Selbstfahrende Autos, Roboter im Alltag, Leben in einer Virtual Reality …, das alles hört sich erstmal nach Science-Fiction an, doch der Grundstein all dessen ist der Gleiche: Künstliche Intelligenz (KI).

Unter Künstlicher Intelligenz versteht man im Allgemeinen algorithmische Berechnungsverfahren, welche das Ziel verfolgen, die menschliche Wahrnehmung sowie das Handeln und Denken zu simulieren. Dabei lässt sich zwischen einer schwachen und einer starken KI unterscheiden.  

Im Rahmen einer Online-Befragung mit circa 80 Teilnehmenden, gaben Studierende ihre Einschätzung zum Thema KI ab: Ob Gesichtserkennung, Sprachassistenz, individuelle Werbeschaltung oder bei Computerspielen – dass sich in all diesen Bereichen im Alltag KI etabliert hat, darüber waren sich die befragten Studierenden einig. Wie tiefgehend die KI jedoch bereits heute in vielen Anwendungen integriert ist, dürfte für viele überraschend sein.

Einen Einblick in die aktuelle KI-Forschung gibt Prof. Dr. Frank Kirchner, Geschäftsführer Direktor des Deutschen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz am Standort Bremen. 

„Bei der KI, die wir derzeit entwickeln und verwenden können, handelt es sich um schwache KI“, sagt Prof. Kirchner. Die schwache KI besitze „Inseltalente“, das heißt, der KI werden wiederholt Sachverhalte eines Themengebiets vorgestellt, sodass sie innerhalb kürzester Zeit Experte für diese ausgewählte Aufgabe werde. Diese Art des Trainings von Erkennungsmustern nennt man maschinelles Lernen.

Datenverarbeitungssysteme im Internet seien mittlerweile soweit entwickelt, dass „ethnische Zugehörigkeiten teilweise zugeordnet und sogar Schwangerschaften diagnostiziert werden können“, sagt Kirchner, und das alles nur, weil man etwas Bestimmtes im Internet suche.

KI in der Automobilität

Ohne KI wären viele Leute vermutlich auch im Straßenverkehr aufgeschmissen, denn Navigationssysteme basieren ebenfalls auf einer künstlichen Intelligenz. 

Ebenso gehören Fahrassistenzsysteme inzwischen häufig zur Grundausstattung moderner Autos und erleichtern uns das sichere Fahren im Straßenverkehr. 

Weltweit werden enorme Anstrengungen unternommen, damit Autos zukünftig autonom – also ohne Eingriff des/der Fahrer*in oder fahrerlos – fahren können. Gerade in den letzten Jahren gab es in diesem Bereich große Fortschritte in Forschung und Entwicklung. 

Viele der befragten Studierenden sind skeptisch, ob Autos in näherer Zukunft autonom fahren werden. Doch Prof. Kirchner berichtet, dass er bereits vor fünf Jahren in einem autonom fahrenden Auto mitgefahren sei. Er ist sich sicher, dass in den nächsten fünf Jahren mit kleinen autonomen Shuttlebussen zu rechnen sei, die zwar zunächst noch mit einem Sicherheitsfahrer ausgestattet sein werden, prinzipiell aber bereits autonom fahren. Längerfristig sei es denkbar, dass auch mehrere Fahrzeuge von einem dezentralisierten Fahrer überwacht werden.

Ins autonome Fahrgeschehen eingreifen kann gefährlich sein

Keiner der befragten Studierenden konnte sich allerdings vorstellen, in einem autonom fahrenden Auto mitzufahren, wenn sie nicht gegebenenfalls selbst eingreifen könnten. Doch gerade hier bestehe ein großes Risiko, sagt Professor Kirchner. 

Während des autonomen Fahrens sei der Fahrer nämlich „im Grundsatz mit anderen Dingen beschäftigt und hat somit keine Übersicht über die Verkehrssituation.“ Ein abrupter Wechsel zwischen Unaufmerksamkeit und der plötzlichen Reaktion beim Eingriff führe – insbesondere in kritischen Situationen – schnell zu einer kognitiven Überlastung. 

Kirchner schätzt, dass sich das autonome Fahren Schritt für Schritt entwickle und langfristig gesehen auch die Infrastruktur entsprechend angepasst werde. Der Mensch könne sich als sehr adaptives Wesen schnell auf neue Situationen einlassen, was in der Historie beispielsweise am Handy gut zu beobachten sei. Früher oder später werde deshalb auch autonomes Fahren Akzeptanz finden.

Roboter im Alltag 

Ein weiteres großes Themengebiet der KI stellt die Robotik dar. Roboter sind im Alltag präsenter als der Umfrage zu Folge viele Studierende denken. Beispielsweise haben Staubsauger- oder Rasenmäher-Roboter schon bei einigen Haushalten in Deutschland Einzug gefunden. Und auch industrielle Produktion ist heute ohne Industrieroboter nicht mehr denkbar. 

Das volle Potential der Robotik sei aber lange noch nicht ausgeschöpft, sagt Prof. Kirchner. Das liege an der komplexen physischen Hardwaretechnologie und der notwendigen Sensorik. So befinden sich zum Beispiel in menschlichen Fingerkuppen mehr sensorische Zellen als verbaute Sensoren in allen Robotern deutschlandweit. Wie schwierig – beziehungsweise unmöglich – es ist, diese Feinmotorik in eine Robotik umzusetzen kann man sich denken. Hinzu komme die komplexe Koordination der Beweglichkeit von Robotern. 

Wie beweglich und flexibel ein Roboter ist, hänge mit der Anzahl der Freiheitsgrade zusammen, das heißt wie viele Greifer oder Gelenke dieser hat. Kann er eine Sache nur greifen und ablegen oder den Roboterarm auch noch anwinkeln und drehen? Je mehr Freiheitsgrade, desto mehr potentielle Möglichkeiten gebe es folglich und umso komplexer werde der Roboter. Diese Komplexität könnte am Ende die Grenze des Machbaren darstellen, angekommen sei die Forschung an diesem Punkt aber noch lange nicht betont der Professor.

Was Roboter leisten können

In der Medizin stellt die Robotik eine vielversprechende Technologie dar. Bereits heute gibt es „operationsunterstützende Systeme, die den Chirurgen mehr oder weniger helfen“ die hoch präzisen Bewegungen durchzuführen. Die Uniklinik Freiburg arbeitet beispielsweise seit Februar 2020 mit OP-Robotern, die die Gebärmutter besonders schonend entfernen können. Mithilfe von hochauflösenden Kameras mit 3D-Funktion und bis zu 10facher Zoomfunktion, sowie mehreren freibeweglichen Armen, können die Operateur*innen deutlich präzisere Schnitte durchführen, als es die menschliche Hand jemals könnte, schreibt die Uniklinik in einem Statement. 

Für bewegungseingeschränkte Patienten werden zudem derzeit Exoskelette entwickelt, erklärt Prof. Kirchner. Das sind maschinelle Gerüste, die der Mensch wie eine Jacke oder Hose tragen kann und welche ihn in Bewegungsabläufen unterstützen oder diese für ihn ausführen. So Cyborg-artig, wie es sich anhört ist es auch. Das Exoskelett ist eine Schnittstelle zwischen Menschen und Maschine. Aktuell werden sie vorwiegend bei Schlaganfallpatienten zur Rehabilitation genutzt, auf lange Sicht gesehen sollen sie aber auch querschnittsgelähmten Menschen aus dem Rollstuhl verhelfen.

KI in SciFi Szenarien ist oft eine „starke KI“

Viele SciFi Filme und Bücher gehen kritisch mit der KI um und zeichnen ein negatives Bild. So etwa der Film ‘Matrix’ in dem die Menschheit von Computern und diesen innewohnenden KI’s unterdrückt wird. Ebenso erzeugen das Buch und dessen Verfilmung ‘Blade Runner’, sowie die Serie ‘Westworld’ ein kritisches Bild der KI und deren Macht. In solch fiktionalen Szenarien handelt es sich in den meisten Fällen um eine starke KI. Diese Technologie beschränkt sich im Gegensatz zur schwachen KI nicht nur auf ein Fachgebiet, sondern ist vielfältiger aufgestellt. Das heißt, sie wäre in der Lage, alle Aufgabenfelder gleichzeitig zu beherrschen und in sämtlichen Situationen selbstständig zu entscheiden und handeln zu können. „Es geht dabei also um die Nachbildung der menschlichen Intelligenz in all ihren Facetten inklusive Gefühlen, Empathie und so weiter. Quasi technisch-menschliche Wesen“, erklärt Kirchner. 

Eine Orientierung wie komplex das Thema ist, biete die menschliche Kognition. Hier trifft die Umsetzung der starken KI auf ein Problem. Denn das menschliche Gehirn, so zeigt die Forschung, ist bei der Informationsverarbeitung unter anderem auf emotionsverarbeitende Areale angewiesen. Damit hängen Erinnerungs- und Entscheidungsprozesse, aber auch Logik zusammen. Eine starke KI zu entwickeln sei demnach wahrscheinlich nicht möglich, was am Defizit von Erkenntnis und Bewusstsein einer KI liege, sagt Kirchner.

Die Superintelligenz wäre schlauer als der Mensch

Dennoch spekulieren Forschende unter anderem im Silicon Valley bereits über eine Superintelligenz, die schlauer sein wird als der Mensch. Prof. Kirchner erklärt, dass für eine Superintelligenz jedoch erstmal eine starke KI entwickelt werden müsste. Sollte es jemals eine Superintelligenz geben, dann wäre es – so zitiert Kirchner Stephen Hawking – „die letzte Erfindung, die der Mensch je machen wird“. Denn in diesem Szenario dürfte davon auszugehen sein, dass die KI unsere Intelligenz überschreiten und somit zum mächtigsten Geschöpf auf unserem Planeten werden würde.

„Eine massive Forschungsfrage für die nächste Dekade“ sei deshalb zunächst einmal, wie man die einzelnen Inseltalente einer KI zu einer integrativen KI Methode vereinen könne. Und das obwohl datengetriebene maschinelle Lernverfahren „im Prinzip kompletter Irrsinn“ seien, sagt Prof. Kirchner. Schließlich müsse man einer KI Millionen von Beispielen liefern, bis sie den Sachverhalt verstehe, während ein Mensch dafür deutlich weniger Informationen benötige und gleichzeitig deutlich weniger Energie aufwenden müsste. 

Wir könnten in einer Simulation leben

Könnte es sein, dass die Superintelligenz bereits existiert und wir in einer Simulation leben, so wie im Film Matrix, in dem die Computer bereits die Herrschaft über die Menschheit übernommen haben?

Die befragten Studierenden sind unterschiedlicher Meinung. Während einige es für durchaus wahrscheinlich hielten, dass unsere Realität bloße Simulation sein könnte, erachteten die restlichen Studierenden diese Theorie als Hirngespinst. 

Elon Musk sagte bereits 2016 auf einer Konferenz, dass er daran glaube, dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir real seien, nur bei Eins zu einer Milliarde liege. Und auch Wissenschaftler*innen, wie der bereits verstorbene Astronom Fred Hoyle, unterstützten diese Annahme. 

Es gebe unter anderem in der Physik durchaus wissenschaftliche Theorien, die auf Unregelmäßigkeiten beziehungsweise Gesetzmäßigkeiten beruhen, die sich wissenschaftlich nicht erklären lassen, sagt auch Prof. Kirchner. Ein Beispiel dafür seien schwarze Löcher, die Information im Weltall einfach zu „verschlucken“ scheinen, was eigentlich nicht möglich sein dürfte. Wissenschaftler*innen in der theoretischen Physik versuchen dies damit zu erklären, dass unsere Wirklichkeit gegebenenfalls eine einfache Simulation sei. 

Wann und ob es überhaupt jemals eine starke KI geben werde, sei so ungewiss, wie auch unwahrscheinlich. Fakt ist, dass die künstliche Intelligenz der Menschheit in großem Maße behilflich sein kann und zukünftig viele Möglichkeiten biete. Und für den Fall, dass wir bereits in einer Simulation leben, stellt Kirchner die Frage: „Würde es überhaupt einen Unterschied machen?“

Prof. Dr. Dr. Frank Kirchner

ist Geschäftsführender Direktor des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz in Bremen. Dort ist er zudem Standortleiter des Robotic Innovation Center (RIC) sowie Wissenschaftlicher Direktor.

Desweiteren ist Prof. Kirchner Inhaber des Lehrstuhls für Robotik im Fachbereich Mathematik und Computerwissenschaften an der Universität Bremen. Er ist an zahlreichen weiteren Projekten und Forschungsgruppen im Bereich Robotik und KI – auch im Ausland – beteiligt und bekam 2017 die Ehrendoktorwürde durch die Centro Universitário SENAI CIMATEC, Brasilien, verliehen für zukunftsweisende Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Robotik und der Künstlichen Intelligenz.

Mehr Informationen zu seiner Person und dem DFKI gibt es unter www.dfki.de