Der Roman beginnt im Jahr 2006 und zeigt die Protagonistin Greer Kadetsky als schüchterne und in sich gekehrte Erstsemester-Studentin. Von ihrer späteren besten Freundin Zee Eisenstat lässt sie sich auf eine Hausparty schleppen. Dort wird sie aus ihrer bisher unschuldigen und behüteten Welt gerissen, als sie von einem anderen Studenten sexuell belästigt wird. Immer noch aufgewühlt trifft sie wenige Wochen später auf Faith Frank, eine bekannte Frauenrechtsaktivistin der zweiten feministischen Welle.
Der übergriffige Mann ist der Auslöser für Greers politisches Erwachen, doch erst ihre Begegnung mit Faith, die ihr verständnisvoll zuhört, gibt ihrem ernsthaften Ehrgeiz einen gewissen Fokus und inspiriert sie. Faith entfacht einen Funken in Greer, der schon lange in ihr schlummert und ermöglicht ihr somit den Eintritt in eine größere Welt: Mit dem Angebot, sie jederzeit zu kontaktieren, reißt Faith Greer aus ihrem geplanten Lebensweg und eröffnet ihr eine Zukunft weit weg von ihrer Highschool-Liebe Cory Pinto. Cory und Greer wachsen gemeinsam in einem kleinem Ort Massachusetts auf. Obwohl sie sich schon seit der Grundschule kennen entwickeln die beiden erst in der 12. Klasse Gefühle füreinander. Nach ihrem Abschluss soll es eigentlich für beide nach Yale gehen – doch Greers Vater verpatzt den Antrag für finanzielle Unterstützung, sodass Greer keine andere Wahl bleibt, als das Stipendium einer kleinen Universität in Connecticut anzunehmen.
Nach dem College bekommt Greer einen Job bei Faith Franks neuer Stiftung Loci, die Konferenzen veranstalten und Sonderprojekte finanzieren soll, um Frauen auf der ganzen Welt konkrete Hilfe zu leisten. Zunächst ist Greer glücklich bei der Non-Profit-Organisation: Zum ersten Mal in ihrem Leben fühlt sie sich empowered. Sie himmelt Faith Frank an und liebt es, in der Nähe ihres Idols zu sein. Diese Nähe will sie mit niemandem teilen. Deshalb gibt sie den Bewerbungsbrief, den Zee an Faith schreibt, trotz schlechtem Gewissen nie weiter.
Meg Wolitzer thematisiert hier die Beziehungen von Frauen in der nach wie vor männlich dominierten Unternehmenswelt: Obwohl Greer bei einer feministischen, von einer Frau geführten Stiftung arbeitet scheint sie ihre patriarchal geprägte Denkweise nicht ablegen zu können. Sie sieht in Zee nicht nur eine Bedrohung für ihre persönliche Beziehung zu Faith, sondern auch für ihre eigene Karriere bei Loci. Ihre Angst, Zee könnte ihren Job übernehmen, sowie ihre Eifersucht, Faith könnte in Zee einen besseren Schützling finden, macht es ihr unmöglich, ihrer besten Freundin den beruflichen Erfolg zu gönnen.
Während für Greer das richtige „Erwachsenenleben“ zu beginnen scheint geht das Leben von Cory in die Brüche. Ein Todesfall in der Familie zwingt ihn dazu, seine vielversprechende Karriere als Unternehmensberater in Manila aufzugeben, um in seinen und Greers kleinen Heimatort zurückzukehren. Zur Unterstützung seiner Mutter übernimmt er ihre Reinigungsarbeiten. Greer quält es, ihren Freund in einer ihrer Meinung nach „unwürdigen“ Position zu sehen und ermutigt ihn, zu seinem früheren Job zurückzukehren. Später wird sie von ihrer Mutter für diese Gedanken kritisiert: Ist Cory nicht durch die Übernahme einer traditionell weiblichen Rolle genauso wie Greer ein Feminist?
Nicht nur Greer und Cory trennen sich nach dem College, sondern auch Greer und Zee leben sich immer weiter auseinander. Nach einem holprigen Start in der Arbeitswelt landet Zee in Chicago, wo sie für eine gemeinnützige Organisation in Brennpunkt-Schulen unterrichtet. Zee erkannte ihre Sexualität als lesbische Frau schon sehr früh und setzt sich seit Jahren für die LGBTQ* Community ein. Dennoch gelingt es ihr erst mit Mitte 20 ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.
Der Roman springt immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit der jeweils erzählenden Person und landet so in Brooklyn im Jahr 1943. Über 50 Jahre hinweg wird der persönliche Werdegang von Faith Frank erzählt. Aufgewachsen ist die feministische Ikone in einer konservativen, jedoch liebenden Familie. Als ihr im Gegenzug zu ihrem Zwillingsbruder das College vorenthalten wird, entschließt sie sich dazu, sich von ihrer Familie unabhängig zu machen und nimmt einen Job als Kellnerin in Las Vegas an.
Hier trifft sie zum ersten Mal auf den späteren Multimilliardär und Kapitalgeber von Loci, Emmett Shrader. Durch eine raffinierte Umkehrung gängiger Stereotypen wird er vor allem durch seine Beziehung zu Faith definiert. Seine körperlichen Attribute stehen im Vordergrund: Faith betont mehrfach seinen „Zitronenduft“ und beschreibt die glänzenden Slipper, die er beim Ausziehen fein säuberlich neben ihren rosa Wildlederstiefeln aufstellt.
Die verschiedenen Perspektiven unterschiedlicher Personen, die Greer in ihrem Werdegang beeinflusst haben, verleihen der Geschichte Vielschichtigkeit und ermöglichen Lesenden den Zugang zu unerwarteten persönlichen Einblicken. Jeder neu eingeführte Charakter bringt einen neuen Themenkomplex mit sich. Während Faith und Greer die zweite und dritte feministische Welle repräsentieren, so steht Zee für die Akzeptanz der eigenen Sexualität sowie queeren und nachhaltigen Aktivismus. Cory, der seine Karriere als Unternehmensberater hinter sich lässt und stattdessen Freude an einem stereotypisch femininen Beruf findet, repräsentiert den Ausbruch aus der patriarchalen kapitalistischen Denkweise sowie den Umgang mit Trauer.
Die zentrale Beziehung des Romans ist jedoch die zwischen Greer und ihrer Mentorin Faith. Zu Ende des Romans erlangt Greer, genauso wie Faith, Ruhm, Fans und Macht durch ihren Aktivismus. Es kommt zu einer Spiegelung über Generationen hinweg, die die Unterschiede zwischen „altem“ und „neuen“ Feminismus deutlich macht und in Frage stellt, inwieweit Feminismus „weitergegeben“ werden kann.
Weiterhin demonstriert Wolitzer hier die Schwierigkeit, ein perfektes Vorbild zu haben. Greer idolisiert Faith und hintergeht auf der Suche nach Faiths Wohlgefallen sogar ihre eigenen Werte. Als langjährige Vegetarierin unterliegt sie dem unausgesprochenen Druck, das von Faith zubereitete Steak zu essen.
Selbst als es bei Loci zu einem Vorfall kommt, der Greer dazu bewegt, sich enttäuscht von der Stiftung abzuwenden, vergöttert sie Faith weiterhin. Doch Faith ist alles andere als perfekt: Um das Gesicht der Stiftung zu wahren verschweigt sie die Veruntreuung von Spendengeldern. Dies wirft die Frage auf, inwieweit man über Fehler hinwegsehen sollte um politische sowie persönliche Ziele zu erreichen. Die Beziehung zwischen Greer und Faith demonstriert so die Gegensätzlichkeit von Ego und Loyalität, die Überschneidung zwischen dem Politischen und dem Persönlichen sowie das Wesen und die Grenzen kooperativen Handelns. Wolitzer betont, die Schwierigkeit, ein perfektes Vorbild zu haben sowie den damit einhergehenden, in uns allen präsenten Wunsch, von jemandem bewundert zu werden, den wir auch bewundern.
Das dynamische Beziehungsnetz in Das Weibliche Prinzip verhandelt die Suche nach der eigenen Identität und zeigt, wie sich die Rollen, die verschiedene Personen einnehmen, im Laufe der Zeit verändern und gegenseitig beeinflussen. Die Länge des Romans über knappe 500 Seiten macht es möglich, jedem Thema ausreichend Raum zu geben und zur Genüge zu behandeln. Die greifbaren Charaktere entführen Leser*innen in ihre Welt und man glaubt, man würde ihrem Leben in Echtzeit beiwohnen.