Hallo Nadine, du studierst in Freiburg Philosophie und Kunstgeschichte im 5. Semester und arbeitest neben der Uni in einem Schallplattenladen. Wie bist du auf die Idee gekommen im Plattenladen zu arbeiten?
Das war tatsächlich ein Zufall. Ich war bis zu diesem Moment noch nie in dem Plattenladen. An diesem Tag bin ich dort vorbeispaziert und da hing ein Zettel draußen, dass sie jemanden zur Mitarbeit suchen.
Da ich im Hausarbeitsstress war, dachte ich, ich geh da mal rein, wenn ich Zeit habe. Als ich das nächste Mal dort war, hing kein Zettel mehr da, aber ich bin trotzdem reingegangen. Und sie haben tatsächlich noch jemanden gesucht. Ich finde es schön, Arbeit und Hobby zu verbinden.
Woher kommt deine Faszination für Schallplatten?
Auf jeden Fall von meinem Vater. Er ist schon sein ganzes Leben lang musikbegeistert und hat auch schon in seinen Teenager-Jahren sein ganzes Geld für Musiksysteme ausgegeben. Ihm lag damals schon sehr am Herzen, Musik so wiederzugeben, dass man sie so erleben kann, wie sie die Künstler*innen eben damals aufgenommen haben. Mein Vater hat mich einfach mit Musik erzogen. Er hat uns morgens immer zur Schule gefahren und uns mit selbstgebrannten CDs seine Lieblingslieder vorgespielt. Und irgendwann ist ihm eingefallen, dass auf dem Dachboden sein alter Plattenspieler stehen muss.
Das war aber nicht der erste Plattenspieler, den du gesehen hast, oder?
Das erste Mal, dass ich einen Schallplattenspieler gesehen habe, war in Frankreich mitten im Nirgendwo in einem Ferienhaus. Es war ein regnerischer Tag und wir wussten nicht, was wir machen sollen, also hat mir mein Vater gezeigt, wie man eine Platte auflegt. Ich weiß noch, ich hatte fast Angst etwas kaputt zu machen. Ich wollte dieses Teil nicht verletzen. Da war ich 11 oder 12 Jahre alt.
Vor vier Jahren hab ich dann zu Weihnachten einen guten Plattenspieler von meinem Dad bekommen.
Wie sieht eigentlich ein typischer Tag im Plattenladen aus?
Der größte Teil besteht natürlich darin, die Musik zu verkaufen, also Empfehlungen zu geben und den Kund*innen bei der Suche nach der gewünschten Musik zu helfen. Ein großer Teil der Arbeit ist, Platten oder CDs für den Verkauf herzurichten, also die Platten gut sauber zu machen und mit einem Preis zu versehen. Wir bügeln und waschen die Platten auch und haben eine Ultraschallwaschmaschine.
Ein Waschgang dauert 20 Minuten und du sitzt daneben und wartest, bis die Maschine fertig ist. Ich tue mir dieses Geräusch aber gerne an, die Platten hören sich danach viel besser an, das ist unglaublich. Die Maschine benutze ich vor allem für uralte Platten aus den 70ern, die noch nie gewaschen wurden.
Hast du einen Lieblingsmoment im Laden?
Ich habe einen Stammkunden, der bei mir schon sehr viele Empfehlungen abgeholt hat. Einmal kam er rein und meinte, er möchte jetzt eine Platte kaufen, die ich ihm aussuchen soll. Dann hab ich ihm eine gegeben, die ich vor ein paar Tagen entdeckt hatte und ich meinte „Die ist ein bisschen besonders“ – es war Musik aus Hawaii. Ich hab ihn gefragt, ob er die mal kurz auflegen möchte, weil es ja schon etwas Anderes war, als das was er sonst hört, aber er hat mich nur angeschaut und meinte „Ne, ich weiß wenn es von dir kommt, dann ist es gut.“ Das hat mich gefreut.
Um qualitativ gute Musik zu hören, reichen mir schon ein Web-Player und eine Musikbox, die ich schon für recht wenig Geld bekommen kann. Warum lohnt es sich trotzdem zu investieren und ins Plattenhören einzutauchen?
Es gibt für mich sehr viele verschiedene Aspekte, die das so besonders machen. Plattenhören hat so eine Wärme an sich. Das ist viel persönlicher, als wenn ich nur auf „play“ klicke und dann läuft die Musik. Mit dieser physischen Form entwickelt man sein Ritual: Man legt die Platte auf, bürstet sie einmal ab und kümmert sich darum, dass sie läuft. Ich finde das schön, wenn man wirklich sehen kann, woher die Musik kommt: Ich sehe die Platte, die sich im Kreis dreht, und dann kommt die Nadel darauf und dann kommt die Musik aus den Boxen.
Das verändert auch so viel daran, wie du Musik konsumierst. Zum einen ist man viel achtsamer als im Digitalen. Und du hast den Aspekt, dass du in einen Laden gehen und mit Leuten über Musik quatschen kannst.
Und ich finde es auch viel leichter mit dieser physischen Form neue Musik zu entdecken. Du kannst einfach durch den Laden spazieren und ein Cover entdecken, das dir gefällt, kannst den Klapptext durchlesen und sie einmal auflegen.
Klar, Spotify zum Beispiel gibt mittlerweile richtig gute Empfehlungen, aber es gibt dir nicht wirklich die Möglichkeit, mal was zu hören, was ganz anders ist. Alles ist auf deinen Musikgeschmack abgestimmt, das nimmt den Zufall raus.
Deswegen finde ich es spannend, eine Platte zufällig aufzulegen und dann zu merken, die ist schrecklich. Das hilft, herauszufinden, was man zumindest schon mal nicht sucht.
Digitale Musik würde ich schon fast als klinisch bezeichnen. Bei einem Schallplattenspieler hat man auch noch Hintergrundgeräusche, ein bisschen Knistern. Ich mag das, wenn ich weiß, dass es besser nicht geht.
Schallplatten sind für mich die beste Audioquelle. Auch einfach weil Musik, die analog mit Tonbändern aufgenommen wurde, zum Beispiel aus den 70ern, anders klingt, wenn sie auf eine CD übertragen wird. Beim Wechsel von analog zu digital geht etwas verloren. Die Musik ist einfach nicht so voll.
Manchmal höre ich auf meinem System eine CD und eine Schallplatte gleichzeitig. Aber dadurch, dass man am Verstärker einen Kanal aussuchen muss, spielt nur eins von beiden, und dann kann man wechseln. Man hat also beides laufen, aber hört nur eins. Damit kann man vergleichen, wie sich die Musik analog und digital anhört.
Es gibt auch viel Musik, die es nicht in die digitale Welt geschafft hat. Ich finde immer mal wieder Schallplatten, die es sonst nirgendwo zu hören gibt. Das ist dann immer was ganz Besonderes, weil ich das Gefühl habe, als hätte ich ein kleines Geheimnis.
Beobachtest du, dass sich wieder mehr junge Menschen für Platten interessieren?
Auf jeden Fall. Ich habe auch ein paar Stammkund*innen, die eher jünger sind. Meistens ist der Durchschnitt aber um die 50, Mann und weiß. Viele junge Leute kommen eher zufällig rein, und sagen, sie haben gar keinen Schallplattenspieler, aber wollen es sich mal anschauen. Und dann versuche ich immer, sie zu konvertieren.
Ganz oft kommen auch Leute, die für Bastelprojekte eine Schrottschallplatte brauchen, zum Beispiel um eine Schale oder ein Wandregal daraus zu machen. Solange man nicht gerade eine originale Pressung aus ’68 dafür nutzt, finde ich das gut.
Auch Schallplattencover als Wanddeko zu benutzen finde ich eine gute Idee. Mein Vater sagt immer, Albencover seien eine verlorene Kunst und keiner achtet mehr so richtig darauf. Früher gab es da einen richtigen Wettkampf zwischen Künstler*innen um das bessere Albumcover.
Hast du schon Bekanntschaften durch dein Hobby gewonnen?
Ich kenne tatsächlich niemanden außer mir, meinem Vater und meinem Bruder, der/die noch einen Schallplattenspieler hat. Klar, man unterhält sich im Laden und mit den Arbeitskollegen. Man kann sich auch auf Discogs – eine von Mitgliedern aufgebaute Online-Dtenbank, die gleichzeitig ein Marktplatz für Schallplatten ist – mit anderen Sammler*innen vernetzen.
Was hältst du von CD’s und Kassetten?
CD’s sind super. Du kannst was drauf schreiben, kannst sie in der Sonne liegen lassen, sie spielen immer noch. Auch bei Songs, die digital also im Aufnahmestudio aufgenommen wurden, hört man den Unterschied nicht, da wäre es unnötig den Weg wieder von digital zu analog zu gehen.
Kassetten sind auch toll! Ich will mir schon länger einen älteren Kassettenrecorder kaufen und ein paar Mixtapes machen. Dabei kann ich von allen Kanälen, ob CD, Schallplattenspieler oder eben einer Kassette, Songs auf das Kassettenaufnahmegerät übertragen. Das nennt man dann Mix’n Match. Wenn man seine kleine Kassette hat und drauf schreibt, wo welcher Song ist, ist das eine gute Option, wenn man analog Musik hören will, aber unterwegs ist.
Was ist deine Lieblingsplatte?
Meine Lieblingsplatte ist eine von Connie Berry, die heißt „Wouldja for a big red apple?“. Die ist ’77 aufgenommen worden und ‘81 als Schallplatte veröffentlicht worden. Es gibt zu Conny Berry gar nichts im Internet, obwohl man meinen sollte, dass sie viel bekannter sein müsste. Sie hat auch für Billie Holiday Klavier gespielt, und das ist ja eine der bekanntesten Künstler*innen überhaupt.
Und welche ist die älteste Schallplatte, die du besitzt?
Ich hab eine ganz alte aus ’67, das erste Album als Originalpressung von „The Doors“, die hab ich in Stockholm gefunden. Da war ich sehr besorgt, dass sie nicht kaputt geht, so dass ich sie am Ende in der Hand durch den Flughafen getragen habe.
Tipps von Nadine für deinen analogen Sound

Wie funktioniert eine Schallplatte?
Die Schallplatte liegt auf einem rotierenden Teller auf dem Plattenspieler. Im spiralen Muster sind Rillen auf der Schallplatte eingraviert, die von der Nadel abgetastet werden. Diese bewegt sich minimal innerhalb der Rillen, deren Verlauf der Schallschwingung des Gespeicherten entsprechen. Durch die Bewegung entstehen Vibrationen, die in elektrische Signale übertragen und zum Verstärker weitergeleitet werden. Lautsprecher machen diese Signale dann hörbar.
Ab den 20ern und bis in die späten 70er Jahre war die Schallplatte das Hauptverbreitungsmedium der Musik. Bis ungefähr 1960 wurde das Material Schellack verwendet, mittlerweile ist es von Polyvinylchlorid (kurz: PVC) abgelöst worden, woher sich der englische Name „Vinyl“ ableitet. Das neue Material ist biegsamer und langlebiger. Wichtig zu wissen ist, dass sich Schellack-Schallplatten nicht mehr mit einem herkömmlichen Schallplattenspieler abspielen lassen, da sie auf 78 Umdrehungen pro Minute laufen. Diese Geschwindigkeit bieten wenige moderne Schallplattenspieler.
Es gibt zwei gängige Größen von Schallplatten. Die klassische Langspielplatte hat einen Durchmesser von circa 30 cm und kann 20 bis 25 Minuten Musik auf einer Seite speichern. Auf dem Teller läuft sie mit einer Geschwindigkeit von 33 Umdrehungen pro Minute. Singles werden so genannt, weil sie je Seite nur einen Titel beinhalten. Sie haben einen Durchmesser von etwa 18 cm und laufen mit 45 Umdrehungen pro Minute.
Wie lagere und pflege ich Schallplatten?
Lagere die Schallplatten auf keinen Fall stapelweise. Die Platten sollten sich in ihrem Cover befinden und aufrecht stehen, damit kein Druck auf das Material kommt. Um sie vor Staub zu schützen, kannst du sie in einem geschlossenen Regal lagern. Das ist empfehlenswert, denn das PVC wird beim Rein- und Rausnehmen aus dem Cover statisch aufgeladen und zieht Staub an. Spielst du zu oft eine staubige Platte ab, wird sich der Staub in den Rillen einbetten, deine Nadel wird stärker abgenutzt und dein Hörerlebnis vermindert.
Je mehr Zeit du dir beim Auflegen der Platte nimmst, desto seltener musst du eine Grundreinigung deiner Schallplatte vornehmen. Eine Plattenbürste sowie eine Nadelbürste kannst du für kleines Geld erwerben und das Anwenden dieser vor dem Abspielen reicht als regelmäßige Pflege aus. Zudem kannst du mit einem leicht feuchten Mikrofasertuch, den Rillen entlang und mit wenig Druck, eine oberflächliche Reinigung durchführen. Für eine gründliche Reinigung werden die Schallplatten mit einer sogenannten Plattenwaschmaschine nass gewaschen und dann getrocknet. Einige Plattenläden können das für dich mit professionellen Geräten erledigen, etwas simplere Techniken ohne Elektronik kannst du Zuhause auch verwenden.
Musiksystem zusammenstellen
Die hohe Anzahl an Geräten, die ein Schallplattenspieler benötigt, kann abschreckend wirken. Grundsätzlich gilt aber: Nachrüsten geht immer! Mit simplem Equipment anzufangen ist kein Problem, denn nach und nach kannst du einzelne Teile deines Musiksystems durch höherwertige ersetzen. Lass dein Budget ein Leitfaden sein, anhand dessen du die Auswahl an Geräten triffst. Ein Musiksystem besteht aus Verstärker, Lautsprecher und einer Audio-Quelle, in diesem Fall der Schallplattenspieler. Im Laufe der Zeit kannst du auch weitere Audio-Quellen einbauen, beispielsweise ein CD-Player oder ein Kassettenspieler, sogar eine Einrichtung für Bluetooth ist machbar.
Dein erster Schallplattenspieler sollte simpel sein. Neu produzierte Plattenspieler sind oft teuer und enthalten mehr Funktionen, als du als Einsteiger*in brauchst. Automatisches Abspielen, Geschwindigkeitswechsel auf Knopfdruck oder sogar Bluetooth sind einige Beispiele. Zwar gibt es auch Schallplattenspieler mit eingebauten Lautsprechern, sodass du außer dem Schallplattenspieler keine zusätzlichen Geräte benötigst, aber die Tonqualität leidet darunter deutlich.
Ein gebrauchter Plattenspieler ist für den Anfang vollkommen ausreichend, wichtig ist nur, dass er funktioniert. Besonders bei alten Geräten ist eine Reparatur oftmals teurer, als das Gerät selbst wert ist.
Die Lautsprecher sollten für den Anfang das teuerste Stück Equipment sein. Mit einem mittelmäßigen Plattenspieler und guten Lautsprechern erreichst du nämlich einen besseren Klang als andersherum.
Ein Verstärker erhöht die Audio-Signale der Geräte, sodass sie auf Lautsprechern abgespielt werden können. Das wichtigste Kriterium ist, dass dein Verstärker einen Phono-Vorverstärker besitzt. Einen eingebauten Phono-Vorverstärker erkennst du daran, dass am Verstärker einer der Eingänge mit „Phono“ markiert ist. Er verstärkt und entzerrt das schwache Signal des Plattenspielers, damit die Musik hörbar wird. Hat dein Verstärker keines, muss es der Plattenspieler haben.



