In sozialen Medien werden – neben Fotos aus dem Urlaub und Tiervideos – viele Inhalte, die schwierigere Themen anstoßen, geteilt. Immer häufiger werden diese mit sogenannten Triggerwarnungen gekennzeichnet.

„Trigger sind im Kontext der posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) Reize, die im Zusammenhang mit traumatischen Erlebnissen stehen“, sagt Prof. Dr. Carl Scheidt, Experte für Psychiatrie und Psychosomatik am Universitätsklinikum Freiburg. In einer traumatischen Situation werden die psychischen Strukturen überwältigt und gewöhnliche Verarbeitungsmechanismen funktionieren nicht. Die Erinnerungen würden dann im „Traumagedächtnis“ abgespeichert und nicht in das biografische Gedächtnis integriert. Das heißt, dass man diese nicht willkürlich abrufen und beispielsweise jemandem erzählen könne. Fragmentierte, unverarbeitete Sinneseindrücke, etwa bestimmte Gerüche oder Geräusche, könnten so zu Triggern werden.

Trigger könnten eine ganze „Kaskade” an körperlichen und seelischen Reaktionen auslösen, sagt Prof. Scheidt. Eine Person, die zum Beispiel in einen Autounfall verwickelt war, könnte von dem Geräusch quietschender Reifen getriggert werden. Ausgelöst würde dadurch ein extremer Angstzustand mit verschiedenen körperlichen und psychischen Reaktionen oder auch Flashbacks. Diese Reaktionen könnten auch ohne Trigger auftauchen, unter anderem häufig in Träumen. Es könne jedoch auch vorkommen, dass Betroffenen nicht bewusst ist, dass sie äußerlich getriggert wurden.

Schutz vor Triggern im Internet

„Die Schwierigkeit ist, dass alles Mögliche als Trigger fungieren kann“, sagt Prof. Scheidt. Oft sei einerseits nicht vorhersehbar, was jemanden triggert, und andererseits, wann die*der Betroffene im Alltag mit diesen Triggern konfrontiert werden könnte.

Es gibt aber dennoch Möglichkeiten, Betroffene vor dem ungewollten Getriggert-Werden zu schützen. Im Internet erfüllen diesen Zweck zum Beispiel einem Post vorangestellte Abkürzungen wie TW, CN, CW. Was bedeuten diese genau?

Das “TW” steht für Triggerwarnungen. In sozialen Netzwerken wird damit dem Post eine Warnung vorangestellt, welche die*den Nutzer*in auf potenzielle Trigger hinweist. Gewarnt wird vor Schilderungen, Bebilderungen oder Nennungen von sensiblen Inhalten, wie zum Beispiel sexualisierte Gewalt, Suizid oder Krieg. Somit erhält die*der Nutzer*in im Vorhinein die Möglichkeit, diese Inhalte nicht zu konsumieren oder sich bewusst darauf vorzubereiten.

Eine weitere Art der Warnung vor sensiblen Inhalten, die Posts vorangestellt werden, ist das „Content Warning“ beziehungsweise die „Content Note“. Im Gegensatz zur Triggerwarnung gehen die Begriffe der „Content Note“ und des „Content Warning“ über die Gefahr potentieller Trigger hinaus. Der Fokus liegt mehr auf dem Inhalt („Content“) und nicht auf den möglichen Triggern des Inhalts. Dadurch umgeht man mit dieser Warnung auch das Problem, dass man nie alle Trigger kennen kann. Fakt ist auch, dass solche Inhalte auch für Menschen, welche nicht von PTBS betroffen sind, aufwühlend sein können. Dies bezieht eine „Content Warning“ oder „Content Note“ mit ein.

Kein Freifahrtschein

Josefine von der AG Mental Health der Uni Freiburg beschäftigt sich ebenfalls mit dem Thema auf dem Profil der Arbeitsgruppe auf Instagram. Besonders wichtig findet sie, „dass an dem eigentlichen Inhalt nichts verändert wird. Es findet keine Zensur von etwas statt, es wird nur etwas vorgeschoben“. Somit ist eine Triggerwarnung eine Inhaltswarnung, welche aber nicht die wichtige Auseinandersetzung mit dem Thema behindert.

Sowohl Nutzer*in als auch Autor*in müssen sich im Klaren darüber sein, dass Trigger sehr individuell sind und keine*r immer alle möglichen Trigger vorhersehen kann, sagt Josefine. „Ich denke nicht, dass eine Warnung falsch sein kann. Sie ist ein Versuch, der zeigt, dass hier ein Denkprozess stattfindet, welcher davon ausgeht, dass nicht alle Menschen den Content gleich betrachten werden.“

Auch Prof. Scheidt erachtet es als sinnvoll, besonders traumaaffine Inhalte, wie beispielsweise sexualisierte Gewalt, zu kennzeichnen. Dennoch sei das Vermeiden für Betroffene auf die Dauer nicht die beste Strategie. Die einzig nachhaltige Lösung sei (professionelle) Hilfe. Wenn die traumatischen Erfahrungen nicht bewusst integriert werden, sei es unwahrscheinlich, dass diese von selbst über die Zeit hinweg verarbeitet werden können. Das Ziel müsse sein, die traumatischen Erfahrungen Stück für Stück in das Bewusste zu integrieren und die Angstreaktionen unter Kontrolle zu bekommen.

Es sei daher auch wichtig, betont er, dass mehr über das Thema Trauma aufgeklärt werde. Betroffene, die sich ihrer Gefährdung eventuell nicht bewusst sind, könnten dadurch ermutigt werden, sich Hilfe zu suchen.

Für Josefine ist zudem klar: „Eine Triggerwarnung, Content Warning oder Content Note sind kein Freifahrtschein, um alles zu posten.”

 

Der Text ist Teil der Themenwoche Du bist nicht allein.