Sieben Jahre lang war Facebook meine News-Quelle Nummer 1 – bis letztens mein Handy den Geist aufgegeben hat. Als ich ein paar Tage später das neue Gerät eingerichtet habe, war mein Bedürfnis nicht groß genug, wieder mehrmals täglich den Newsfeed rauf- und runterzuscrollen. Also habe ich die Facebook-App erst gar nicht installiert.

Von der laufenden Dosis an Berichterstattungen über Corona-Neuinfektionen und anderen pandemiebezogenen Themen war ich ohnehin schon zu betäubt, als dass sich ein radikaler Verzicht auch radikal angefühlt hätte. Zugegeben, so streng bin ich mit mir nicht. Aber bei der Fülle an Informationen, die mein Gehirn Tag für Tag verarbeiten soll, ziehen die meisten Neuigkeiten wie auf dem Fließband an der Supermarktkasse an mir vorbei. Daher informiere ich mich punktuell: Das heißt, ich lese lieber längere, zeitaufwändigere Beiträge – solche, die nachwirken und Denkanstöße geben.

Vor der Pandemie hat die Klimakrise die News-Welt auf Trab gehalten. Corona ist jetzt die neue Krise, die kaum bis keinen Platz für andere Brandthemen lässt – und potenzielle Lichtblicke kommen auch zu kurz. Ist der Fokus nicht gerade auf das Virus gerichtet, sind es Erdbeben, Anschläge oder wirre Aussagen eines Politikers, die das Nachrichtenspektrum beherrschen.

Klar, die Funktion von News ist es tagesaktuell zu informieren. Da das Coronavirus seit Monaten unseren Alltag im Griff hat, steht es immer weit oben auf der Agenda. Die Frage ist: Muss die Tagesschau an Spitzentagen zusätzlich zum Liveblog zum Coronavirus noch sechs weitere pandemierelevante Artikel bringen – oder ZDF heute neun? Ich selbst spüre jedenfalls im Angesicht eines häufig negativen Duktus in der Berichterstattung meine wachsende Passivität.

Ich würde gerne wieder aktiver am Mediengeschehen teilnehmen und News verfolgen, aber wozu? Es ist nicht so, als würden sie meinen Alltag bereichern – im Gegenteil fühle ich mich eher überladen, wenn ich sie konsumiere. Die wirklich relevanten Entwicklungen bekomme ich sowieso spätestens über Mundpropaganda mit – in diesem Punkt kann ich dem Schweizer Autor Rolf Dobelli nur zustimmen, der in seinem Buch Die Kunst des digitalen Lebens über News-Verzicht schreibt.

Aber Dobellis Radikalweg kann nicht der einzige Exit aus dem Nachrichtensumpf sein. Wenn manche wegschauen, ändert das trotzdem nichts daran, dass andere weiterhin täglich eine Überdosis Ernüchterung verabreicht bekommen, ohne dass es ihnen bewusst ist.

Laut dem deutschen Pressekodex tragen Journalist*innen eine Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit: Die Achtung der Wahrheit ist eines der obersten Gebote. Sieht die Realität wirklich so schwarz aus, wie sie in den News oft gezeichnet wird? Nein, denn es gibt sie, die ‚guten‘ Berichte, die über nachhaltige Konzepte, medizinischen Fortschritt oder neue Tierarten informieren. Im Strudel großer Schlagzeilen haben sie es nur nicht leicht aufzufallen.

Ein weiteres Problem ist: Das menschliche Gehirn tendiert dazu, stärker auf negative Nachrichten als auf positive zu reagieren – ein evolutionsbiologisches Überbleibsel, das den Menschen wohl auf Gefahren aufmerksam machen soll. So gesehen fällt nicht nur das Lesepublikum zum Opfer seiner eigenen Lust nach Unruhe, denn Journalist*innen tun es ihm gleich.

Um diesem Teufelskreis zu entkommen, reicht es nicht, der journalistischen Arbeit die alleinige Schuld in die Schuhe zu schieben – auch wenn ich das gerne tun würde, um die Verantwortung komplett abzugeben. Ja, Journalist*innen haben eine Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit. Sie sollen ausgewogen berichten, also weder Schwarzmalerei noch Wohlfühljournalismus betreiben.

Ich glaube aber, ich bin als Leser*in auch mir selbst gegenüber verpflichtet: Ich muss vielleicht den Drang ablegen, immer topinformiert sein zu wollen. Und ich muss vielleicht lernen, mit meinem Sensationshunger umzugehen. Gerade inmitten einer Pandemie lese ich lieber zwei gut recherchierte Artikel als 10 oder 20 Beiträge aus der News-Massenproduktion. Beim Billigfleisch ist der Aufschrei auch groß und die Nachfrage nach Qualität noch größer – bloß wer Qualität möchte, muss auch bereit sein, sich um sie zu bemühen.