Einigen Stickern auf Klotüren sieht man ihr Alter schon deutlich an. Die Sticker sind Hinweise auf die schon lange währende Tradition der Freiburger Nightline. Seit 17 Jahren gibt es die Nightline Freiburg. Ursprünglich kommt die Idee des nächtlichen Sorgentelefons aus Großbritannien, Vorreiter in Deutschland waren Heidelberg und Berlin. Inzwischen ist die Nightline Freiburg nach Heidelberg das Zuhörtelefon mit der zweithöchsten Erreichbarkeit von allen deutschen Nightlines.

Reden, um Probleme zu lösen

„Wir bei der Nightline sind der Überzeugung, dass es hilft, über seine Probleme zu reden“, sagt Sarah. Sie heißt nicht wirklich Sarah, möchte aber anonym bleiben. Auch Tanja und Sebastian heißen eigentlich anders, aber Anonymität ist einer der Grundsätze der Nightline – für Anrufer und Anruferinnen wie für die ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Denn so kann die Hemmschwelle möglichst niedrig gehalten werden und das Telefonat läuft vertraulich und unvoreingenommen.

Die Mitarbeitenden der Nightline fragen weder nach Namen oder Alter noch nach Studiengang oder Geschlecht. Die Anruferinnen und Anrufer sind für sie jedes Mal eine Überraschung und eine neue Herausforderung – wer genau am anderen Ende der Leitung ist, bleibt für beide Seiten für unbekannt. Genauso wie die Anrufer nicht wissen, wer ihren Anruf annimmt. Aktuell hat die Nightline Freiburg rund 50 Mitarbeitende aus verschiedensten Studiengängen und Semestern.

Themen zum Studium und sensible Probleme

Meist sind es ein bis zwei Anrufe, die pro Nacht die beiden Mitarbeitenden der Nightline erreichen, die in der Nacht Dienst haben. Zurzeit sind die Themen oft Studienstress, Prüfungsangst und Prokrastination. Aber auch Studienzweifel, Familienprobleme, Liebe und Sexualität sind Teil der nächtlichen Gespräche.

„Es passiert öfter mal, dass Anruferinnen und Anrufer das Gefühl haben, dass ihr Problem nicht groß genug ist, um bei uns anzurufen“, sagt Sebastian. Dabei ist es der Nightline wichtig, eine Möglichkeit des einfachen Austauschs zu bieten. „Manchmal kann man über einige Dinge nicht mit Leuten reden, die man kennt“, sagt Sebastian. Seien es zu sensible Themen für Bekannte, oder Dinge, die man Freunden schon mehrmals erzählt hat – „wir reden wirklich über alles.“

Nur in seltenen Fällen passiert es, dass das Problem des Anrufers die Kompetenzen der Mitarbeitenden übersteigt. Für solche Fälle haben die Mitarbeitenden der Nightline zweimal im Semester eine Supervision mit einem Psychologen der Uni. Hier werden eventuelle Probleme noch einmal analysiert und sowohl konkrete als allgemeine Fälle besprochen. Ein wichtiges Thema ist auch „wie es uns von der Nightline am Telefon geht“, sagt Sarah.

„Wir legen bei solchen Anrufen aber natürlich nicht einfach auf, sondern unterhalten uns trotzdem mit der Person, aber wir machen dann auch auf andere Angebote aufmerksam“, sagt Tanja. Die anderen Angebote, das sind beispielsweise die Zentrale Studienberatung, die allgemeine telefonische Seelsorge oder die psychologische Beratung des Studierendenwerks Freiburg.

Zuhören ohne Vorurteile

Bei den meisten Gesprächen dauert es ein wenig, bis sich die Studierenden den Nightline-Mitarbeitenden ganz öffnen. Deswegen werden bei der Nightline die Gesprächsmethoden nach Carl Rogers genutzt: Empathisches Zuhören, Wertschätzung und Vorurteilsfreiheit. „Wir versuchen zuzuhören, ohne zu bewerten“, sagt Sarah. Denn bei der Nightline sollen alle die Möglichkeit haben „einfach zu erzählen, was sie beschäftigt und belastet.“ Der Hintergrund ist die Idee, dass „jeder die Lösung schon in sich trägt“, erklärt Sarah.

Deswegen geben die Mitarbeitenden weder Ratschläge noch Lösungen oder Handlungsanweisungen, sondern hören zu, paraphrasieren, fassen Gesagtes zusammen und versuchen so, das Problem für den Anrufer greifbarer zu machen.

Dadurch, dass an beiden Seiten der Leitung Studierende sitzen, „ist es einfacher, sich in die andere Person hineinzuversetzen“, findet Tanja.

Nach dem Gespräch ist vor dem Gespräch

„Die Gespräche mit uns haben kein konkretes Ziel“, sagt Tanja. Es gehe darum, über Probleme zu sprechen, nicht sie zu lösen. Deswegen freue es die Mitarbeitenden auch sehr, wenn die Anruferinnen und Anrufer „sich bedanken und sagen, dass ihnen das Aussprechen gutgetan hat“, sagt Sebastian. Und auch wenn diese das nicht explizit sagen, sind sich die Mitarbeitenden der Nightline sicher, dass „es den Anruferinnen und Anrufern hilft, eine andere Sichtweise zu bekommen oder sich an andere Stellen zu wenden“, sagt Sarah.

Einen Satz, der exemplarisch für die Idee der Nightline steht, hören die Mitarbeitenden des Zuhörtelefons aber sehr häufig. „Das wollte ich alles einfach mal loswerden.“