Hallo Herr Rauscher, Sie lehren am Institut für Medienkulturwissenschaft der Uni Freiburg. Was ist Cosplay?

Als Cosplay definiere ich detailgetreue Kostüme aus Filmen, Serien, Comics, Manga oder Videospielen und die spielerische Aneignung dieser Rolle. Dabei geht es hauptsächlich um äußere Details. Cosplay ist nur teilweise „In Character“.

Woher kommt Cosplay?

Cosplay ist eine Art Vorform von dem, was auf Fan-Conventions zu Star Trek in den 70er Jahren stattfand. Damals begann man, detailreiche Kostüme der Figuren aus der Serie zu gestalten. Der zweite Faktor war das Star-Wars-Universum, das gibt kostümtechnisch natürlich ebenfalls viel her. Vor 30 Jahren wurde das noch als kurioser Ausnahmefall oder als Phänomen wahrgenommen. Inzwischen ist das ein fester Teil des kulturellen Geschehens, der auch immer mehr in den Mainstream vorgedrungen ist.

Wieviel Motivation, Hingabe und Zeit in einem Kostüm stecken kann

Die Freiburger Studentin Romy cosplayt seit sieben Jahren. Im Video zeigt sie, wie sie zu Dr. Octopus aus Spiderman wurde.

Wie hat sich Cosplay in Deutschland verbreitet?

Über solche Conventions. Es gibt jährliche Star-Trek- und Star-Wars-Conventions, die schließlich zu allgemeineren Comic- und Science-Fiction-Conventions erweitert und in den späten 90er sowie frühen 2000er Jahren etabliert wurden. Der Witz ist, dass man auf den Comic Conventions schon Cosplay hatte, bevor dieses Format klar benannt und etabliert war.

Warum verkleiden sich Menschen?

Dieses Bedürfnis, in eine Welt eintauchen zu können – nicht passiv eskapistisch, sondern eher gestalterisch – hat der amerikanische Medienwissenschaftler Henry Jenkins als „Participatory Culture“ bezeichnet: Fandom wird nicht nur durch kulturellen Produkte rezipiert, sondern als künstlerische Akteurin oder Akteur kreativ mitgestaltet. Das kommt im Cosplay zum Ausdruck.

Wo liegt der Unterschied zwischen Convention-Cosplay und Verkleidungen zu Fastnacht oder Halloween?

Bei Fastnacht durchmischt sich, was man an Kostümen im Schrank hat. Das ist ein wichtiger Unterschied zur Convention, obwohl auch Kostüme aus Franchises an Fastnacht auftauchen können. Halloween ist thematisch fokussierter.

Die Unterschiede liegen nicht so sehr in den Kostümen, sondern eher in den kulturellen Rahmenbedingungen. Bei einer Filmvorführung oder bei einem Halloween-Special wird Verkleidung als Teil der Party zelebriert.

An Fastnacht bewegt man sich durch die Stadt und mischt sich unter den feiernden Pulk. Auf Conventions stehen Details im Vordergrund, man tauscht sich mit anderen Fans aus, etwa wie die Kostüme gebastelt wurden.

Hinter den bunten Kostümen versteckt sich oftmals mehr, als das bloße Auge sieht

Im uniCROSS-Podcast geben Jasmin @blanche.floraison und David @sir8davren persönliche Einblicke und erklären, welchen Stellenwert Cosplay für sie hat.

Was zeichnet Cosplay aus?

Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive ist es wichtig, eine Neugier und Aufgeschlossenheit gegenüber dem Phänomen mitzubringen. Leute, die Cosplay als esoterisches Fandom-Phänomen abtun, verpassen eine spannende kulturelle Entwicklung.

Es zeigt sich, dass nicht alles unbedingt kulturindustriell manipuliert ist, sondern dass die Kulturindustrie umgekrempelt werden kann, indem man sich die kreativen Mittel aneignet und sich nicht nur von Disney die Kostüme verkaufen lässt.

Sind das die Schattenseiten?

Ja, ich sehe die Kommerzialisierung in dem Bereich kritisch. Wenn das Ganze nur noch auf gefertigte Kostüme abzielt, dann macht das viel Kreativität kaputt. Gerade die Disney Studios habe ich da stark in Verdacht, die sich sowohl den Comicverlag Marvel und die dazugehörigen Verfilmungen als auch das Star-Wars-Franchise einverleibt haben, indem sie die jeweiligen Produktionsfirmen aufkauften. Das kann schnell dazu führen, dass Cosplays genormt und in die Produktpalette der Disney Studios integriert wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Eine Gemeinschaftsproduktion von Anna Carolin Barta, Louisa Schneider und Romy Hönig im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas.