Nach einem Karaoke Abend 2017 treffen die drei Musiker Lewis Maynard, Drummer Nick Buxton und Gitarrist Tom Dowse auf die Künstlerin Florence Shaw. Shaw, die vorher nie gesungen hatte, wird sofort zur Stimme der Band und kümmert sich fortan um die textliche Ausgestaltung. Ihre scharfe Beobachtungsgabe macht sie zu einer passionierten Archäologin des Alltags. Haarentferner, chocolate chip cookies, ein Zahnarzt mit einem unordentlichen Garten, ein großes Glas Mayonnaise im hinteren Teil des Kühlschranks oder ermüdende TV-Abende bilden ihr Erzählmaterial. Die Phrase “just an emo dead stuff collector, things come to the brain“ aus dem Song Strong Feelings definiert Shaws Songwriting-Ansatz wohl am treffendsten. In fast dadaistischer Cut-Up Qualität ordnet die Sängerin ihre skurrilen Funde in schwer durchdringbaren Formen an – die gleichermaßen Unverständnis wie Faszination auslösen. Klar ist hier nämlich gar nichts! Ihre Stimme dabei meist sanft nach innen gerichtet, wie im Gespräch mit sich selbst auf der Suche nach Zusammenhängen.

Der Sound, der sie auf ihrer Suche begleitet, changiert dabei zwischen Echos von the Smiths, atmosphärischen Indie Anleihen und pulsierendem Post-Punk. Launische Gitarrenriffs und matschige Bassloops bilden dabei den stetigen Puls und das flirrende Chaos um Shaws entwaffnende Apathie. Mal scheint ihr Sprechgesang in bedrohlichem Widerstreit mit ihrer Umgebung wie beispielsweise auf dem Song A L C, mal ergeben sich hypnotische Symbiosen mit intimer, fast mystischer Qualität.

Der Schluss-Track Every Day Carry zerfließt so nach beseelten drei Minuten Dream Pop Gitarre in zerhackte instrumentale Feedback Schleifen, um zum Ende nochmal in überraschender Intensität zurückzuschlagen. Shaws Tonus dabei weiterhin gewohnt surreal, finden einige Textstellen doch zu überraschender Klarheit, in der die Sängerin ihr postromantisches Gefühlschaos verarbeitet. Selten erlebt man sie textlich so präzise und offen zugleich.

New Long Leg entführt die Hörer*innen in eine Miniaturwelt mehrdeutiger Beschreibungen und kurioser Beobachtungen. Unterstützt durch raffinierte Klangkulissen im Stile modernen britischen Post-Punks, gewinnen die lethargische Monologe an faszinierender Spannung und ironischem Witz. Dry Cleaning liefern damit den perfekten Soundtrack für alle detailverliebten Rätselfans, die keine Angst davor haben die Hälfte der Zeit erstmal gar nichts zu verstehen.