Straßenlaternen, Bauzäune und Europaletten stapeln sich vor den Eingängen der Université Bordeaux Montaigne. Seit vergangenem Mittwoch blockieren Studierende die Bibliotheken und Hörsäle der geisteswissenschaftlichen Fakultät. Anstelle von Vorlesungen findet jeden Morgen auf dem Vorplatz eine Vollversammlung statt, zu der die Besetzer*innen aufrufen. Täglich scharen sich circa 300 Menschen, darunter vor allem Studierende und Dozierende, um eine Bühne, auf der Redner*innen debattieren.

Mit der Blockade reagieren die Studierenden auf die Rentenreform Emmanuel Macrons, welche die Regierungschefin Elisabeth Borne am 16. März 2023 in der Nationalversammlung durchgebracht hat. Mithilfe des Sonderartikels 49.3 setzte sie die Reform um, ohne dass es darüber zur Abstimmung im Parlament kommen konnte. Die Opposition stellte daraufhin an Bornes Regierung zwei Misstrauensanträge, die knapp scheiterten.

Die Reform hebt in Frankreich das Renteneintrittsalter von 62 auf 64 Jahre an. Laut der Regierung ein notwendiger Schritt, um ein funktionierendes Rentensystem zu gewährleisten. Die französische Bevölkerung wird immer älter, sodass an dem späteren Renteneintritt nur zwei alternative Lösungen vorbeiführen würden: die Erhöhung der Beitragszahlungen oder die Kürzung der Rentenauszahlungen.

„Wir sind gegen die Reform, weil sie ungerecht ist. Sie spielt der Arbeitgeberschaft in die Hände, während sie die Arbeiternehmer benachteiligt“, sagt ein Mitglied des Mobilisationskomitees, das die Unibesetzung organisiert. Er gehört der linken Studentenvereinigung Le Poing Levé (Die erhobene Faust) an.

Die Besetzung soll aber auch auf die soziale Situation von Studierenden in Bordeaux aufmerksam machen. Durch das hochgezogene Halstuch, das sein Gesicht vermummt, sagt er: „Es gibt viele Studierende in der Stadt, die in prekären Verhältnissen leben. Manchmal fehlt es ihnen sogar an Geld fürs Essen. Auch wenn sie neben dem Studium arbeiten, reicht es nicht.“

Macrons Reform betrifft die Gegenwart der Studierenden, obwohl die Rente noch in weiter Ferne liegt. Ein Dozent der politikwissenschaftlichen Fakultät führt dazu auf der Rednerbühne aus: „Die Gesellschaft erkennt abstrakte Arbeit nicht ausreichend an. Studieren ist Denkarbeit. Die Studienzeit darf nicht unter dem Recht auf Rente leiden.“ Zum Reisen die Uni pausieren, den Studiengang nach zwei Semestern wechseln oder das Studienjahr wiederholen: Die Rentenreform hält dazu an, die Regelstudienzeit einzuhalten und keine außeruniversitären Aktivitäten zu verfolgen. Wer zu lange studiert, geht später in Rente.

Auch der Universitätsrektor Lionel Larré ergreift das Wort auf der Versammlung. Er sagt, es sei „undemokratisch“, dass die Premierministerin die Reform mittels des Artikels 49.3 im Parlament durchgeboxt habe. Dennoch spricht er sich gegen eine Weiterführung der Blockade aus: „Die Universität unterstützt die studentische Mobilmachung, aber eine Besetzung verhindert den Austausch über die politische Lage und die gemeinsame Organisation.“

Die Germanistikstudentin Savana Rocamora ist wie die meisten Studierenden nicht der Einladung der Besetzer*innen zur Vollversammlung und Debatte gefolgt. Sie kritisiert, dass für viele die Uni als Lernort wichtig sei und sich Prüfungstermine zu sehr verzögern.

Neben der Université Bordeaux Montaigne blockieren Studierende in der Stadt momentan auch das Institut für Politikwissenschaft und die École supérieure des Beaux-Arts. In Paris, Rennes sowie Nantes gibt es ebenfalls Unibesetzungen. Wahrscheinlich wird die Université Bordeaux Montaigne noch einige Tage geschlossen bleiben. Die studentische Vollversammlung hat heute für die Fortführung der Ausnahmesituation gestimmt, um gegen die Rentenreform zu protestieren.