Dr. Martin Zeeb arbeitet bei einem der größten deutschen Spielverlage. MKW-Studierende wollten von ihm wissen, wie es dazu kam, ob man die ganze Zeit spielen darf und wie die Zukunft der Branche aussieht.

Herr Zeeb, Sie haben an der Uni gearbeitet und sind nun als Spieleredakteur tätig. Auf den ersten Blick haben Ihr alter und neuer Job nicht so viele Gemeinsamkeiten. Wie ist es zu diesem Berufswechsel gekommen?

Dr. Martin Zeeb war bis April 2019 Dozent für Physiologie an der Uni Freiburg. Seit Mai arbeitet er als Spieleredakteur bei ‚Pegasus‘.

Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich habe an der Uni Düsseldorf promoviert und bin seit 15 Jahren passionierter Brettspieler. Deswegen war ich in meiner Heimat Düsseldorf immer wieder auf Spielemessen. Ich bin auf einer der Messen mit einem Verlag in Kontakt gekommen, der sich darüber gefreut hat, dass ich recht viel herumkritisiert habe. Das war mein erster Kontakt mit der Brettspielbranche. Der berufliche Einstieg kam aber erst später.

Nach der Promotion war mir klar, dass ich in absehbarer Zeit keine Professur erreichen würde. Deswegen wollte ich aus der Wissenschaft wechseln und hab da gleichzeitig einen kleinen Freiburger Verlag kennengelernt, der händeringend nach Unterstützung suchte. Ich hatte noch für eine Zeit eine 50 Prozent-Stelle an der Uni und habe parallel im Verlag gearbeitet. Einer der Kunden des Freiburger Verlags ist ‚Pegasus‘ und da bin ich jetzt eben hin gewechselt.

Spielen Sie nun den ganzen Tag Brettspiele?

Tatsächlich sitzt man 80 Prozent der Zeit vor dem Computer. Es kommt sehr häufig vor, dass wir durch Messen oder über Direktanfragen von Autoren Prototypen bekommen. Diese werden praktisch gesichtet, also Regeln gelesen und vorbereitet und dann in der Redakteursrunde getestet. Der Großteil der restlichen Zeit besteht dann darin, Übersetzungen zu korrigieren, zu lektorieren und Regeln von fertigen Spielen zu überarbeiten, die wir in Deutschland veröffentlichen wollen. Diese Regelüberarbeitung ist auch das, was den Großteil der Zeit frisst.

Wenn die Regeln fertig sind, baut man die Anleitung entsprechend um, interagiert mit dem Grafiker und gibt Anweisungen, wie das Spiel am Ende aussehen soll. Denn nicht nur die Regeln gehören zum Spiel, sondern auch das ganze Drumherum: Wo und wann produzieren wir, wie soll die Schachtel aussehen, welche Ausgaben des Spiels wird es geben?

Wie viele der Prototypen werden zu einem fertigen Spiel?

Wir nehmen gar nicht alles an. Oft liest man sich die Regeln durch, fordert dann aber den Prototyp nicht an. Von den Prototypen, die dann letztendlich von Autoren eingereicht werden, schaffen es auch nicht mehr als zehn Prozent, wahrscheinlich sogar eher unter fünf Prozent.

Was ist das Beste am Beruf des Brettspielredakteurs?

Ich glaube in meinem Fall ist das etwas sehr Persönliches. Ich finde es großartig, an Dingen feilen zu können, bis sie nahezu perfekt sind. Wir arbeiten auch sehr viel im Team. Ich mag das sehr gerne, wenn fünfmal am Tag jemand an meiner Bürotür klopft und mir sagt: „Ich brauch mal deine Meinung, ich komm hier nicht weiter.“

Lassen sich auch Aspekte aus Ihrem vorherigen Beruf in Ihre jetzige Tätigkeit einbringen?

Ja. Natürlich brauche ich nicht das Fachliche, aber die Kompetenzen, die man aus den Naturwissenschaften mitnimmt schon: Strukturiertes Arbeiten, Arbeiten auf Deadlines hin, das Balancieren von mehreren Projekten. Eine Spielanleitung ist, trocken beschrieben, nichts anderes als ein technisches Handbuch. Es gelten bestimmte Strukturvorgaben und man muss möglichst kurz und präzise sein. Interessanterweise kommen sehr viele Redakteure als Quereinsteiger aus der Naturwissenschaft.

Unterscheidet sich der deutsche Markt von dem Markt anderer Länder?

Ja und zwar insofern, dass der deutsche Markt der Zweitgrößte weltweit ist, nach den USA. Aber auch in dem, was die Rezeption der Kunden angeht. Deutsche Regeln sind in der Regel detaillierter, Spieler wollen mehr Informationen haben bevor sie losspielen. In Nordamerika ist Spielen ein Hobby von Menschen, die sich dann dauerhaft damit beschäftigen.

In Deutschland kaufen vor allem Familien Spiele. Das sind dann in der Regel Spiele, die kürzer sind und einfache Regeln haben. Generell ist die Branche in den letzten vier Jahren kontinuierlich gewachsen. Wenn man die Besucherzahlen von den großen Messen betrachtet, wie der ‚Spiel‘ in Essen, der weltgrößten Brettspielmesse, kommen immer mehr Familien, immer mehr unterschiedliche Leute. Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich das Brettspiel weiter in der Gesellschaft verankert.

Können Spiele mehr als nur unterhalten?

Spiele können auch Wissen transportieren. Das sieht man bei vielen Kinderspielen. Ich glaube auch, dass uns Spiele emotional noch eine andere Sicht auf Dinge geben können. Insofern bin ich einer der Vertreter, die sagen, dass Spiele ein ganz klares Kulturgut sind, ähnlich wie Bücher und Filme.

Was sind die Vorteile von Brettspielen gegenüber Computerspielen?

Soziale Interaktion. Sicher die funktioniert auch digital, aber sie funktioniert auf einem ganz anderen Niveau, wenn ich meinen Mitspielern von Angesicht zu Angesicht gegenübersitze. Ich kann viel besser Stimmungen aufnehmen, besser gemeinsam lachen, wenn ich ein Brettspiel habe. Ich denke aber auch an Haptik und das Wahrnehmen von Spielmaterial, denn es macht für sehr viele Leute einen Unterschied, etwas anfassen zu können. Ich glaube auch, dass das Brettspiel in unserer digitalen Welt ein guter Gegenpol zu dem ist, was wir den ganzen Tag machen.

Wo sehen Sie die Zukunft des Brettspiels?

In den letzten zehn Jahren kamen Spiele auf, die deutlich mehr mit Apps gearbeitet haben. Die haben aber nicht den Markt überschwemmt. Ich glaube trotzdem, dass da noch etwas passieren kann und wird, gerade weil ich hoffe, dass digitale Hilfsmittel dabei helfen können Regeln noch leichter zu vermitteln. In den letzten Jahren sind einige Vertreter von sogenannten „Serious Games“ erschienen, in denen Themen behandelt werden, die vorher in Spielen nie angesprochen wurden. Zum Beispiel in ‚Holding on‘ geht es darum, als Krankenpfleger einen Sterbenden zu begleiten.

Haben Sie einen Tipp für Studierende, die Brettspielautor werden wollen?

Klingt vielleicht ungewöhnlich: Viel spielen. Man muss wissen, was es schon auf dem Markt gibt. Erstens möchte man nichts kopieren und zweitens versteht man so, was bereits funktioniert hat. Manchmal kann man sich neue Mechanismen abgucken. Also spielt viel und seid mutig. Einfach machen.

„Spielt viel und seid mutig!“

Brettspielen hat sich langsam aber sicher in die Reihe der beliebten Gemeinschaftsaktivitäten der Freiburger Studierenden geschlichen. In den WG-Küchen stapelt sich nicht nur das Geschirr, sondern auch die Verpackungen der neuesten Spiele. Doch in Freiburg werden nicht nur Brettspiele gespielt, sondern auch erfunden. Um herauszufinden wer und was sich hinter den bedruckten Pappbrettern versteckt, hat sich Felix mit einem studentischen Brettspielautoren unterhalten.

Wie Brettspiele entstehen