März ist Endometriose-Monat – für uns Aufhänger, die Erkrankung genauer zu beleuchten. Bei unserer Recherche wurden wir auf einen Vortrag über Endometriose von der Uniklinik Freiburg aufmerksam, durch den wir erste Informationen sammeln konnten. Um möglichst viele verschiedene Perspektiven auf das Thema zu bekommen, machten wir uns auf die Suche nach Expert*innen und wollten dabei auch mit Betroffenen selbst sprechen. Auch die Selbsthilfegruppe in Freiburg baten wir um ein Interview. Und schon war der März verflogen – uns aber immer klarer, dass nicht nur im März Endometriose-Monat sein sollte.

Schmerzen während der Periode kennen viele Personen mit Gebärmutter. Dass sie von Endometriose betroffen sein könnten, wissen allerdings die wenigsten. Hat eine Person Endometriose, bedeutet das, dass sich gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter befindet, wo es jeden Monat abblutet. Da dieses von der Blutung abgestoßene Gewebe den Körper jedoch nicht verlassen kann, staut es sich in Form von Endometrioseherden im Körper. Juliane Grimm beschäftigt sich als Oberärztin in der Frauenklinik der Uniklinik Freiburg mit der Erkrankung und spricht auch von „versprengter Gebärmutterschleimhaut“. Diese könne sich quasi überall im Körper befinden, also auch in Darm, Leber oder Lunge, tauche aber hauptsächlich im kleinen Becken, also um die Gebärmutter herum, auf.

Was genau die Ursachen für eine Endometriose sind, konnte bisher noch nicht eindeutig geklärt werden. „Risikofaktoren für die Endometriose sind zum Beispiel ein frühes Einsetzen der Periodenblutung und ein spätes Austreten aus dem Zyklus“, sagt Juliane Grimm. Auch die genetische Übertragung zwischen Verwandtschaften ersten Grades wird als eine Ursache vermutet. Ein spezifisches Endometriose-Gen sei jedoch noch nicht gefunden worden.

Laut einer aktuellen wissenschaftlichen Studie aus Japan gibt es allerdings erste Annahmen, dass ein Zusammenhang zwischen den sogenannten Fusobakterien und der Endometriose existiert und diese Bakterien eine Ursache für die Krankheit darstellen könnten. Würde sich diese Annahme bewahrheiten, könnte das Verabreichen von Antibiotikum eine Behandlungsalternative gegen die Krankheit darstellen.

Die körperlichen Auswirkungen sind individuell

So individuell wie jede einzelne Menstruation ist, so individuell sind auch die Symptome einer Endometriose, die nicht umsonst als das Chamäleon der Gynäkologie bezeichnet wird. Dass die Symptome der Endometriose so vielfältig sind und unterschiedliche Gesichter annehmen können, macht es umso schwieriger, sie zu erkennen. „Das kann von keinen Symptomen bis zu einer ganzen Palette an Symptomen reichen“, sagt Juliane Grimm. Bei den typischen Symptomen handele es sich vor allem um starke Schmerzen bei der Regelblutung, beim Geschlechtsverkehr oder seltener um Schmerzen beim Stuhlgang oder Wasserlassen während der Periode. Dabei kommt es nicht unbedingt auf die Größe oder Anzahl der Herde an. „Jemand mit einer starken Endometriose kann trotzdem weniger Schmerzen haben, als jemand mit einer minimalen Endometriose“, erzählt Johanna, die selbst von Endometriose betroffen ist.

Johanna ist Studentin an der Uni Freiburg und hat im Oktober 2022 die Diagnose Endometriose erhalten. Bei ihr haben die starken Regelschmerzen mit 16 Jahren angefangen. Während sie zuvor kaum Probleme verspürt hatte, war sie nun für ein paar Tage im Monat extrem eingeschränkt, schneller erschöpft und konnte auch am Sportunterricht nicht teilnehmen. Manche Patientinnen seien für diesen Zeitraum im Monat sogar arbeitsunfähig, sagt Juliane Grimm.

Neben den genannten Symptomen ist auch die Sterilität, also die ungewollte Kinderlosigkeit, häufig ein Thema bei Endometriose-Betroffenen. „Bei den Paaren, die kinderlos sind und bei denen es dafür keinen anderen Grund gibt, schätzt man, dass jede zweite Betroffene durch eine Endometriose kinderlos ist“, sagt die Ärztin. Trotzdem heiße dies nicht, dass eine Endometriose-Patientin keine Kinder bekommen könne.

Beschwerden werden oft nicht ernst genommen

Der Weg zur Diagnose ist nicht nur lang, sondern für die Betroffenen auch häufig von Zweifeln und Unverständnis seitens Außenstehender begleitet. Bis es zu einer Diagnosestellung kommt, können mehrere Jahre vergehen. „Der Durchschnitt liegt ungefähr bei sieben oder acht Jahren“, sagt Vanessa Hilzinger, die sich als Ärztin im Bereich der Frauennaturheilkunde viel mit dem Thema Endometriose beschäftigt. Häufig liegt der lange Zeitraum bis zur endgültigen Diagnose auch daran, dass Ärzt*innen die geschilderten Beschwerden nicht ernst genug nehmen. „Meine Frauenärztin hat immer gesagt, das ist normal, das ist nicht ungewöhnlich“, sagt Johanna. Auch bei einem Erstgespräch in einer Klinik in Frankfurt wird ihr von einer Ärztin gesagt, dass sie nicht glaube, dass Johanna Endometriose habe. „Ich habe mich gefühlt, als würde ich übertreiben. Ich habe mich nicht ernst genommen oder unterstützt gefühlt“, erinnert sich Johanna. Bis zur endgültigen Diagnose hat es bei ihr sechs Jahre gedauert.

Juliane Grimm geht davon aus, dass Endometriose als Krankheit mittlerweile sehr viel stärker in das Bewusstsein sowohl von Patient*innen als auch von Ärzt*innen gekommen ist: „Als ich 2014 mit den Endometriose-Sprechstunden angefangen habe, waren ein paar Patientinnen da und jetzt haben wir fast keine Termine mehr.“ Besonders in den letzten fünf Jahren habe sich einiges getan. Ihrer Meinung nach liege das auch daran, dass über Themen wie Menstruation oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr heute viel mehr gesprochen werde als früher. „Richtig starke Schmerzen während der Periode zu haben, das kann vom Körper nicht gewollt sein, und ich glaube, das ist jetzt ein bisschen mehr ins Bewusstsein gekommen“, sagt sie.

Wird der Verdacht auf Endometriose ernstgenommen, gibt es die Möglichkeit einer Ultraschalluntersuchung, bei der Zysten oder auch größere Endometriose-Herde sichtbar gemacht werden können. Um allerdings eine endgültige Diagnose zu erhalten, entscheiden sich Patient*innen, so auch Johanna, häufig für eine Bauchspiegelung. Diese Operation stellt bis heute die einzige Möglichkeit dar, mit Sicherheit diagnostizieren zu können, ob eine Person von Endometriose betroffen ist oder nicht.

Verschiedene Möglichkeiten der Behandlung

Bei einer vorliegenden Endometriose gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Da die Endometriose eine hormonabhängige Erkrankung sei und quasi mit dem Zyklus der betroffenen Person wachse, könne man sie theoretisch auch mit Hormonen wie der Antibabypille behandeln, sagt Juliane Grimm.

Um die Symptome zu behandeln gebe es auch Möglichkeiten einer Schmerztherapie, Traditionell Chinesische Medizin oder auch Osteopathie. Das seien jedoch alles Behandlungen, welche die Patient*innen selber bezahlen müssen und die Kasse bisher nicht übernehme. Um die Endometriose-Herde wirklich zu beseitigen, gäbe es bisher nur die Operation.

Bei Johanna wurde ein kleiner Endometriose-Herd gefunden, der entfernt wurde. „Nach der OP wurde mir gesagt, ich habe Glück gehabt, dass ich die Hormonspirale hatte und eine größere Ausbreitung so verhindert wurde“, erzählt sie.

Nach der Operation seien die Herde zwar erst einmal entfernt, es gäbe aber eine Wahrscheinlichkeit von etwa 30 Prozent – also etwa jede*r dritte Betroffene – dass die Endometriose wieder ausbreche. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es wiederkehrt, ist nicht ganz niedrig und deswegen versucht man nach einer Operation auch wieder, individuell zu schauen, was die Betroffene für eine Lebensplanung hat“, sagt Juliane Grimm. Hat die betroffene Person einen Kinderwunsch, dann schicke man sie ins Kinderwunschzentrum, was aber nicht gleich künstliche Befruchtung bedeutet. „Aber es ist wichtig, dass man wirklich an der Thematik der Realisierung des Kinderwunsches dranbleibt“, verdeutlicht Juliane Grimm. Hat die operierte Person im Moment keinen Kinderwunsch, so würde man eher versuchen, das Risiko einer wiederkommenden Endometriose zu minimieren und beispielweise Hormone verschreiben.

Auch Johanna nimmt seit der Operation eine bestimmte Pille. Diese soll helfen, die Endometriose-Herde auszutrocknen und eine erneute Aktivität verhindern.

Auf die Ernährung achten

Aus naturheilkundlicher Perspektive gibt es verschiedene Ansätze, gegen die Endometriose vorzugehen. „Die meisten Betroffenen, die zu mir in die Praxis kommen, möchten eher keine Hormone nehmen, das bedeutet dann, dass ich mir die Betroffene ganz individuell anschaue und schaue, was es für die Situation braucht“, sagt Vanessa Hilzinger. Hat die Patientin beispielsweise starke Schmerzen, würde man versuchen, die Endometriose durch entzündungshemmende Pflanzen ruhig zu halten.

Auch über die Ernährung ließe sich ansetzen, um die Endometriose ruhig zu stellen. Manchen Betroffenen helfe es, Weizen oder Zucker wegzulassen, auch vegetarische oder vegane Ernährung könne unterstützend sein. „Die Ernährung umzustellen ist ein Baustein, alleine durch sie gelingt es aber nicht, die Endometriose zu bekämpfen“. Vanessa Hilzinger setzt an den individuellen Symptomen an: „Häufig haben die Endometriose-Betroffenen beispielweise auch Beschwerden mit dem Darm. Das heißt, ein Teil der Therapie kann auch eine Darmsanierung sein, um Ruhe in den Darm zu bekommen.“

Austausch kann hilfreich sein

Um in Kontakt mit anderen Betroffenen zu kommen, ist Johanna auf Instagram und Facebook aktiv. In den letzten Jahren entstanden einige Kanäle, die aufklären wollen oder Plattformen anbieten, um mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen. „Mir hat es total geholfen mitzubekommen, wie andere Betroffene mit ihrer Endometriose umgehen. Beispielsweise bei Schmerzen bestimmte Softtampons während der Periode zu benutzen. Oder wie man damit umgeht, dass man nach der OP wegen der auftretenden Blutungsgefahr keine Wärmflasche benutzen darf, obwohl das ja total intuitiv wäre“, sagt Johanna.

Seit einem Jahr gibt es auch eine Endometriose Selbsthilfegruppe in Freiburg. Die Treffen finden einmal im Monat im feministischen Zentrum im Grether-Viertel statt. Teilnehmen kann jede Person, die von Endometriose betroffen ist oder vor ihrer Diagnose steht. Wer Interesse hat, kann sich per E-Mail melden und wird dann über den nächsten Termin informiert. „Die Sitzungen sind gut besucht und wir sprechen viel darüber, wie es uns im Moment mit der Endometriose geht oder was für medizinische Neuheiten es gibt. Manchmal behandeln wir auch einzelne Thematiken wie beispielsweise das Thema Kinderwunsch“, sagt Clara, die die Gruppe mitgegründet hat.

Dadurch, dass Endometriose noch so schlecht erforscht ist, werden Betroffene häufig selbst zu Expert*innen. Oft sind sie auf sich alleine gestellt oder müssen sehr dafür einstehen, eine Behandlung zu bekommen. Die Altersspanne in der Selbsthilfegruppe reicht von Anfang 20 bis 40 Jahren. „Das Schöne an der Gruppe ist, dass es ein geschützter Rahmen ist, in dem man über intime und emotionale Dinge reden kann, ohne sich ständig erklären zu müssen“, sagt Clara. Wie auch Ärztin Juliane Grimm hat sie das Gefühl, dass das Thema immer mehr Aufmerksamkeit bekommt und Betroffene nun nach und nach eine Diagnose erhalten.

Mehr Sichtbarkeit im Alltag

Und wie geht es Johanna jetzt nach ihrer Diagnose? Migräneartige Kopfschmerzen und stimmungsmäßige Probleme begleiten sie weiterhin in ihrem Alltag. „Viele Dinge zeigen sich als Folge der Endometriose“, erklärt sie. Das können Depressionen oder andere psychische Erkrankungen sein oder auch Probleme mit dem Darm. Chronisch krank fühle sie sich nicht – auch wenn Endometriose als chronische Krankheit zählt. Vielmehr sehe sie die Erkrankung als Chance und habe ein neues Körpergefühl entwickelt. „Das Wissen, dass ich nicht unrecht habe und etwas mit meinem Körper nicht stimmt, hat dafür gesorgt, dass ich mich mehr um mich kümmere. Ich habe gemerkt, dass mein Körper nicht so arbeitet wie er arbeiten sollte. Und durch die Endometriose achte ich nun mehr auf Ernährung, Bewegung und einfach auf mich selbst“, sagt Johanna.

Sowohl Clara als auch Johanna sehen, dass sich langsam etwas ändert: Es wird mehr Aufklärung betrieben, auch Social Media Kanäle thematisieren zunehmend die Krankheit. Außerdem habe sich die Endometriose-Vereinigung politisch eingesetzt, in dem sie mit Abgeordneten aus dem Bundestag gesprochen habe, sagt Clara. Dennoch müsse noch viel passieren. Das sieht auch Vanessa Hilzinger so. Das Bewusstsein habe zwar zugenommen und es gebe viele Personen, die von alleine darauf kommen, dass sie Endometriose haben könnten. „Trotzdem gibt es Betroffene, die jahrelang mit starken Schmerzen von Frauenärztin zu Frauenärztin gehen und das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden, da kann man auf jeden Fall noch deutlich mehr sensibilisieren.“

Je mehr wir uns mit dem Thema Endometriose beschäftigt haben, desto klarer wurde uns, wie vielfältig die Symptome und wie individuell die einzelnen Geschichten von Betroffenen sein können. Wir merken, dass es wichtig ist, über das Thema aufzuklären und zu sensibilisieren. Vielleicht sollten wir uns öfter darüber Gedanken machen, dass wir nicht wissen können, welche Schmerzen, die für uns unsichtbar sein können, unser Gegenüber empfindet.