Girlfriend Sex ist anders als „klassischer“ Sex mit einer Sexarbeiterin: Deutlich zärtlicher, intimer und auch romantischer. Er beinhaltet neben Geschlechtsverkehr und sexuellen Praktiken auch Küsse, Massagen und Gespräche – eigentlich das, was viele sich unter einer Liebesbeziehung vorstellen. Allerdings ist es keine Liebesbeziehung, sondern eine sexuelle Dienstleistung, welche von einer Sexarbeiterin gegen Geld erbracht wird. In Deutschland gibt es nach einer Erhebung im Jahr 2020 rund 24.900 angemeldete Sexarbeiter*innen. Darunter fallen verschiedenste Formen von Sexarbeit, wobei nicht alle Girlfriend Sex anbieten.

Eine Sexarbeiterin, die Girlfriend Sex schon seit zwölf Jahren anbietet, ist Maya*. Sie arbeitet Vollzeit als selbständige Sexarbeiterin und mietet dafür eine eigene Wohnung an. So kann sie Kunden gleich an der Tür mit einer Umarmung begrüßen, in der Küche ein Gespräch führen und im Bad gemeinsam duschen. Auch im Wohnzimmer kann so bei einem langen Treffen mit Pausen ein inniges Gespräch entstehen, während man zusammen etwas trinkt. Hier erzählen Kunden auch viel Persönliches und fragen auch um den ein oder anderen Rat.

Maya ist 32 Jahre alt und findet, dass vor allem die Atmosphäre beim Girlfriend Sex anders ist: „Es ist so wie mit einer Freundin, einer Partnerin oder einer Affäre. Fast alle wollen auch küssen und vielleicht erstmal ein bisschen quatschen.“ Es werden also neben sexueller Befriedigung auch die Bedürfnisse nach Sehnsucht und Nähe erfüllt. Das kann je nach Kunde ein gemeinsames Frühstück, ein Wochenende im Wellnesshotel oder auch ein gemeinsamer Besuch in der Eisdiele sein. Also wie ein normales Date, erzählt Maya, nur, dass sie eben dafür bezahlt wird.

Bei diesen Treffen täuscht Maya aber nicht einfach Gefühle vor, sie empfindet zu einem gewissen Maße Innigkeit und Sympathie für ihre Kunden – aber keine Liebe. Auch wenn Liebe manchmal in ihrem Beruf vorkommt: „Es gibt auch immer mal wieder Gäste, die sich dann auch in mich verliebt haben. Das kann durchaus sein, gerade wenn man sich für einen längeren Zeitraum regelmäßig sieht“. Aber auch Maya entwickelt manchmal Gefühle für ihre Kunden: „Ich hatte schon so das ein oder andere Treffen, wo ich mir gedacht habe: Mensch, hätten wir uns woanders kennengelernt … Vielleicht hätte ich ihn dann auch noch nach einem weiteren Date gefragt.“ Allerdings sei es für Maya persönlich ausgeschlossen, dass sie mit einem Kunden eine (Liebes-)Beziehung beginnt, da sie dadurch ihre Identität offenlegen müsste.

Das Risiko, dass ein Kunde sich in sie verliebt, schätzt Maya bei Girlfriend Sex höher ein als bei anderen sexuellen Dienstleistungen. Das liege eben daran, dass sich die Besuche bei Maya oft wie ein richtiges Date anfühlen.

Kaufen sich die Kunden somit Liebe? Und ist es überhaupt möglich, so ein intimes Gefühl mit Geld hervorzurufen? Maya glaubt, dass man weder in dem Kontext der Sexarbeit noch im privaten Kontext Liebe kaufen kann. Was man aber innerhalb von Girlfriend Sex kaufen könne sei Aufmerksamkeit und Nähe – und daraus könne natürlich Liebe entstehen.

*Maya ist der Name, unter dem die Sexarbeiterin ihrer Arbeit nachgeht. Also nicht ihr richtiger Name, sondern nur ihr Alias. Dieser darf in dem Artikel erwähnt werden.

Anmerkung: In diesem Artikel wird ausschließlich von einer weiblichen Sexarbeiterin und männlichen Kunden erzählt. Auch wenn weibliche Sexarbeiterinnen sowie männliche Kunden statistisch gesehen am meisten in der Sexarbeit vertreten sind, gibt es Sexarbeiter*innen und Kund*innen aller Geschlechter.

Quelle für die Statistik: Destatis