Hallo Himanshu, was genau ist denn eine Notunterkunft?

Himanshu hat fünf Monate in einer Notunterkunft gewohnt.

Es ist eine Unterkunft für Leute, die nach Freiburg kommen und noch nicht wissen, wo sie wohnen sollen. Das Studierendenwerk SWFR bietet diese Option für Leute wie mich an, die unvorbereitet hergekommen sind und so wenigstens für ein paar Tage ein Dach über dem Kopf haben können.

Hotels oder Jugendherbergen sind teuer, und Anfang September ist es auch schwierig, dort überhaupt einen Platz zu finden.

Ich war erst in der Notunterkunft der Studentensiedlung am Seepark und später in der Notunterkunft des Händelstraße Wohnheims. Pro Nacht zahlt man da acht Euro.

Warum bist du in die Notunterkunft gegangen?

Als ich noch in Indien war und mich bereits an verschiedenen deutschen Universitäten beworben hatte, war ich noch nicht sicher, welche Universität mich annehmen würde. Deshalb habe ich noch keine Wohnung in einer bestimmten Stadt gesucht. Ich wusste auch nicht, dass es so schwierig sein würde, eine Wohnung hier in Deutschland zu finden. In Indien ist das ganz anders: Du kannst irgendwie eine schlechte Wohnung finden. Die Wohnungssuche ist nicht so kompliziert.

Ein paar Tage bevor ich dann nach Deutschland gekommen bin, habe ich gegoogelt und zum Glück herausgefunden, dass es diese sogenannte Notunterkunft gibt. Auf der Website des SWFR gab es Informationen zur Notunterkunft, also habe ich den Mitarbeiter*innen eine Mail geschrieben. Sie waren sehr nett und meinten, ich könne einfach vorbeikommen.

Gibt es ein Limit, wie lang man in der Notunterkunft bleiben darf?

Nein, ein Limit gibt es nicht. Die Notunterkunft ist aber nur für einen kurzen Aufenthalt gedacht.

Ich habe dort fünf Monate gewohnt, von Oktober 2019 bis ungefähr März 2020. Ich dachte, ich komme nach Deutschland, gehe in diese Notunterkunft für zehn bis fünfzehn Tage und finde dann vielleicht eine Wohnung. Ich war naiv und dachte, ich könnte Leute vor Ort in Freiburg fragen und mich erst dort für Wohnungen bewerben.

Die Schlafsäle der Notunterkunft befinden sich im Keller.

Wie sah es in den Notunterkünften aus?

Für Notunterkünfte waren sie in Ordnung, aber als Wohnraum, naja… Es hat mich gestört, dass sich beide Notunterkünfte im Keller befanden, auch wenn es Fenster gab. In der Notunterkunft Händelstraße war es sehr eng. Zehn Leute haben dort mit mir gewohnt. Die in der Studentensiedlung am Seepark war sehr groß mit zwei Räumen, einer für Männer und einer für Frauen. Ich glaube, da haben 16 Leute gewohnt.

Bei so vielen Leuten waren die Toiletten nicht so sauber. Der Grund dafür war wohl, dass sich niemand verantwortlich gefühlt hat. Manche Bewohner*innen denken vielleicht, das sei nicht ihr Wohnraum, sondern eher eine Art Hotel. Oder sie seien nur für eine kurze Zeit in der Notunterkunft, weswegen es sie nichts angehe, wie sauber es dort ist.

Man schläft in zweistöckigen Hochbetten in einem Raum. Seine persönlichen Sachen kann man in Schubladen und in einem Schrank verstauen. Ich habe in der Winterzeit dort gewohnt, also mussten immer alle Fenster geschlossen sein, damit man nicht friert. Weil sich viele Leute einen Raum teilen, riecht es nach Füßen, Socken und Schweiß, nach Menschen eben.

Was gibt es außer dem Schlafsaal noch für Räume in der Notunterkunft?

Neben einem Schlafraum gibt es eine Küche und eine Toilette, die gemeinschaftlich genutzt werden. Ein Problem ist, dass es keinen Platz zum Lernen gibt, aber man kann ja immer in die Bibliothek gehen.

Du kommst aus Indien, Himanshu. Haben viele internationale Studierende mit dir in der Notunterkunft gelebt?

Anfangs, als ich angekommen bin, war es noch sehr gemischt. Es haben internationale Studierende und auch viele Deutsche in der Notunterkunft gewohnt. Ich weiß nicht, ob es an der Sprache lag, aber die deutschen Studierenden haben meistens früher eine Wohnung gefunden und in der Notunterkunft waren am Ende nur noch die internationalen Studierenden da.

Die Wertsachen verstaut man in Schließfächern.

Waren viele Erstsemester in der Notunterkunft?

Ja, aber es wohnten dort auch Studierende, die nicht im ersten Semester waren. Das hat mir gezeigt, wie schlimm die Wohnlage hier in Freiburg auch sein kann. Studierende, die schon seit Jahren in Freiburg gewohnt haben, müssen in die Notunterkunft gehen.

Dass man so spontan eine Bleibe finden kann, ist aber auch das Gute an der Notunterkunft. Wir hatten zum Beispiel einen Amerikaner, der in die Vereinigten Staaten fliegen musste, aber wegen seines Jobs noch irgendwo für zehn Tage bleiben musste. Dafür konnte er einfach in die Notunterkunft gehen.

Man hat keine Privatsphäre in der Notunterkunft. Wie war das für dich?

Man hat keine Privatsphäre, aber für extrovertiertere Leute ist das eine Möglichkeit, viele neue Menschen kennenzulernen. Einzelne Bewohnergruppen haben sich in der Notunterkunft gebildet, mit denen du alles gemeinsam machen konntest oder man blieb einfach für sich.

Was für eine Stimmung herrschte unter den Bewohner*innen?

Teilweise gab es schon Probleme. Beispielsweise hat ein Bewohner jeden zweiten Tag die Toiletten mit Wasser überflutet, sodass es dort extrem unangenehm und dreckig war. So konnte man nicht leben. Das SWFR-Personal war sauer, denn es musste diese dreckigen Toiletten immer wieder aufräumen und putzen. Uns Bewohner*innen der Notunterkunft haben sie mehrmals gewarnt, die Toiletten nicht mehr so zu hinterlassen. Natürlich haben wir uns alle gefragt, wer der Verantwortliche für das unsaubere Bad ist. Es gingen Gerüchte unter den Bewohner*innen herum, wer die Toilette so dreckig gemacht haben könnte und warum er das tat. Ich selbst glaube, diese Person hat einfach nie den Duschvorhang benutzt.

Wenn viele Leute zusammen an einem Ort leben, gibt es immer solche Probleme. Das Konzept Notunterkunft finde ich gut, aber es gibt auch einige Dinge, die dort besser sein könnten.

Die Küche wird als Gemeinschaftsraum genutzt.

Was hat dich gestört?

Es wäre viel besser gewesen, wenn sich die Notunterkünfte des Händelwohnheims und der Studentensiedlung am Seepark nicht im Keller befunden hätte. Dort habe ich mich eingeengt gefühlt.

Das SWFR-Personal hat versucht, den Bewohnern und Bewohnerinnen zu helfen, eine neue Wohnung zu finden. Studierende haben uns beraten, von denen manche sehr schroff sein konnten. Es hat sich manchmal so angefühlt, als wolle man uns loswerden, was für mich aber in Ordnung war.

Die Studierenden schienen nicht gut auf die Beratung vorbereitet zu sein und manchmal war es auch unangenehm für sie, uns zu sagen, wir müssten jetzt irgendetwas finden. Sie haben mir Wohnungen gezeigt, die meistens zu teuer waren oder sehr weit außerhalb von Freiburg lagen.

Musstest du diese vorgeschlagenen Wohnungen annehmen?

Das SWFR zwingt einen nie. Aber die Notunterkunft ist nur ein Hilfsangebot. Niemand will da langzeitig wohnen. Deswegen haben die meisten Leute auch sehr teure Wohnungen angenommen, in der Hoffnung, dass sie später noch einen Platz im Studierendenwohnheim bekommen würden.

Dieser Beitrag ist Teil des uniCROSS Intensiv “Wohnen für alle”. Mehr Beiträge findet ihr hier.