Hallo Paula, du studierst Pharmazie und hast seit Mai 2022 die Diagnose Long-Covid. Der Beginn der Corona-Pandemie ist jetzt über fünf Jahre her, wie hast du diese Zeit am Anfang wahrgenommen? 

Am Anfang habe ich mir wenig Sorgen gemacht. Natürlich war die Situation allgemein beunruhigend, aber ich fand es ganz schön, dass ich mehr zu Hause war. Ich habe zu der Zeit gerade mein Abi gemacht, so konnte ich zu Hause viel lernen. Ich saß viel im Garten und für mich war das eine ganz angenehme Zeit. Ich weiß, für viele war es das nicht. 

Wann hast du dich das erste Mal mit Corona angesteckt?

Als ich in Freiburg im Wohnheim gewohnt habe, habe ich mich das erste Mal mit Corona infiziert. Ich habe in einer 16er-Stockwerks-WG gewohnt und zwei andere Mitbewohner haben sich auch angesteckt. Auf 12 Quadratmeter 10 Tage alleine zu sitzen, hat keinen Spaß gemacht. Der Verlauf der ersten Coronaerkrankung war unauffällig.

Und dann bist du nochmal erkrankt?

Ich habe mich zu Hause ein zweites Mal mit Corona angesteckt, der Verlauf war auch in Ordnung. Beim dritten Mal, im Mai 2022, hatte ich gar keinen positiven Test, deswegen habe ich mich auch nicht geschont. Ich war mit einem Freund wandern und habe sonst auch viel unternommen. Ich dachte, ich hätte eine leichte Erkältung und hatte kaum Symptome. Ich hatte ein bisschen Halsweh und fühlte mich müde und k.o., aber sonst nichts. Deshalb habe ich auch gedacht, ist nicht so schlimm, ich ziehe eine Maske an, um niemanden anzustecken und dann ist alles gut. Von dieser Infektion habe ich mich dann aber nicht mehr erholt. Ich war richtig doll erschöpft und habe es gar nicht verstanden. Erst in einem Bluttest danach wurde nachgewiesen, dass es wohl Corona war. 

Wann wurde dann die Diagnose Long-Covid gestellt?

Zwei Wochen danach bin ich zum Arzt gegangen und habe gesagt, dass es mir nicht besser geht. Da hat die Ärztin schon gesagt „Oh oh, dann mal gucken“. Dann hat sie mich gefragt, ob ich den Corona-Nachweis mit dem Bluttest machen möchte. Erst habe ich nein gesagt, aber in der nächsten Woche ging es mir auch noch nicht besser. Im Blut wurden dann Antikörper nachgewiesen und da hieß es schon, dass ich vermutlich Long-Covid habe. 

Ab da ging es mir immer schlechter. Ich hatte eine Grunderschöpfung und wenn ich mich angestrengt habe und über eine Grenze gegangen bin, hatte ich einen sogenannten Crash. Das passiert meistens ein bis drei Tage später. Jeder Crash verschlechtert diese Grunderschöpfung. 

Ich habe gar nicht verstanden, was mit mir los war. Ich dachte, vielleicht bin ich etwas depressiv geworden und dann muss man sich ja motivieren. Freunde sehen, schöne Sachen unternehmen. Dazu habe ich mich dann jedes Mal überwunden und mich angestrengt. Und danach wurde es dann immer schlimmer. Irgendwann war es so schlimm, dass ich mir nicht mal mehr selbst Essen kochen konnte. 

Als es noch schlimmer wurde, bin ich zurück zu meiner Familie gezogen. Weil meine Familie arbeiten musste und keine Zeit hatte, sich rund um die Uhr um mich zu kümmern, bin ich zu meiner Oma. In diesen Wochen war ich kaum zu etwas in der Lage, konnte mir nicht selbst die Haare waschen, konnte nicht kochen und kaum ein Gespräch führen, wegen des Brainfogs. Wenn ich einen Satz begonnen hatte, hatte ich am Ende vergessen, mit was ich angefangen hatte. Ich wusste nicht mehr, was das Gesprächsthema war. 

Du hast Brainfog angesprochen, welche anderen Symptome haben bei dir nach der Infektion länger angehalten?

Vor allem Fatigue und Brainfog, allerdings ist der zum Glück fast weg. Brainfog bedeutet das Vergessen von Dingen, aber auch, dass man nicht mehr denken kann wie vorher. Zum Beispiel wenn man Nudeln kocht, dass man dazu einen Topf aus dem Schrank holen muss und in diesen Topf Wasser und Salz macht. Mir diese Abfolge im Kopf klarzumachen, das ging einfach nicht mehr. Ich konnte immer nur einen Schritt weiterdenken. In diesem Zustand kann man sich nicht mehr allein versorgen. Zum Glück habe ich das jetzt nicht mehr. 

Als ich mit meiner Oma zusammengelebt habe, war das auch schwierig, weil sie blind ist. Wir waren zwei eingeschränkte Menschen, die versucht haben, sich gegenseitig zu helfen. 

Und das Vergessen wird auch gefährlich. Ich habe so viele Sachen auf dem Herd anbrennen lassen und bin aus der Küche raus und habe vergessen, dass wir gekocht haben. Und dann ging der Rauchmelder los. Das ist öfter passiert. 

Welche medizinischen Untersuchungen und Behandlungen hast du bisher erhalten?

Ich war erst bei der Kardiologie, da wurde geschaut, ob es nicht eine Herz-Muskel-Entzündung ist. Da war zum Glück nichts. Ich war bei einem Psychiater, der geschaut hat, ob ich psychische Probleme habe, der konnte aber auch nichts feststellen.

Dann war ich bei einer Neurologin, die vermutete, dass es Long-Covid ist. Die Diagnose lautet jetzt: Post-Covid-Syndrom, Konzentrationsstörung und Tachykardie.

Da es schwierig war, Arzttermine zu bekommen, haben meine Eltern irgendwann gesagt, ich solle zu einer Alternativ-Medizinerin gehen. Das war ganz schrecklich. Sie meinte zum Beispiel, mein Zustand läge entweder an der Coronaimpfung oder an der Trennung meiner Eltern. Zum Zeitpunkt der dritten Erkrankung war meine letzte Impfung bereits länger als ein Jahr her. Deshalb konnten Impfschäden ausgeschlossen werden.

Wie hat sich dein Zustand seit der akuten Phase verändert?

Mein Zustand hat sich sehr verbessert und darüber bin ich total glücklich. Ich kann sogar wieder Sport machen, zumindest hin und wieder. Ich habe die Fimo-Health-App von meiner Krankenkasse, die benutze ich vor allem, wenn sich mein Alltag verändert. Darin kann ich meine Symptome tracken. 

Ich muss immer wieder schauen, wo meine Grenze ist. Um die Übersicht zu behalten, was ich an welchem Tag gemacht habe, ist es gut den Alltag zu protokollieren. Ich nehme aber keine Medikamente. Drei Medikamente werden momentan noch bei Long Covid getestet, allerdings sind das welche, die auch bei MS oder bei Schizophrenie verschrieben werden. Die Nebenwirkungen sind sehr hoch. 

Wie hast du es geschafft, dass es dir nun wieder besser geht?

Als es mir noch schlecht ging, war es immer meine größte Sorge, dass ich keinen Reha-Platz bekomme. Am Anfang wussten die Hausärzte nicht, was sie verordnen sollen und was helfen könnte. Ich wollte nach Freiburg an die Uniklinik, weil diese sich auch mit den neurologischen Symptomen befassen. 

Die Uniklinik meinte damals allerdings, dass sie mich nur aufnehmen, wenn sie einen neurologischen Befund haben. Erst mit einer Notfallüberweisung von meiner Hausärztin bekam ich dann einen Termin bei einer Neurologin in meiner Heimat. 

Eine Reha habe ich nicht gemacht, weil es hieß, die würden nicht wissen, wie man dort Long-Covid Patienten aufbaut. Ich habe dann zu Hause mein sogenanntes Pacing angefangen. Das ist auch für Fatigue-Patienten ganz wichtig. Beim Pacing werden alle Anstrengungen nur in ganz kleinen Portionen gemacht. Zum Beispiel beim Treppensteigen zwei Stufen, dann 30 Sekunden lang stehen. Und dabei nie über die Grenzen gehen. Ich habe das Training selbst gesteigert und das hat mir geholfen. 

In dieser Zeit hast du dann mit dem Studium pausiert. 

In der Pharmazie gibt es immer drei Prüfungstermine. Ich habe mir gedacht, wenn ich es nicht schaffe, die erste Prüfung wahrzunehmen, dann vielleicht die zweite oder die dritte. Ich habe immer gedacht, bis dahin habe ich mich erholt. Habe ich aber nicht. Ich habe dann für ein Semester eine Beurlaubung bekommen, die letzten zwei Semester hatte ich keine Veranstaltungen, sondern habe zu Hause für das Staatsexamen gelernt. Jetzt nach zwei Jahren fange ich erst wieder so richtig mit dem Studium an. 

Hat Long Covid auch deinen Alltag verändert?

Vor allem die Beziehung zu Freunden zu halten, war schwierig. Wenn meine Cousinen zu Besuch waren, konnte ich am Tisch keinem Gespräch folgen. Ich konnte nichts mit Freunden unternehmen, aber wir telefonierten und später sind sie auch öfter vorbeigekommen und wir haben zusammen Tee getrunken. 

Haben sich deine Zukunftspläne durch die Erkrankung verändert?

Nein, nicht mehr. Ich habe das Gefühl, mir geht es immer besser. Ich weiß nicht, ob ich jemals wieder so leistungsfähig sein werde, wie früher, aber vielleicht ja schon. Eine 40-Stunden-Woche würde ich aber jetzt nicht schaffen, deshalb werde ich schauen müssen, ob ich mit Teilzeit genug verdiene. 

Hast du Unterstützung von den Dozierenden an der Uni bekommen?

Ich habe meinen Fachstudienberater geschrieben und meine Situation geschildert. Er meinte, mit dieser Situation haben sie keine Erfahrungen und ich solle es weiterhin probieren, so gut es geht. Wenn ich Hilfe bräuchte, solle ich mich melden. Einen Nachteilsausgleich habe ich gar nicht beantragt, wobei ich das vermutlich hätte machen können. 

Long-Covid wurde lange nicht als Erkrankung anerkannt. Wie ist dein Umfeld mit der Situation umgegangen? 

Es gibt immer die, die sagen, du denkst dir das aus oder du steigerst dich in etwas hinein. Ich musste erstmal selbst verstehen, dass ich mich in nichts reinsteigere. Es bräuchte auf jeden Fall mehr Reha-Plätze, mit ausgebildetem Personal, damit Patient*innen das Pacing dort lernen. Ich hatte das Glück, Familienangehörige zu haben, dich mich unterstützen. Du brauchst jemanden, der dich wäscht, für dich kocht und einkaufen geht. Man muss es schaffen, sich die Zeit zu geben, wieder gesund zu werden. Mir geht es jetzt schon viel besser als noch vor sechs Monaten und darüber bin ich sehr glücklich.