Der globale Markt für Online-Dating boomt. Die Match Group, Betreiber von Plattformen wie Tinder, Hinge und OkCupid, erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp drei Milliarden Euro. Konkurrent Bumble meldete einen Umsatz von rund 850 Millionen Euro.

Diese Apps haben Dating verändert. Doch hinter schnellen Swipes und bunten Profilen steckt eine knallharte Industrie. Die Plattformen leben von hohen Nutzerzahlen, Abonnements und ständiger Aktivität. Und eine feste Beziehung bedeutet für die Anbieter in der Regel einen Kunden weniger. Laut einer gemeinsamen Analyse der University of Southern California, der University of Science and Technology in Abu Dhabi und des Massachusetts Institute of Technology aus dem Jahr 2019 setzen viele Apps sogar weniger auf das perfekte Match als auf ein endloses Angebot an Profilen: Aus der Partnersuche wird ein Geschäftsmodell — und aus dem Finden ein ständiges Suchen.

Das Konzept der Apps steht auch in Europa in der Kritik. Die britische Sonntagszeitung Observer bezeichnete Dating-Apps im vergangenen Jahr als „ausbeuterisch“. Laut ihrer Untersuchung arbeiten die Apps mit Mechanismen, die an Glücksspiel erinnern. Durch Zufallseffekte und Belohnungssysteme fördern sie eher kurzfristige Motivation und erschweren ein langfristiges Kennenlernen.

Wie gehen Freiburgs Studierende mit Dating-Apps um?

Sechs junge Menschen berichten von Catfishing, der Suche nach dem perfekten Partner und digitalen Flirts. 

Dating-Apps dienen nicht nur der Partnersuche, sondern auch der Selbstbestätigung

Tobias Clausnitzer, Fachberater für sexuelle Bildung bei Pro Familia, kennt die Chancen und Risiken, die damit einhergehen: Er arbeitet mit Jugendlichen, die online übergriffig geworden sind, und sieht die Auswirkungen von Dating-Apps auf das Selbstwertgefühl.

„Online-Dating hat viele Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl“, erklärt der Experte. „Wenn man keine Rückmeldungen bekommt, entsteht schnell der Eindruck, nicht attraktiv genug zu sein oder nicht wertgeschätzt zu werden. Das kann zu Einsamkeitsgefühlen führen.“ Auf der anderen Seite können positive Rückmeldungen das Selbstwertgefühl deutlich stärken, so Clausnitzer.

Es komme darauf an, wie Jugendliche und Erwachsene eingebettet sind und wie stark ihre Resilienz ist. Für einige bietet das digitale Kennenlernen neue Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und der sozialen Anerkennung, besonders wenn reale Begegnungen schwierig sind.

Dennoch hinterlässt die Bewertung durch Likes oder Matches Spuren: Zahlreiche Apps stellen vor allem das Äußere in den Vordergrund. „Natürlich sind Bewertungen wichtig. Wir wollen gut dastehen“, sagt Clausnitzer. „Die Suche nach der eigenen Identität hat online häufig mit äußerlichen Merkmalen zu tun.“ Dieser Fokus könne zu Unsicherheiten führen, insbesondere wenn Menschen das Gefühl hätten, in zwei Welten zu leben: der digitalen und der realen.

Für das Selbstwertgefühl sei entscheidend, wie reflektiert die Nutzung von Dating-Apps abläuft. Clausnitzer betont: „Dating-Apps sind kein Problem per se, sondern eine Frage der Haltung. Es braucht Wissen darüber, wie Plattformen funktionieren, was Algorithmen mit uns machen und wie man sich selbst vor Ausnutzung schützen kann.“ Auch der Austausch mit anderen und die Auseinandersetzung mit den eigenen Erwartungen kann helfen, einen gesunden Umgang mit Online-Dating zu entwickeln — ohne dass der Selbstwert darunter leidet.

Die App Nova Meet aus Freiburg will Dating ändern

Statt unendlichem Swipen setzt das Programm auf Entschleunigung, weniger Profile und regionale Filter. Mitgründer Jonathan Köbelin erklärt, wie dieses Konzept in der Praxis aussieht und wieso es auch mal hilfreich sein kann, die App zu deinstallieren.

Eine Gemeinschaftsproduktion von Melina Herr, Hannah Klien, Adela Grigore und Jacquelin Münster im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion, Produktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Alexander Schröder, Philip Thomas, Ragna Johansson, Max Keefer.