„Kann ich überhaupt noch weiterstudieren?“ Eine Frage, die Sabine Weiß von der Uniklinik Freiburg nicht unbekannt ist. Sie arbeitet dort in den Abteilungen für Psychiatrie und Psychosomatik im Sozialdienst. Bei ihr können sich Menschen, die aufgrund einer psychischen oder psychosomatischen Erkrankung die Klinik besuchen, unter anderem hinsichtlich ihrer finanziellen Situation beraten lassen. Dazu gehören auch Studierende, die sich in einer unsicheren oder schlechten finanziellen Lage befinden. Dass dies nicht wenige Studierende betreffen dürfte, zeigt auch eine Studie des Statistischen Bundesamtes, nach der 2021 knapp 38 Prozent der Studierenden armutsgefährdet waren.

Schwierig sei besonders die Corona-Zeit gewesen, in der den Studierenden pandemiebedingt Jobs und damit auch wichtige Einnahmen weggefallen seien, sagt Sabine Weiß. „So, wie sie sich davor finanziert haben, konnten sie dann gar nicht mehr leben.“

Psychischer Stress bei finanziellen Krisen

Eine solche Situation, in der man aufgrund großer finanzieller Unsicherheit seinen Alltag einschränken muss oder im schlimmsten Fall seine Existenzgrundlage bedroht sieht, geht sicher nicht spurlos an einem Menschen vorüber. Wie Expert*innen betonen, gibt es, ganz im Gegenteil, deutliche gesundheitliche Auswirkungen. Grundsätzlich sei das allgemeine psychische Wohlbefinden nämlich davon abhängig, wie zufrieden wir mit den verschiedenen Aspekten unseres Lebens sind, sagt Prof. Dr. Jana Strahler, Psychologin an der Uni Freiburg. Dazu gehöre eben auch die finanzielle Situation, in der wir uns befinden. Sei diese eher negativ belastet, wirke sich das auf die psychische Gesundheit aus.

„Gerade finanzielle Krisen sind eine große Stressquelle“, erklärt die Psychologin. Dabei kann der finanzielle Stress, in dem man sich befindet, sogar eine direkte Stressreaktion des Körpers zur Folge haben. Hierbei könne es sich zum Beispiel um die erhöhte Produktion des Stresshormons Cortisol handeln, was wiederum mit psychischen Beschwerden in Zusammenhang gebracht werde.

Dieser psychische Stress, der sich aus den finanziellen Sorgen ergebe, könne ebenfalls Auswirkungen auf das Verhalten gegenüber dem sozialen Umfeld haben. Die Scham, die oft mit einer schlechten finanziellen Situation einhergehe, spiele hier zum Beispiel eine große Rolle und könne dazu führen, dass Betroffene sich von ihrem Umfeld zurückziehen. In dem Fall werde dieses als weitere Stressquelle angesehen, weiß Prof. Strahler. Auch Sabine Weiß kennt diese Problematik. Bei vielen der Betroffenen, die sich bei ihr beraten lassen, erfährt sie erst mit der Zeit, wie es wirklich finanziell um sie steht, da besonders Themen wie hohe Schulden oder nicht abbezahlte Kredite ein belastendes Thema darstellen. „Da muss man am Anfang erstmal Vertrauen und eine Beziehung aufbauen“, sagt sie.

Auswirkung auch auf die körperliche Gesundheit

Neben den psychischen Auswirkungen können finanzielle Sorgen außerdem auch die körperliche Gesundheit beeinflussen. Hat man zum Beispiel keine finanziellen Ressourcen für eine gesunde und ausgewogene Ernährung, kann das direkten Einfluss auf die Gesundheit nehmen.

Auch Menschen, die beispielsweise aufgrund der Angst, die kommende Heizkostenabrechnung nicht mehr bezahlen zu können, nicht mehr heizen, laufen Gefahr, schneller krank zu werden. Menschen, die finanziell besser aufgestellt sind, müssen sich über solche Themen in der Regel weniger Gedanken machen. „Studien zeigen, dass finanzielle Sorgen auch zu schlechterer Schlafqualität führen“, erklärt Jana Strahler. Das könne wiederum eine schlechtere Leistungsfähigkeit bedingen, die sich als Konsequenz negativ auf die Arbeitsfähigkeit auswirke.

Die Korrelation, dass es einem gesundheitlich besser gehe, wenn man sich in einer positiven finanziellen Situation befinde, ließe sich auch daran sehen, dass man in solch einer Position viel mehr Möglichkeiten des Gesundheitssystems wahrnehmen könne, sagt Sozialdienstmitarbeiterin Sabine Weiß. „Privatversicherte bekommen einfach viel schneller einen Termin bei Fachärzt*innen und die, die privatversichert sind, stehen meistens auch finanziell besser da.“

Trotzdem ist es ihr wichtig, auch hier zwischen körperlicher und psychischer Gesundheit zu unterscheiden. Den meisten, die mehr Geld haben und dementsprechend finanziell besser aufgestellt sind, gehe es zwar grundsätzlich gesundheitlich besser, jedoch würde sich dies vor allem auf das körperliche und nicht auf das psychische Wohlbefinden beziehen.

Trotz der eindeutigen Auswirkungen finanzieller Sorgen auf Körper und Psyche, sei es schwierig, hierbei von einem Krankheitsbild zu sprechen. Das liege unter anderem daran, dass es schwierig sei, zu bestimmen, welcher Faktor den anderen bedinge, sagt Sabine Weiß. So können sich nicht nur finanzielle Sorgen auf den Gesundheitszustand, sondern auch ein schlechterer Gesundheitszustand, und damit zum Beispiel erhöhte Ausgaben für die medizinische Versorgung, negativ auf die finanzielle Situation auswirken, erklärt auch Jana Strahler. „Ein Teufelskreis.“

Unterstützung finden

Aber was kann man überhaupt konkret tun, wenn man sich in einer schwierigen finanziellen Situation befindet? Eine allgemeingültige Anleitung dafür gibt es nicht, aber man kann zumindest an verschiedenen Punkten ansetzen.

Prof. Jana Strahler stellt hier zum Beispiel besonders den Aspekt der eigenen Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit, heraus, die es zu schützen und zu stärken gilt. Mithilfe derer sollte es vor allem möglich sein, „die psychischen Folgen finanziellen Stresses zu reduzieren“. Als einen solchen stärkenden Faktor nennt sie zum Beispiel das Fokussieren auf positive Dinge und damit das Erleben von positiven Emotionen, das förderlich für das psychische Wohlbefinden sein kann. Eine konkrete Handlungsoption könnte hier sein, sich am Ende jeden Tages auf eine positive Sache zu konzentrieren. Das soll allerdings nicht heißen, dass man sich negative Gefühle gar nicht erlauben darf. Man sollte seine Energie jedoch besonders in die Bereiche investieren, die auch individuell beeinflussbar sind.

Auch ein engmaschiges Netzwerk von sozialen Kontakten, das unterstützend für Betroffene wirken und in schwierigen Zeiten zur Seite stehen kann, wird als Faktor zum Stärken der eigenen Widerstandsfähigkeit angesehen. Stetig in sozialem Kontakt zu stehen und sich nicht zurückzuziehen sei ein wichtiger Punkt, um psychischem Stress entgegenzuwirken. Dabei könne das soziale Umfeld auch in der Hinsicht stressreduzierend wirken indem es mit Informationen unterstütze, sagt Strahler. Das könne zum Beispiel ein Hinweis oder Tipp sein, wo man sich bei starken finanziellen Sorgen Hilfe holen kann.

An der Uniklinik Freiburg bekommen Menschen, die stationär oder teilstationär aufgenommen wurden, ebendiese Hilfe und Beratung in einer unsicheren finanziellen Situation von Sabine Weiß. Nach einer Einschätzung der finanziellen Ressourcen kann sie zum Beispiel ergänzende Leistungen beantragen. „Jetzt gab es zum Beispiel eine deutliche Wohngelderhöhung. Da kann man dann versuchen, zusätzlich Wohngeld zu beantragen.“ Auch das Beantragen von Leistungen wie dem Bürgergeld sei eine Option. Sind solche ergänzenden Leistungen durch die finanzielle Situation nicht möglich, unterstützt Sabine Weiß die Betroffenen beispielsweise auch bei der Suche nach einem Minijob.