In Freiburg haben in diesem Jahr rund 60 Personen an der sogenannten Tramp-Rallye teilgenommen. Ziel dieses Wettbewerbs ist es, zu einem geheimen Ort zu trampen. Wohin es schlussendlich ging und welches Team gleich drei Länder bereiste, berichtet das uniCROSS-Video.
Die durchschnittlichen Ticketpreise der Deutschen Bahn sind für junge Leute oft unerschwinglich: Wer kurzfristig verreisen möchte, zahlt für eine Einzelfahrt bis zu 140 Euro. Und wer mit dem Fernbus reist, muss meist mehr Zeit einplanen: Während eine Bahnverbindung von Freiburg nach Köln knapp drei Stunden dauert, fährt man mit dem Bus mindestens sieben Stunden.

Trampen ist in der Regel kostenlos und scheint dennoch aus der Mode gekommen zu sein. „Das große Trampen ist vorbei“, sagt Timo Heimerdinger vom Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie der Universität Freiburg. Dem Professor zufolge haben Fahrer*innen durch das Auto heute die maximale Autonomie erreicht, die sie nur ungern einschränken. „Das Auto ist ein Freiheitssymbol für Individualität“, sagt Heimerdinger. Diese Freiheit lässt man sich nicht gerne nehmen.
Zudem unterschreitet der Abstand im Auto die Distanz, die normalerweise zu Fremden eingenommen wird. In der Regel beträgt diese circa 0,8 bis 1,2 Meter. Freunde und Familie dürfen bis zu 46 Zentimeter nah an einen heran. Einen Tramper im Auto mitzunehmen, bedeutet also eine Einschränkung dieser Norm.
Heimerdinger analysiert: „Trampen ist ein Tauschhandel.“ Obwohl Mitreisende kein Geld bezahlen, dienen sie als Zuhörer*innen oder Entertainer*innen. Auf diesen Handel müssen sich Reisende jedoch erst einmal einlassen. Trampen erprobe und erweitere dabei Fähigkeiten, sozial aufzutreten sowie selbstbewusst und freundlich zu kommunizieren, so Heimerdinger. Deshalb kann es auch eine „super Selbstwirksamkeitserfahrung“ sein.
Wer trampt, geht Risiken ein. Die Freiburger Studentin Laura Landsberg fährt im Urlaub gerne per Anhalter. Bei einem Trip mit einer Freundin auf Madeira im Jahr 2022 wurde Laura beim Trampen jedoch von einem Senior sexuell belästigt. „Wir waren zutiefst verstört“, berichtet die 24-Jährige. Der Täter habe mehrfach versucht, mit den beiden intim zu werden, während er das Auto fuhr.
Als die beiden das entschieden ablehnten, begann der Fahrer, sich selbst zu befriedigen. Die Freiburgerinnen versuchten, der Situation zu entfliehen. „Er machte keine Anstalten, anzuhalten“, erinnert sich Laura. Ihre Freundin zwang den Mann durch einen Griff ins Lenkrad dazu, auf einem Parkplatz stehenzubleiben. Die Studentin weiß, dass sie Glück hatten: „Wäre er ein bisschen jünger gewesen, hätte das alles nicht geklappt.“
Um sich beim Trampen zu schützen, hat Laura ein festes Set an Regeln: Generell trampt sie niemals allein. So ist es einfacher, sich gegen übergriffiges Verhalten zu wehren. Zudem merkt sie sich das Nummernschild jedes Autos, in das sie einsteigt, oder knipst unauffällig ein Foto.
Auf uniCROSS-Anfrage äußert sich die Freiburger Polizei zurückhaltend. In jüngerer Vergangenheit seien keine entsprechenden Vorfälle zur Anzeige gebracht worden. Trotzdem rät die Polizei vom Trampen ab: Ein Restrisiko könne nie ausgeschlossen werden. Letztendlich sollten erwachsene Menschen die jeweilige Situation jedoch selbst beurteilen.
Trotz der Gefahr können sich zahlreiche Tramper*innen nicht vorstellen, diese Art des Trampens aufzugeben. Die positiven Aspekte überwiegen für sie. „Ich habe damit ein Transportmittel gefunden, das für mich einfach funktioniert“, sagt Paul Husslein, der Veranstalter der Freiburger Tramp-Rallye. „Sollte es nicht mehr funktionieren, würde ich auch aufhören.“
Paul Husslein erzählt im uniCROSS-Interview, wie er zum Trampen kam und warum er findet, dass jede*r einmal per Anhalter gefahren sein sollte.
Eine Gemeinschaftsproduktion von Elise Meier, Lena Theißl, Luisa Hartmann, Mathilda Saxer und Nele Weidhase im Rahmen des Seminars „Einführung in den crossmedialen Journalismus“ für Studierende der Medienkulturwissenschaft. Seminarleitung, Redaktion: Ada Rhode, Andreas Nagel, Philip Thomas, Ragna Johansson, Alexander Schröder, Max Keefer.