen müsse. Der Abgeordnete der CDU erklärt allerdings, dass eine Reduktion des Individualverkehrs schwer durchzusetzen sei. Das altbekannte Argument des Verlusts von Arbeitsplätzen löst Unmut bei den Aktivist*innen aus. Würde man anstelle der Autoindustrie nachhaltige Technologien mehr unterstützen, würden dort auch neue Arbeitsplätze geschaffen, sagt Leonie aus dem Camp.

Außerdem diskutieren die Teilnehmenden darüber, ob der sozial-ökologische Notstand für die Stadt Freiburg ausgerufen werden soll und welche Konsequenzen das hätte. Die Mitglieder des Gemeinderats sind der Ansicht, dass die Stadt im Klimaschutz schon viel weiter sei und daher dieses Symbol nicht mehr notwendig wäre. Die Aktivist*innen wiederum sind der Ansicht, dass es gerade in einer Krise notwendig sei, so eine einfache Forderung umzusetzen, um der Bevölkerung zu kommunizieren, wie ernst die Lage ist.

Alles in allem herrscht eine entspannte Diskussions-Atmosphäre, die Teilnehmenden hören sich gegenseitig zu. Trotzdem bleibt das Unverständnis auf Seite der Aktivist*innen bestehen, wie wenig ernst die akute Lage genommen werde.

Tag 2: Freitag

Heute Nacht werden wir im Camp übernachten. Zuvor bekommen wir eine kurze Einweisung: Da das Klimacamp als Versammlung angemeldet worden sei, müssen immer mindestens zwei Personen anwesend sein, erklärt uns Aktivistin Meret. Ansonsten gelte die Versammlung als aufgehoben und das Camp wäre aufgelöst.

Damit das nicht passiert gibt es einen online Schichtplan, auf den jede*r zugreifen und sich eintragen kann. „Allerdings ist es gerade in der vorlesungsfreien Zeit eine große Herausforderung genug Menschen zu finden”, sagt Meret.

Auch wir haben uns in den Plan eingetragen. Uns interessiert während der Schicht besonders wie das Camp von den vorbeilaufenden Menschen aufgenommen wird.

19:00 Uhr

Unsere Schicht beginnt. Wir stehen am Informationsstand des Klimacamps mit Blick auf das alte Rathaus. Auf dem Tisch vor uns reihen sich zahlreiche Flyer in allen Farben aneinander, Plakate kündigen Veranstaltungen wie zum Beispiel eine anstehende Fahrraddemo an, bunte Sticker liegen bereit und ein Pappkarton verkündet: „We speak english“.

Wir machen es uns auf dem Sofa hinter dem Infotisch gemütlich und beobachten erst einmal, wer hier so stehen bleibt. Träge vom heißen Tag schlendern viele Passant*innen vorbei und lesen aus der Ferne die Aufschriften der Plakate. Der prominente Platz des Camps erregt Aufmerksamkeit, soviel ist sicher. Einige schütteln den Kopf und gehen weiter, andere bleiben stehen.

„Möchten Sie einen Flyer mit den Forderungen haben?“, fragen wir dann. So kommen wir ins Gespräch. Viele finden die Aktion spannend und wollen Genaueres über die Forderungen wissen. Sogar Menschen aus dem ehemaligen Klimacamp in Nürnberg statten uns einen Besuch ab. Über 600 Tage hätten sie durchgehalten erzählen sie und fragen, wie lange das Camp in Freiburg schon existiere. Einige Wochen, antworten wir, eingeschüchtert von diesem großen Erfahrungsschatz.

Ein siebenjähriger Junge zischt mit seinem Cityroller vorbei, hält an, und kommt zurück. Was wir hier machen, will er wissen. Das sei ein Klimacamp. Ah, das kenne er bereits. Klima hatten sie schon in der Schule. Dann flitzt er weiter.

Auch Inhaber*innen der umliegenden Geschäfte kommen vorbei und drücken auf ihre Art ihre Solidarität aus. Einige bieten an, in ihren Läden Plakate aufzuhängen und lassen eine Geldspende da. Später am Abend werden wir sogar noch mit frischen Falafeln und Salat versorgt, die dem Camp von einem Imbiss gespendet werden.

Satt gegessen, die letzten Sonnenstrahlen im Gesicht beschließen wir, es für den Tag mit dem Infostand genug sein zu lassen und machen es uns im Camp mit den Anderen bequem.

Das Camp-Wohnzimmer besteht aus einem unter zwei Bäumen aufgestellten alten Holztisch, einigen Stühlen, und einer zwischen zwei Bäumen aufgespannten Hängematte. Ein geschenktes, in die Jahre gekommenes Klavier vervollständigt die wohnliche Atmosphäre.

Heute Abend besteht die Gruppe mit uns aus acht Menschen. Alle studieren, engagieren sich aber unterschiedlich lange und unterschiedlich intensiv im Camp.

Vertreter*innen des Gemeinderats und Aktivist*innen diskutieren im Rahmen einer Podiumsdiskussion über die Forderungen des Camps.
Infotafel über den Earth Overshoot Day, also dem Tag im Jahr, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen, die der Planet innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellt, aufgebraucht hat.
Das Klimacamp bei Nacht
Frühstück im Camp
Das Aufbewahrungszelt mit Solar Panels. Das Camp besitzt zwei Solar Panels und einen Solarkocher um eigenen Strom erzeugen zu können.
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23:00 Uhr

Bevor wir schlafen gehen, wollen wir die Zähne putzen. Das machen wir in den Toilettenräumen der UB, die hat glücklicherweise im Gegensatz zu allen anderen öffentlichen Toiletten noch bis Mitternacht offen. Dafür ernten wir gerne den ein oder anderen belustigten Blick von fleißigen Mitstudierenden, die zu dieser Zeit noch hier sind.

Zurück im Klimacamp stellen wir fest, dass auch jetzt noch Interessierte vorbeikommen. Zwei Frauen schieben ihre Räder mitten durch das von Straßenlaternen beleuchtete Wohnzimmer.

Die beiden Frauen halten an, schauen sich um und merken an, wie beeindruckend es sei, dass die Stimmung hier so friedlich sei. Ein Aktivist bestätigt das. Jede Form von Gewalt werde abgelehnt. „Es geht darum einen Ort des Dialogs zu schaffen, nicht darum abzuschrecken“, sagt er. Die Reaktionen auf das Camp seien überwiegend positiv. Die ein oder andere Ausnahme ließe sich meistens schnell regeln. Nicht nur jede Form von Gewalt lehnen die Aktivist*innen ab, sondern auch jeglicher Konsum von Drogen, wozu auch Alkohol gehört. Das würde gegen die Versammlungsauflagen verstoßen. Also kein Feierabendbier hier im Klimacamp.

0:30 Uhr

Wir richten unseren Schlafplatz ein. Das Camp besitzt zwei gut ausgestattete Zelte, in einem dürfen wir schlafen- sogar auf einer Matratze. In dieser Nacht übernachten mit uns sieben Menschen im Camp. In unserem Zelt sind wir zu dritt. Max wollte sich eigentlich nur Freiburg anschauen, ist dabei zufällig auf das Camp gestoßen – und gleich mal für ein paar Nächte geblieben. Im Camp sind alle Menschen willkommen, die sich mit den Zielen des Camps identifizieren können.

Wir versuchen zu schlafen. Das ist jedoch schwieriger als gedacht, denn das Camp steht genau neben einer Kirche und die Glocken läuten zuverlässig im Viertelstunden-Takt. Auch sonst ist es laut in der Stadt. Wir hören Flaschen klirren, Geschrei und Partymusik.

Irgendwann schlafen wir trotzdem ein. Unterschwellig bleibt aber ein mulmiges Gefühl, denn wir haben gehört, dass das Klimacamp in Oldenburg erst vor einigen Tagen in der Nacht mit Feuerwerkskörpern angegriffen wurde. Meret bestätigt das. „Aber dadurch, dass wir immer mindestens zu zweit sind, haben wir keine Angst. Bis jetzt ist nichts passiert und wir hoffen, dass das auch so bleibt.“

Tag 3: Samstag

Am Morgen werden wir durch die Geräusche der Straßenreinigung geweckt, die ersten Cafés stellen klappernd ihre Tische auf und ein neuer Tag im Klimacamp beginnt. Erste Mission: Kaffee suchen.

9:00 Uhr

Schon steht der erste Besuch des Tages im Camp. Zwei Aktivist*innen aus Berlin, welche die Fridays for future-Demonstrationen mitorganisieren, bringen uns Müsli und Obst zum Frühstück vorbei. Auch hier wird deutlich, wie vernetzt die Klimagerechtigkeitsbewegung ist und das Camp für Aktivist*innen Anlaufstelle und Austauschort ist.

Wir bieten ihnen Kaffee an, bevor wir überhaupt wissen, wie wir den kochen können. Zwar sind die Kisten im Materialzelt alle fein säuberlich beschriftet und wir finden sowohl eine French Press als auch Kaffeepulver, aber zum Wasserkochen brauchen wir Strom. Wir tragen den in der Nacht von uns im Zelt behüteten Akku wieder raus auf den Platz und schließen ihn an die beiden rechteckigen Solarpanels an.

Während wir Kaffee kochen, machen andere einen Obstsalat. Das meiste Essen stammt von Spenden oder wurde von Foodsharing gerettet, erzählt uns Mathias. „Häufig fragen uns Menschen wie sie uns unterstützen können und Essen ist immer willkommen. Manche Dinge werden von uns aber auch gekauft, wie beispielsweise Hafermilch oder Haferflocken.“

Wir sitzen mit den Aktivist*innen am Frühstückstisch, trinken Kaffee und schauen zu, wie gegenüber am Rathaus eine Hochzeit stattfindet. Ein Junggesellenabschied unterbricht die idyllische Szene mit Ballermann-Musik. Dann ist schon die nächste Hochzeit an der Reihe. Es gibt immer viel zu gucken, hier im Camp.

10:00 Uhr

Lucas ist Pressesprecher des Camps und erzählt wie wichtig Sponsoren für das Klimacamp seien. So seien die Zelte von einem großzügigen Sponsor „mit Gewissen und Geld“ finanziert worden. Auch der Akku, welcher benötigt wird um das Klimacamp autark mit Solarstrom zu versorgen, kostet eine Menge Geld und ist deswegen nur geliehen. „Da wir ihn bald zurückgeben müssen, sammeln wir weiter Spenden um einen eigenen kaufen zu können“, sagt Lucas.

12:00 Uhr

Müde machen wir uns auf den Weg nach Hause. Was wir mitnehmen? Es war spannend das Leben im Camp mitzuerleben und die Reaktionen der Bürger*innen zu erfahren.

Das frisch gegründete Klimacamp in Freiburg ist eines von zwanzig weiteren Camps in Deutschland. Einige davon existieren noch, wie zum Beispiel das allererste Klimacamp in Augsburg, andere wurden aufgelöst. Auch auf das Klimacamp in Freiburg kommen Herausforderungen zu, wie der um den Rathausplatz konkurrierende Weihnachtsmarkt und die eintretende Kälte im Winter. Das mindert die Motivation der Aktivist*innen jedoch nicht. Sie meinen es ernst, wenn sie sagen „Wir campen bis ihr handelt“.