Hallo Herr Prof. Christen. Sie sind Umweltmeteorologe an der Uni Freiburg und erforschen, wie sich Umweltveränderungen auf Wetter und Klima auswirken. Wenn man von Klima redet, denkt man häufig an globale Phänomene, warum ist es wichtig, auch das Stadtklima zu betrachten?

Zuerst einmal ist es klar, dass sich die Erde aufgrund des menschengemachten Klimawandels global aufheizt, aber natürlich nicht überall auf der Erde gleich. Wir wissen zum Beispiel, dass sich die Arktis deutlich stärker erwärmt als der Rest der Erde.

Aber auch im Kleinräumigen haben wir Unterschiede. Zum Beispiel haben Städte ein anderes Klima als ihr Umland. Bei den Städten ist das Besondere, dass sie nachts nicht so stark auskühlen wie zum Beispiel eine offene Wiese. Es ist deshalb wichtig, sich nicht nur mit den globalen Auswirkungen zu beschäftigen, sondern auch mit den Auswirkungen in verschiedenen Regionen und innerhalb derer mit verschiedenen Ökosystemen.

Gibt es besondere Wetterphänomene, die vor allem in Freiburg bekannt sind?

Die Stadt Freiburg ist klimatisch sehr stark vom Schwarzwald geprägt. Freiburg ist Ausgangstor für kalte Luft, die nachts in den Höhenlagen des Schwarzwaldes oder an den Hängen produziert wird und dann nach unten fließt.

Kalte Luft ist schwerer als warme Luft und das bekommen wir in Freiburg durch Windsysteme zu spüren. Das bekannteste davon ist der Höllentäler. Durch diese Windsysteme kommt es teilweise zu einer nächtlichen Abkühlung, die in anderen Städten, die in einer Ebene liegen, nicht so ausgeprägt ist.

Auch sonst hat Freiburg sehr viele kleinräumige klimatische Aspekte. Wir haben deutlich mehr Niederschlag als die Städte in der Oberrheinebene wie Colmar oder Breisach, weil wir an einer Hanglage sind, die Luftmassen deshalb zum Aufsteigen gezwungen werden und dann abregnen.

Auch die Nebelhäufigkeit ist in Freiburg anders als im Oberrheingraben, wo es im Herbst und Winter sehr oft Nebel gibt. In Freiburg gibt es dagegen weniger Nebel, das zum Beispiel an nächtlichen Winden wie dem Höllentäler liegt, die den Nebel weiter nach Westen tragen.

Verändern sich solche Wetterphänomene, zum Beispiel der Höllentäler, im Zuge des Klimawandels?

Dazu gibt es bisher noch keine Studien. Diese Windsysteme sind durch die Temperaturunterschiede zwischen den Höhenlagen zu dem Oberrheingraben gekennzeichnet. Wenn sich beide Regionen gleich stark erwärmen, würde sich der Wind nicht abschwächen.

Aber wichtiger für uns ist, wie wir mit dieser Wind-Ressource umgehen und gut überlegen, wie wir eine nachhaltige Stadt gestalten können. Wenn wir zum Beispiel die Stadt verdichten, also mehr hohe Häuser bauen, dann können diese Winde leider abgeschwächt werden.

Auf der anderen Seite müssen wir verdichten, denn wenn wir einfach in die Fläche bauen, dann haben wir einen unglaublichen Ressourcenverbrauch. Es ist also immer ein Dilemma. Wie stark kann ich Klimaschutz betreiben und wie kann ich die Ressourcen, die existieren, nicht zu stark beeinträchtigen?

Freiburg knackt ja regelmäßig Hitzerekorde und es wird im Sommer sehr warm. Woran liegt das genau?

Ja, wir haben sehr viele Hitzerekorde für Deutschland, was sich aber nicht mit Temperaturen in Italien oder Regionen in den Tropen vergleichen lässt. Innerhalb Deutschlands ist Freiburg eine sehr südlich gelegene Stadt. Damit ist die Sonne im Sommer höherstehend und wir haben mehr Strahlungsintensität und damit mehr Energie-Input.

Dazu kommt, dass wir zwischen zwei Gebirgen liegen, den Vogesen und dem Schwarzwald. Beim Überströmen dieser Gebirge wird die Luft angehoben und es kommt zum Ausregnen. Im Lee, dem windabgewandten Teil der Gebirge, kommt es dann zu einer Wolken-Auflösung. Das heißt, wir sind nicht nur in einer Region mit hohem Sonnenstand, sondern auch mit relativ wenig Wolken und dadurch mehr Einstrahlung. Das führt ebenfalls dazu, dass wir in dieser Region höhere Temperaturen haben.

Als letzter Faktor ist zu nennen, dass sich Städte selber zusätzlich erwärmen. Das ist vor allem nachts ein Phänomen, weil Städte weniger rasch abkühlen als ihr Umland. Sie speichern die Energie tagsüber im Beton der Straßen und geben sie nachts wieder ab. Diesen Effekt nennen wir ‚städtische Wärmeinsel‘. Die städtische Wäreminsel führt dazu, dass nachts die Temperaturen vergleichsweise hoch sind.

Wie kann die Stadt dem entgegenwirken?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Sehr häufig werden Grünflächen, Stadtbäume, Fassaden- oder Dachbegrünung ins Spiel gebracht. Manchmal auch sogenannte blaue Infrastrukturen, also Infrastruktur mit Wasser. Mehr Wasser in die Stadt zu bringen, hilft auch bei der Kühlung. Allerdings sind viele dieser Möglichkeiten darauf aus, den Außenraum zu kühlen, was vor allem tagsüber sinnvoll ist.

Das Problem ist, dass die städtische Wärmeinsel vor allem nachts wirkt, sich zu der Zeit also Wohnungen und Häuser nicht so rasch abkühlen, wenn sich die meisten Menschen im Innenraum befinden. Die Wärme wird beispielsweise von den Wänden abgestrahlt, was zu zusätzlicher Wärmebelastung führt.

Es gibt jedoch relativ viel, was wir tagsüber gegen extreme Hitze machen können. Freiburg hat ein sehr ausgereiftes und preisgekröntes Klima-Anpassungs-Konzept, bei dem mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen, sowohl technische als auch planerische und soziale, versucht wird, mit Hitze und anderen Extremereignissen, die aufgrund des Klimawandels häufiger werden, umzugehen.

Was könnte man konkret tun?

Man kann sagen, es sind vier Größen, die unsere Wärmebelastung bestimmen: Temperatur, Strahlung, Wind und Feuchtigkeit und wir können als Stadt daran arbeiten, diese zu optimieren. Manchmal einfacher, manchmal weniger einfach. Eine einfache Möglichkeit, die Strahlung zu minimieren, ist, durch Bäume genügend Schatten zu spenden.

Natürlich kann man auch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen, zum Beispiel Fassadenbegrünung. Die hat allerdings eher einen Vorteil für die Innentemperatur der Gebäude, weil sie wenig Schatten auf den äußeren Raum wirft. Man kann auch Sonnensegel statt Bäume benutzen.

Auch durch die Bauweise lässt sich etwas ändern. Städte im Mittelmeerraum sind häufig sehr eng gebaut, wodurch viel Schatten geworfen wird. Außerdem sind die Gebäude weiß gestrichen, wodurch die Sonne reflektiert wird. Ein anderer Aspekt wäre auch mit Materialien zu arbeiten, zum Beispiel Straßen weiß zu streichen. Das wird jetzt in Basel getestet, in den USA ist es schon relativ weit verbreitet.

Der Klimawandel ist nicht mehr aufzuhalten. Kann man vorhersagen, wie das Stadtklima in Freiburg in 20 Jahren sein wird?

Tatsächlich haben wir dazu ein Forschungsprojekt, bei dem wir uns mit dem Klimawandel und zunehmender Hitze in Freiburg beschäftigen. Wir nutzen künstliche Intelligenz, um das Stadtklima von Freiburg in der Zukunft zu simulieren, und zwar erstmalig in einer Auflösung, die es uns möglich macht, einzelne Gebäude und Straßen zu sehen. Wir können also tatsächlich für Ihre Wohnadresse oder für einen Park in Ihrem Stadtteil die zukünftige Wärmebelastung simulieren.

Das ist ein Pilot-Projekt, bei dem es vor allem um die Methodik geht. Wir haben ein tolles Team von Leuten aus der Informatik, den Natur- und den Sozialwissenschaften sowohl an der Uni Freiburg wie auch aus den Fraunhofer-Instituten. Wir können nicht nur aus einer fachlichen Perspektive schauen, sondern müssen die naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Dinge zusammenbringen.

Anhand von diesem Projekt haben wir zum Beispiel die Hitzebelastung in Freiburg, hoch aufgelöst, auf Karten dargestellt. Und da sehen wir schon massive Veränderungen. Bis zum Ende des Jahrhunderts, also in etwa 60 Jahren, würden Stunden mit extremer Hitze fünfmal häufiger vorkommen, wenn wir nichts gegen den Klimawandel machen und weiter die gleiche Menge an Emissionen ausstoßen wie jetzt. Aber auch wenn wir massiven Klimaschutz betreiben, die Emissionen komplett herunterfahren, um das CO2 aus der Atmosphäre zu bekommen, haben wir trotzdem eine Zunahme extremer Hitzestunden um den Faktor zwei.

Das bedeutet, wir können nicht nur Klimaschutz betreiben. Wir haben den Klimawandel angetrieben und die historischen Emissionen, die schon in der Atmosphäre sind, erwärmen den Planeten weiterhin. Das ist allerdings kein Grund zu sagen, dass wir keinen Klimaschutz betreiben sollen. Wir haben immer noch die Wahl zwischen zweimal so häufige Hitzebelastung oder fünfmal so häufige Hitzebelastung in Freiburg. Für die anderen Größen, wie die Häufigkeit etwa von Niederschlägen, sind konkrete Aussagen auf Stadtteilebene zurzeit noch nicht möglich.

Wenn man so genau messen kann, wie sich das Stadtklima in ein paar Jahren verändert: Glauben Sie, dass die Stadt Freiburg bisher genug tut?

Freiburg wird immer als eine Vorreiterstadt in Bezug auf Klimaschutz, Klimaanpassung und Transformation gesehen. Und die Stadt Freiburg macht schon sehr viel, um sich dem Klimawandel anzupassen. Allerdings hat eine Stadt auch nur limitierte, rechtliche Möglichkeiten. Das heißt, die Stadt Freiburg kann nicht das komplette Verkehrssystem umstellen oder die Stromversorgung, die noch viele CO2-Emissionen verursacht, verbessern. Das sind Dinge, bei denen die Stadt wenig oder gar keinen Einfluss darauf hat, wie wir mit den Ressourcen als Gesellschaft umgehen. Unser Problem ist eher, dass unser gesamtes Wirtschafts- und Mobilitätssystem komplett verändert werden muss, wenn wir den Klimawandel deutlich abschwächen wollen.

Zusammenfassend kann ich sagen: Innerhalb ihrer Möglichkeiten ist die Stadt Freiburg sehr fortschrittlich. Außerdem unterstützt sie auch sehr stark die Forschung der Uni Freiburg in diesem Bereich. Wir betreiben zum Beispiel auch ein Klima-Messnetz zusammen mit der Stadt, um verschiedene Modelle zu testen und auch Hitze Hot-Spots innerhalb der Stadt zu identifizieren.

Wie können sich Studierende einbringen?

Ich glaube, eine wichtige Nachricht in der Klimakrise ist, dass jede und jeder ihren Platz finden muss. Wie kann ich meinen Teil zur Lösung beitragen? Und da gibt es ganz viele Möglichkeiten, da ist die Uni nicht die einzige. Man kann in die Politik gehen, Aktivismus betreiben, mit Kommunen arbeiten oder in der Praxis Klimaschutz und Anpassung in Projekten umsetzen. Eine Möglichkeit ist auch in der Forschung Beiträge zu leisten. Was sind effektive Maßnahmen, um sich dem Klimawandel anzupassen? Was sind Aspekte von Klimagerechtigkeit? Wer leidet am meisten unter zunehmender Hitze? Wo können wir eingreifen, um auch Klima-Ungerechtigkeiten zu lindern?

Viele Fachbereiche an der Uni versuchen, diese Fragestellungen zu beantworten. Insbesondere wenn Studierende Interesse haben, diese Aspekte im Rahmen von Arbeiten und Projekten zu untersuchen, wird das gerne gefördert. Es ist wichtig zu wissen, dass gerade an einer Uni Studierende einen Beitrag zur Wissensgewinnung ermöglichen können.