Du bist seit Ende April auf Tour mit deinem neuen Album. Wie läuft’s bisher?
Mariybu: Richtig, richtig gut. Ich bin mega begeistert von der Crowd. Einfach, was für süße, liebe Leute kommen und was für eine krasse Stimmung auch die ganze Zeit ist. Und wie auch einfach für diese Show, die ich mir im Wohnzimmer ausgedacht habe, wirklich funktioniert auf der Bühne, weil das weiß man immer nicht. Kommt es an? Feiern die Leute das? Checken die überhaupt, was ich da gerade mache, weil es teilweise so kleinteilig ist. Alles funktioniert, alles kommt gut an. Es kommen viel mehr Leute, als ich dachte und ich bin richtig begeistert. Es macht richtig Spaß auf Tour zu sein!
Gehen wir ein paar Jahre zurück. Du hast als Rapperin begonnen, jetzt machst du Hyperpop. Wie kam der Switch von Rap zu Hip Hop zustande?
Mariybu: Das war 2022, glaube ich. Ich habe schon immer Sound-Elemente, die ein bisschen Hyperpop waren, benutzt, auch in meiner ersten und zweiten Rap-EP. Aber ich wusste nicht richtig, wie die Musikrichtung heißt. Ich hatte irgendwie keinen Namen dafür, einfach weil’s in Deutschland ja noch gar nicht big war. Dann meinte mein Master Engineer so: „Kennst du eigentlich 100 gecs ?“ und ich war so: „Nee“. Dann hat er mir einen Song gezeigt und meinte: „Ja, guck mal!“ und ich war so: „Woah, das ist so geil, wie heißt die Musikrichtung?“, meinte er: „Das ist Hyperpop“ und ich war so: „Was habe ich noch nie gehört, voll krass!“. Und dann habe ich angefangen, immer mehr in die Richtung zu hören und zu suchen und habe gecheckt, Charli XCX macht Hyperpop, die kannte ich natürlich vorher, aber ich wusste nicht, dass es Hyperpop heißt.
Als ich dann einen Namen hatte, konnte ich viel mehr Sounddesigns in die Richtung suchen und machen. So hat es angefangen, dass ich nur noch das machen wollte. Damals war ich noch beim [365XX] Label und mit meiner A&R, wir wollten damals ein Hip-Hop-Album machen und hatten auch schon vier Songs, aber ich meinte so: „Ey, das schmeißen wir jetzt alles runter und fangen ganz von vorne an, das wird ein Hyperpop-Album“ und sie war so: „Okay, ich bin Deutsch-Rap A&R, aber machen wir“.
Inwiefern kommt deine Persönlichkeit, im Vergleich zu deiner Rap-Ära, jetzt mehr zum Ausdruck?
Mariybu: Ich habe das Gefühl, es kommen noch mal andere Seiten und vielleicht auch noch präsentere Seiten von mir zum Ausdruck. Rap war in der Zeit genau das Richtige für mich, weil ich da einfach mainly sauer war und weil ich Wut für mich neu entdeckt habe. Aber eigentlich bin ich eine Person, die gerne übertreibt, die sehr laut, quirlig ist und ich habe das Gefühl, das passt zum Hyperpop irgendwie besser. Auch dieses crazy übertreiben mit allem, dieses plastic und autotune und over the top. Im Deutsch-Rap war das immer so: „Du bist fake, du bist nicht real“. Im Hyperpop ist es all about that, being fake. Deswegen passt das irgendwie viel besser zu mir, habe ich das Gefühl.
Du hast dir das Produzieren dann selbst beigebracht?
Mariybu: Ja genau so war‘s. Ein Jahr lang habe ich wirklich Freund*innen abgesagt. Es war Sommer, ich habe den Rollladen runtergemacht und mich einfach eingesperrt. Wirklich, ich habe dafür gelebt, ich war süchtig, so süchtig. Ich musste mich so richtig zwingen zu essen, auf Klo zu gehen, zu trinken, weil ich nichts anderes machen wollte.
Du hast außerdem ein eigenes Label gegründet, tangatunes. Wie gründet man sein eigenes Label und was hat dich dazu gebracht, diesen Schritt zu gehen?
Mariybu: Ich wollte das einfach machen, weil ich mal ausprobieren wollte, wie es ist ganz independent, weil ich vorher Erfahrungen gemacht habe mit Strukturen, wo mal wieder cis-Männer Macht hatten, die sehr übergriffig waren. Ich habe mich einfach richtig unwohl gefühlt mit besonders einem Mann und ich wollte nicht, dass er irgendeine Macht über mich hat. Dann war ich so: „Okay, ich mache jetzt erst mal einfach nur alles mit meinem Team, ohne da irgendeinen Typen drin zu haben und guck mal, wie sich das anfühlt“. Ich finde es fühlt sich geil an. Ich weiß nicht, was ich in Zukunft machen werde, aber für dieses Album war es genau das Richtige!
Sind in deinem Team also nur FLINTA*?
Mariybu: Nein, nicht nur. In meinem engsten Team sind alles Leute, denen ich vertrauen kann und die ich seit Jahren kenne. Zum Beispiel der engste, mein Tourmanager, ist auch ein cis-Mann, zählt aber zu meinen engsten Personen. Ich kenne ihn seit seit fünf Jahren und wir haben schon extrem viel Zeit zusammen verbracht. Mir ist einfach wichtig, dass ich in meinem Team die Leute kenne und ich ihnen vertraue. Bei cis-Männern brauche ich halt länger, um denen zu vertrauen, weil ich viele negative Erfahrungen gemacht habe. Deswegen sind weniger cis-Männer als FLINTA* in meinem Team, das ist mir auch wichtig. Wenn sie drin sind, dann müssen sie sich ihr Vertrauen erst mal erarbeiten, aber dann sind sie auch drin. Also bei mir ist es so: Ich bleib bei den Leuten, die ich kenne und denen ich vertraue und wechsle nicht die ganze Zeit. Es ist halt Familie. Leute sagen: „Arbeite nicht mit der Familie“, ich sage: Ich arbeite mit niemandem, der nicht Familie ist“.
Wie suchst du dir deine Tour-Supports aus?
Mariybu: Meine Support-Acts sind alles FLINTA*. Mir ist wichtig, dass ich sie kenne, auch persönlich. Auf Tour ist man eng zusammen, wir teilen uns oft den Backstage… Es müssen Leute sein, die ich kenne und mag und Leute, die eine Message haben, die ich gut finde. Dann passt es.
Bevor die Tour gestartet ist, hast du auf Social Media deine Fans über Awareness-Konzepte auf deinen Konzerten informiert. Auf welches Feedback stößt das?
Mariybu: Eigentlich nur positives Feedback. Natürlich bekomme ich nicht mit, ob das bei anderen Unwohlsein auslöst. Ich weiß noch, einmal habe ich geschrieben: „Zwei-Meter-Leute, bitte nicht erste Reihe“ und dann haben mir Leute geschrieben: „Du weißt gar nicht wie schwer es ist als Zwei-Meter-Person, was ist, wenn ich auch erste Reihe stehen möchte, das ist mega unfair von dir“. Okay, manche Leute nervt es, aber: ist mir scheiß egal. Ansonsten nur positives Feedback, die Leute haben das echt wertgeschätzt. Das ist auch meine Crowd, deswegen liebe ich die Konzerte auch.
Auf welchen Song hast du besonders Bock auf Tour zu spielen?
Mariybu: Ganz ehrlich? Eigentlich freu ich mich wirklich auf fast jeden Song und das ist richtig schön. Aber ich liebe „Kein Ponyhof“, weil der gerade mein größter Hit ist und weil die Performance ein kleiner Striptease im Outro hat. Ich liebe das.
Dein Album, aber auch der Titeltrack ein tag göttin haben neben klassischen Hyperpop-Elementen auch verletzlichere Seiten an sich. Wie ist es über so eine Seite von dir zu schreiben und dann auf der Bühne vor so vielen Leuten zu performen?
Mariybu: Ich habe lange überlegt, ob ich den Track aufs Album packen möchte, weil der halt sehr persönlich ist, aber ich finde es irgendwie mega wichtig, gerade auch auf so einem Party-Album zu zeigen, es gibt noch mehr. Gerade auch das Thema Depressionen begleitet mich immer, weil ich Depressionen habe. Deswegen möchte ich und ich weiß, Sichtbarkeit hilft, diese auch schaffen.
So einen Track live zu machen? Es kommt darauf an. Ich habe geübt, ganz viel in der Therapie, ein bisschen Abstand auf der Bühne zu bekommen, zu meinen innersten Emotionen. Dass ich sie nicht so doll auf der Bühne fühle, weil sonst würde ich die ganze Zeit heulen. Wenn ich alles realisieren würde, dass super viele Leute da stehen und meine Texte singen und das fühlen, dann müsste man ja permanent heulen und so geht natürlich nicht. Dann kann ich nicht singen. Oft gelingt es mir gut, dass ich das auf der Bühne wirklich performen kann. Aber zum Beispiel in Berlin ist mir das nicht gelungen, weil irgendwie 800 Leute ein Licht hochgehalten haben. Dann habe ich das gesehen und voll angefangen zu heulen. Meistens, erst im Nachhinein, checke ich erst, was da gerade passiert ist und dass ich das voll fühle.