Planung: Warum Wien?
Öfter habe ich verwunderte Reaktionen bekommen, als ich erzählte, dass ich mein Erasmussemester gerne in Wien verbringen möchte: Warum sollte man auch ein deutschsprachiges Nachbarland wählen, wenn man bewusst eine Zeit im Ausland verbringen, eine andere Kultur und neue Leute kennenlernen möchte?
Bereits vor zwei Jahren habe ich mich für einen Austauschplatz in Wien beworben, meinen bereits geplanten Aufenthalt aber schweren Herzens doch wieder abgesagt. Am Anfang der Corona-Pandemie war mir die Unsicherheit zu groß, ob das Studieren an der Uni in Präsenz überhaupt möglich wäre und wie eingeschränkt mein Leben in Wien werden würde.
Jetzt kann ich das zum Glück nachholen, befinde mich aber in den letzten Semestern meines Bachelorstudiums. Für mich war es wichtig, dass ich Kurse in allen meinen Studienfächern finde, die ich mir auch anrechnen lassen kann. Dafür war es praktisch, dass die Universität in Wien ähnlich organisiert ist und ähnliche Studiengänge anbietet wie in Freiburg.
Neben den eher pragmatischen Studiengründen wollte ich außerdem schon länger das Leben in einer größeren Stadt erleben. Auch dafür eignet sich die Stadt, in der rund 1,9 Millionen Menschen leben. In diesem Jahr wurde Wien außerdem erneut zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Ein Spaziergang durch die Stadt genügt, um nachzuvollziehen warum: Die Altbauten sind wunderschön anzuschauen, die Kaffeehäuser bieten die Möglichkeit für entspannte und gemütliche Nachmittage und es gibt unzählige Kulturangebote. Gleichzeitig ist Wien eine beliebte Stadt für Studierende aus verschiedensten Ländern, sodass man die Erfahrungen, die man sich von seinem Erasmussemester erhofft, auf keinen Fall missen muss.
Wohnungssuche
Die Wohnungssuche lief für mich zum Glück sehr unproblematisch ab. Im Juni habe ich angefangen, regelmäßig die Anzeigen auf der Plattform WG-gesucht zu sichten. Da mein Freund ebenfalls vorhatte, einige Monate in Wien zu verbringen, waren wir gemeinsam auf der Suche nach einer möblierten Wohnung zur Zwischenmiete. Ende des Monats lag ich ein paar Tage mit Corona im Bett und nutzte die Zeit, einige Vermieter*innen anzuschreiben. Bereits der erste Kontakt hat uns zu einer Online-Besichtigung eingeladen und wenige Tage später haben wir tatsächlich die Zusage für die Wohnung im siebten Bezirk bekommen. Von einigen anderen Studierenden habe ich mittlerweile gehört, dass dies wohl eher ein Glücksfall war. Ähnlich wie in anderen Großstädten scheint sich die Wohnungssuche auch hier normalerweise komplizierter und vor allem langwieriger zu gestalten.
Der siebte Bezirk Neubau gehört zu den inneren Bezirken Wiens und grenzt an das Stadtzentrum an. Er gilt als kreativer, junger und politisch grüner Bezirk. In den Straßen findet man viele individuelle Geschäfte, kleine Cafés und Secondhand-Shops. Ich musste mich also in der Stimmung der Wohngegend gar nicht so sehr von Freiburg umgewöhnen. Nur die Grünflächen und das Spazieren an der Dreisam vermisse ich ein bisschen. Zwar grenzt unsere Wohnung an einen kleinen Park, aber insgesamt gibt es im unmittelbaren Umfeld eher wenig Grün.
Auch meine Wohnkosten haben sich kaum verändert. Mein WG-Zimmer in Freiburg war circa 50 Euro günstiger als meine Mietkosten für die Hälfte der Wohnung in Wien. Anders als in anderen Großstädten ist das Wohnen in Wien vergleichsweise günstig. Dies liegt vor allem an der Förderung von Sozialwohnungen, die Wien seit den 1920er Jahren intensiv betreibt. Etwa 62 Prozent der Wiener*innen wohnen in Gemeindebauten, in denen die Mieten gedeckelt sind. Dieses System drückt die Mietpreise in der Stadt insgesamt nach unten.
Die Universität Wien
Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten in Europa. An der Uni gibt es rund 90.000 Studierende und mehr als 10.000 Angestellte. Ich besuche Kurse in den Fachrichtungen Theologie, Philosophie und Politikwissenschaft, die teilweise auf Deutsch und teilweise auf Englisch angeboten werden. Das Vorlesungsangebot reicht von Vorlesungen und Seminaren bis hin zu Lektürekursen. Insgesamt ähnelt die Struktur meines Semesters meinem bisherigen Studium in Freiburg. Besonders interessant sind die Veranstaltungen für Erasmus-Studierende.
Am Anfang des Semesters wurde eine Einführungswoche angeboten, um die Universitätsgebäude kennenzulernen und erste Kontakte mit anderen internationalen Studierenden zu knüpfen. Außerdem gibt es das Erasmus Student Network (ESN), eine Studierendenorganisation, die das gesamte Semester über zahlreiche Veranstaltungen anbietet, um die Stadt zu erkunden und gemeinsam mit anderen Erasmus-Studierenden Zeit zu verbringen.
Das Leben in Wien
Das Leben in Wien genieße ich bisher in vollen Zügen. Auch wenn Wien häufig als unfreundlichste Stadt der Welt bezeichnet wird, habe ich mich schnell eingelebt und fühle mich sehr wohl. Wien bietet unzählige Möglichkeiten, die Freizeit zu gestalten: Zahlreiche Museen und Theater, die Kaffeehäuser, Ausflüge zu den Schlössern der österreichischen Kaiserzeit, kleine Wanderungen in den Weinbergen bis hin zu Reisen in naheliegende Städte wie Linz, Salzburg oder Bratislava.
Ein paar meiner Highlights waren bisher einige Vorstellungen im Burgtheater und anderen kleineren Theaterhäusern, ein Konzert des Wiener Musikvereins, die Wanderung auf den Kahlenberg und ein Ausflug nach Bratislava. Auch die ausgedehnten Nachmittage in den Kaffeehäusern beim Zeitunglesen und Trinken einer Melange und das tägliche Spazieren durch diese beeindruckende Stadt möchte ich nicht mehr missen.
Es ist eine besondere Erfahrung, eine andere Stadt während des Studiums so intensiv kennenlernen zu können. Auch wenn mir mein Alltag und vor allem meine Freund*innen in Freiburg fehlen und ich mich schon jetzt auf die Rückkehr im Sommersemester freue, wird mir der Abschied im Februar sicher sehr schwer fallen.
Bisher habe ich meine Entscheidung, meinen Erasmus Aufenthalt in Wien zu verbringen, keinen Moment bereut. Ich bin gespannt, was die letzten zwei Monate meines Aufenthalts noch für mich bereithalten und bin mir sicher, dass ich auch danach noch häufig nach Wien zurückkehren werde.
Bis dahin heißt es für mich: Bussi und Baba.